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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855)

Seite. Er ist meinetwegen gekommen, und kannst Du es, so verbirg ihm unsere Heirath, ich selbst werde sie ihm mittheilen.“

„Jetzt spielst Du den Geheimnißvollen!“ sagte die junge Frau, indem sie lächelnd mit dem Finger drohete. „Hegte ich nicht ein unbegrenztes Vertrauen zu meinem Manne, so würde ich schließen müssen – –“

„Schließe und denke nichts, Josephine, was Du von dem Major auch hören wirst. Gleich nach seiner Entfernung gebe ich Dir Aufschlüsse – –“

Josephine verneigte sich, und ging in den Saal.

„Ich bedarf der Aufschlüsse nicht, denn ich weiß bereits Alles!“ flüsterte sie vor sich hin.

„Was ist das? Was ist das?“ fragte sich Philipp. „Der Major sucht meine Frau auf? Der brutale Mensch ist sicher nur gekommen, um mir zu schaden. Aber wie kann er wissen, daß ich mich in Leipzig aufhalte? Wer hat ihm meine Verbindung mit Josephine entdeckt?“

So leise, als es seine Aufregung erlaubte, schlich er über den Corridor in das Kabinet. Als er die Falten der grünen Gardine ein wenig auseinanderzog, sah er den Gast neben seiner Frau auf dem Sopha sitzen, das dem Verstecke gegenüberstand. Der Lauscher konnte genau die in einer Unterredung begriffenen Personen beobachten.

„Er ist es!“ flüsterte Philipp, der leise zitterte. „Ich werde seinen bösartigen Plan auf eine Weise vereiteln, daß er mir nie wieder in den Weg treten soll.“

Wie erstaunte Philipp, als er sah, daß der Major die Hand seiner Frau ergriff und in einem zärtlichen Tone, den er bei dem derben Soldaten nie gekannt, flüsterte:

„Nicht wahr, Madame, Sie erlauben mir, daß ich dem Drange meines Herzens folgen und Sie Josephine nennen darf?“

„Herr Major, jeder Ausdruck Ihrer Achtung und Zuneigung ist mir willkommen!“ antwortete sie, mit dem sichtlichen Bemühen, von dem Lauscher deutlich verstanden zu werden.

„O, zweifeln Sie nicht, daß Sie beide Empfindungen lebhaft in mir angeregt haben. Daß ich völlig mit mir im Klaren bin, habe ich Ihnen bereits in meinem Briefe angezeigt. Sie sind die Frau, wie ich sie mir wünsche, und darum empfangen Sie den Verlobungsring.“

Fast hätte Philipp seine Anwesenheit verrathen, als er in dem Major den Heirathskandidaten kennen lernte, der ihm so viel Sorgen gemacht hatte. Statt in der gefürchteten bösartigen Absicht, war der Major in der zärtlichsten von der Welt gekommen – er wollte die reizende Josephine heirathen.

„Warum mystifizirt sie den Major?“ fragte er sich zitternd. „Wo hat sie ihn kennen gelernt, und wo hat die Annäherung stattgefunden? In welcher Absicht hat sie diese seltsame Heirathsgeschichte eingeleitet?“

Er sollte bald die Antwort auf diese Fragen erhalten.

„Bevor ich Ihren Ring annehme,“ sagte Josephine, „muß ich Ihre Bedingungen kennen lernen –“

„Mein Gott,“ rief der begeisterte Major, „reden wir nicht von Bedingungen! Doch ja, eine Bedingung habe ich Ihnen zu stellen.“

„Und welche?“

„Daß der Verlobung sofort die Vermählung folgt. Ich habe einen wichtigen Grund, meine junge Frau sofort mit mir zu nehmen.“

„Fürchten Sie meine Untreue, wenn Sie mich noch einige Zeit in Leipzig zurücklassen?“ fragte Josephine lachend.

„Nein, Josephine, nein! Bei meiner Ehre als Soldat: nachdem ich Ihre Grundsätze kennen gelernt, kann es mir nicht einfallen, den leisesten Verdacht zu hegen. Die Eifersucht ist in meinen Augen das häßlichste Laster an einem Bräutigam oder Ehemann. Beweist sie nicht, daß er sich unfähig fühlt, das Herz seiner Geliebten ganz auszufüllen? Oder daß man ihr nicht trauen darf? Madame, regte sich Mißtrauen in mir, so würde ich Ihnen diesen Ring nicht anbieten.“

„Und dennoch wollen Sie mich sofort mit sich nehmen?“

„Der Grund liegt bei mir, Madame, und ich will ihn nicht verhehlen. Sie erinnern sich, daß ich von einem erzliederlichen Neffen sprach, einem Sohne meiner verstorbenen Schwester.“

„Ganz recht.“

„Dieser Bursche wäre mein Erbe, wenn ich ohne Kinder bliebe. Vor länger als einem Jahre erfuhr ich, daß er in Berlin ein leichtfertiges Leben führe, und daß er mit einer Frau von höchst zweideutigem Rufe sein väterliches Vermögen vergeude. Ich hätte mich den Teufel um ihn gekümmert, wenn nicht ein Testament meines Vaters vorhanden wäre, wonach mein Gut Wildau auf meine Schwester oder deren Kinder übergehen solle, wenn ich unverheirathet bliebe. Der einzige Junge meiner Schwester, Philipp, kennt diese Testamentsklausel, und darum wirthschaftet er eben so darauf los, wie sein Vater, der leichtsinnig und pflichtvergessen seine arme Frau in das Grab gebracht hat. Das Sprüchwort bewährt sich: der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Ich schrieb also vor ungefähr einem Jahre an meinen saubern Neffen, und ermahnte ihn, seine kostspielige Geliebte und sein verschwenderisches Leben aufzugeben. Ja, da kam ich schön an! Die Geliebte, eine von ihrem Manne getrennt lebende Frau, muß ihn völlig in ihrer Gewalt haben, denn er antwortete mir in einem höchst impertinenten Tone, daß ihm seine Geliebte mehr werth sei, als der Onkel, der außerdem als ein Hagestolz die Liebe nicht zu beurtheilen verstehe. Zugleich rieth er mir, mich um seine Verhältnisse ferner nicht zu kümmern, und ruhig meinen Acker zu bebauen. Meinen Groll, Madame, können Sie sich denken, als ich später erfuhr, daß er sein Gütchen verkauft habe, um das Geld seinem Götzen zu opfern. Nun faßte ich den Entschluß, mir eine Frau zu nehmen. Das Uebrige wissen Sie bereits. Ich war so glücklich in meiner Wahl, daß ich dem Jungen, der mich dazu veranlaßt, verziehen haben würde, hätte er nur die geringste Lust zur Umkehr auf einen bessern Weg gezeigt. Gestern schreibt mir mein Correspondent aus Berlin, er habe erfahren, Philipp sei mit jener Person, deren Mann plötzlich gestorben wäre, verheirathet, und Beide schmiedeten nun eine Intrigue gegen mich, um auf Grund des vorhandenen Testaments Geld zu erpressen. Ah, Madame, ich muß gesattelt sein, denn mein Neffe artet nach seinem Vater, von dem die rechtlichen Leute sagten, daß sie keinen Prozeß mit ihm haben möchten. Schon bei dem Worte Prozeß sträuben sich mir die Haare empor! Eine Heirath schützt mich vor allen Angriffen, ich verschreibe meiner Frau mein Vermögen, und kann ruhig und zufrieden leben. Das ist mein Geheimniß, ich habe Ihnen nicht mehr zu entdecken.“

Die letzten Eröffnungen des Majors waren Philipp ein Räthsel, denn es war ihm nicht in den Sinn gekommen, irgend etwas gegen den Bruder seiner Mutter zu unternehmen, obgleich er die Hoffnung auf die Erbschaft nicht aufgegeben hatte.

„Herr Major,“ begann Josephine, „Ihre Offenheit ehre ich, denn sie beweist mir, daß ich es mit einem redlichen Manne zu thun habe.“

„Ich rede, wie ich denke, Madame, und meine zukünftige Frau muß alle meine Familienverhältnisse kennen. Sie soll nicht zufällig erfahren, was ihr zu wissen gebührt. Und darum wiederhole ich, daß ich mich jetzt aus reiner Neigung verheirathe, wenn ich auch die angegebenen Rücksichten nicht ganz außer Acht lasse.“

„Ihr Neffe, Herr Major, ist also der Grund, daß wir uns kennen gelernt haben?“

„Ja.“

„Denn es ist meine Pflicht, daß ich mich für ihn verwende; er soll nicht sagen, daß ich ihm Alles geraubt habe. Wie Sie mir mittheilten, ist er mit seiner Geliebten verheirathet – kennen Sie seine Frau?“

„Nein; aber man sagt, daß sie eine ausgemachte Kokette sei, für die sich der junge Mensch ruinirt habe. Und der Beweis liegt ja vor – warum hat er sein Gut verkauft? Es thut mir leid, daß ich Ihnen die erste Bitte versagen muß.“

„Verzeihung, mein Herr, wenn ich beharre. Die Welt liebt es, zu übertreiben, und sie verurtheilt oft eine Frau nach dem bloßen Scheine. Wenn Sie nun der Gattin Ihres Neffen Unrecht gethan hätten?“

„O, Madame, dann will ich mein Unrecht bekennen, dann will ich die ersten Gründe fallen lassen, wie auch bereits geschehen, und verheirathe mich aus Achtung und Liebe.“

„Ihre Dienerin, mein Herr!“ sagte Josephine, sich stolz verneigend. „Damit wäre ich zufrieden gestellt, aber nicht ihr armer Neffe, den Sie doch nicht vergessen dürfen.“

„Ich wünsche ihm, daß er eine eben so schöne und achtbare Frau besitzen möge, als mir das Glück in Ihnen, Madame, zugeführt hat.“

„Und wenn dies der Fall ist?“ fragte Josephine mit einem reizenden Lächeln.

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