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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855)

abzuziehen, in welchen man auch Thiere und Pflanzen einstweilen unterbringt, bis man das Aquariumgefäß gehörig ausgerieben und ausgespült hat. Jetzt filtrirt man das Wasser durch eine vermittelst eines Schwammes am untern Ende leicht geschlossene Glasröhre und setzt auch Thiere und Pflanzen wieder hinein. Steine, Muscheln u. s. w., die durch eine Lupe verdächtig aussehen, behalte man einstweilen in besondern Gesäßen, bis man über deren Stand in’s Klare gekommen.

Auch wenn die erste Krisis (während der ersten 10 Tage) vorüber ist, kommen, wie im Menschenleben, gelegentliche Todesfälle vor. Deshalb muß man das ganze Aquarium etwa alle acht Tage einer Specialhaussuchung unterwerfen, und Todtes und sonst Ungehöriges mit einem kleinen, rechtwinkelig gebogenen und an einen dünnen Stab befestigten Zinnlöffel entfernen (Silber und Gold ist hierbei nicht verboten). Ein Paar andere dünne Stäbchen, einige am Ende spatenartig zugeschnitten, können gelegentlich dazu benutzt werden, um diesen oder jenen Bewohner zu exmittiren, ausziehen oder blos wo anders hin spazieren zu lassen. Kleine Netzchen (Musselin, lose zwischen Ringe befestigt und diese an einem Stäbchen) sind die besten Instrumente, dies oder jenes Exemplar zu fangen, herauszufischen und speziell zu untersuchen oder zu versetzen. Regel dabei muß freilich sein: Quäle nie ein Thier zum Scherz! Anfassen sollte man nie eins.

Im Verlaufe der Zeit verdunstet bloßes Wasser des Seewassers, das man daher durch gelegentliche Hinzufügung reinen, frischen Wassers (nicht Seewassers) in seiner Quantität erhalten muß. Destillirtes Wasser ist dazu natürlich das beste, doch geht auch Flußwasser. Genau genommen, hat man nicht sowohl dieselbe Menge, als dieselbe Dichtigkeit des Seewassers zu erhalten, doch reicht ein Zeichen just da, wo das Wasser an der Wand des Aquariums aufhört, hin, um immer so viel Flußwasser hinzuzufügen, daß der Stand im Aquarium nicht unter dieses Zeichen sinke. „Reinlichkeit ist das Nächste nach Gottseligkeit,“ sagt der Engländer. Den kleinen Ocean, weil er eigentlich ein Gefängniß ist, muß man besonders sorgfältig rein halten. Als Straßenkehrer stellt man einige Schnecken – die in England täglich millionenweise gegessenen periwinkles – an, welche mit der Zunge, in Ermangelung eines Besens, die innern Wände fleißig von dem grünen, vegetabilischen Ansatz befreien, doch nicht immer ganz regelmäßig, so daß man gut thut, etwa monatlich einmal, alle innern Wände mit einem feinen Scheuerlappen (an ein Stäbchen gebunden) gehörig abzufegen. Doch muß man dabei die Ansiedelungen der einzelnen Bewohner möglichst schonen, und den etwa an die Wände angesetzten Laich ganz unberührt lassen, damit die Kolonisten nicht um ihre Vaterfreuden gebracht werden.

Bekommen die Felsen und Steine ein frühlingartiges Ansehen, darf man nicht an den Scheuerlappen denken, sondern muß ein Loblied auf den marinirten Lenz singen. Die kleinen Sprößchen der grünen Algen wuchern rasch über den Boden und die Felsen hin, und kleiden sie in den zartesten Sammetrock des Frühlings, aus welchen bald Millionen Sauerstoffdiamanten steigen, allen Thieren zur Gesundheit und Freude. Sobald dieser grüne Hauch ein wolliges, dauniges Ansehen bekommt, sind wir über den Berg und können sagen: unser Ocean auf dem Tische ist eine Wahrheit, eine lebensversicherte Thatsache. Sprossen und Zweige zacken und züngeln sich empor und erreichen ihre natürlichen Dimensionen. Alles, was man dann zu thun hat, beschränkt sich auf Zurückweisung zu großer Ausbreitung und Entfaltung, so daß man hier und da jäten, abbrechen und reduciren mag.

Ja, aber alle Bewohner des großen Oceans kann man doch nicht in dem kleinen ansiedeln, keine Walfische, Haifische, Seehunde u. s. w. Nein. Für verschiedene Zwecke muß man verschiedene Thierchen wählen und diese natürlich blos unter den Wundern, also mit Ausschluß von Oderkrebsen, Bleien und Plötzen. Für wissenschaftliche Zwecke sieht man weniger auf die unmittelbare Schönheit, für Privatdecorationen wird diese oben anzustellen sein. Hier giebt’s noch ein unendliches Feld der Wahl und Modifikation. Für Männer vom Fach erwähnen wir hier nur, daß sich für unsere Oceane auf dem Tische folgende kleine Meerwunder am Besten eignen und darin am Besten gedeihen: die verschiedenen Arten des Gasterosteus und einige Klippenfische; unter den Mollusken Aplysia, periwinkles, Chitonen, die Sandgräber der Bivalven, besonders Venus, Pullastra u. s. w., von Crustaceen Eurynome, Portunus puber, Carcinus Moenas, Ebalia Corystes, Pagurus, Porcellana platycheles, Crangones, Palaemones; von Anneliden: Pectinaria, Sabella, serpulae, Pontobdella muricata; von Zoophyten alle Actiniadae und viele Madreporae. Schwerer zu erhalten sind von den Fischen Cottus (Seescorpion), der fünfzehndornige Gasterosteus, Saug- und Pfeifenfische; von den Mollusken die nacktkiemigen, die Naticae, Cyprea, Purpura, Cynthiae und Ascidiae, von Crustaceen die Pisae, Portuni, kleine Hummern, Athanas nitescens, Hyppolytes, Pandalus, Gammarus, Idotia; von Anneliden Terebella, Aphrodite aculeata und die Planariae; von Echinodermen Cribella, Palmipes, Asterina, Asterias, Echinus und Cucumaria; schwerer zu erhalten, aber alle sehr interessant und doch auch erwiesener Maßen Monate lang in dem Weltmeergefängniß lebensfähig. Wegen der barbarischen Gelehrsamkeit hier bitte ich übrigens den Leser und ganz besonders die Leserin dringend um Entschuldigung. Uebrigens bin ich gar nicht so gelehrt, wie diese schrecklichen Namen vielleicht verrathen, sondern nur ein Laie in allen Oceanen.

Aber freuen sollt’ es mich, etwas zur Einbürgerung des Oceans auf dem Tische in Deutschland beitragen zu können, da wir doch nun einmal die deutsche Flotte verkauft haben und nicht auf dem großen Weltmeere umherstolziren können. Mit Genehmigung meines lieben Freundes Keil erlaube ich mir zunächst allen Interessenten vorzuschlagen, der Redaktion dieses Blattes anzuzeigen, daß sie kleine Meeresschätze für Marine-Aquarien wünschen. Daraus läßt sich dann ersehen, ob es sich der Mühe lohnt, Anstalt zur Einführung dieser Schätze zu treffen, und sich mit den noch spärlichen Bezugsquellen in England in Verbindung zu setzen. Im günstigen Falle werden dann Verbindungen angeknüpft, Kosten berechnet, Bürgschaften für sichere Einführung gewonnen und die Interessenten gebeten, die Beträge, die sie etwa dran wenden wollen, bei der Redaktion dieses Blattes zu deponiren. Wäre ich ein Geld machendes Genie, würde ich diesen Vorschlag nicht machen, denn er ist zum Vortheil der Interessenten, nicht zu meinem. Aber da ich einmal nicht durch große kaufmännische Gewinne reich werden kann, denke ich mir wenigstens als Handlanger für eine der schönsten wissenschaftlichen Neuerungen und Häuslichkeits-Dekorationen eine Viertelelle Unsterblichkeit zu erwerben.


Zur Beachtung!

Mit Nr. 39 schließt das 3. Quartal unserer Zeitschrift und beginnt mit Nr. 40 das 4. Quartal. Wir bitten die Bestellungen auf dieses 4. Quartal sofort nach Empfang der heutigen Nummer aufzugeben, damit die regelmäßige Zusendung nicht unterbrochen wird.

Mit Bezugnahme auf die in Nr. 36 mitgetheilte Calculation der Gartenlaube sehen wir uns heute zu der Mittheilung genöthigt, daß vom 1. Oktober ab der Quartalpreis von 121/2 Ngr.

auf 15 Ngr. oder 1 fl. Conv.-Mze.

erhöht wird. Diejenigen Abonnenten, welche die Gartenlaube semesterweise beziehen, haben mithin auf das 4. Quartal noch 21/2 Ngr. oder 15 Xr. Münze nachzuzahlen.

Die Gartenlaube erscheint ganz in derselben Weise fort wie bisher, nur dürfen wir – bei nunmehr vermehrten Kräften – unsern Lesern auch eine noch glänzendere illustrative Ausstattung und durchgängig gediegene Textbeiträge versprechen. Daß wir nie mehr versprechen, als wir halten können, glauben wir bewiesen zu haben.

Leipzig, den 20. September 1855.

Die Verlagshandlung. 
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 506. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_506.jpg&oldid=- (Version vom 10.7.2023)