Seite:Die Gartenlaube (1855) 530.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1855)

daß an der gedrückten und gereizten Stelle ein vermehrter Blutzufluß stattfindet, wodurch die Lederhaut zur reichlichen Bildung von Epidermiszellen und Hornplättchen veranlaßt wird. Dieses letzteren thürmen sich auf und scheinen hauptsächlich dadurch die Entstehung des Kernes des Hühnerauges zu vermitteln, daß sie sich im Innern oder im Umkreise eines Schweißkanales anlagern. Die weiße und dunklere Färbung des Kernes hängt wohl von der Art der Lagerung der Hornschüppchen und die dadurch bedingte Lichtbrechung ab, denn ganz feine Schichten des Kernes sind hornartig durchscheinend. Im Kern selbst finden sich zuweilen kleine Klümpchen eingetrockneten Blutes. Bei sehr tiefer Einsenkung der Hühneraugenwurzel in die Lederhaut kann durch heftigern Druck oder Stoß leicht Entzündung und Vereiterung der unter dem Hühnerauge liegenden Haut erzeugt werden.

Fig. 1. Zehe mit einem Hühnerauge; a) mittlerer Theil oder Kern desselben
Fig. 2. Eine längs durchschnittene Zehe mit einem Hünhnerauge in natürlicher Größe.
 a) Mittlerer Theil (Kern) des Leichdorns und b) Seitentheile desselben.
Fig. 3. Ein senkrecht durchschnittenes Hautstück mit einem Hühnerauge, unter dem sich ein
 kleines Säckchen (Schleimbeutel) befindet. a) Kern. b) Schleimbeutel.
Fig. 4. Eine 20malige Vergrößerung eines senkrecht durchschnittenen Hühnerauges.
 a) Kern aus schräg gelagerten Hornschüppchen. b) Seitentheile. c) Oberfläche
 der Lederhaut mit Hautwärzchen. d) Lederhaut. e) Vertiefung in
 der Lederhaut mit Wurzel des Hühnerauges.

Zur Heilung der Hühneraugen ist vor allen Dingen die Aufhebung des Druckes und der Reibung auf der Stelle, wo das Hühnerauge sitzt, nöthig. Deshalb bestelle man bei seinem Schuhmacher, wenn man denselben nicht ganz entlassen will, anders geformte und bequemere Leisten zu einbälligem Schuhwerke. Uebrigens kann man sich auch damit helfen, daß man mittels Schwamm, Leinewand oder Pflaster den Druck vom Hühnerauge abhält, oder daß man nach Entfernung desselben die ganze Zehe mit schmalen Heftpflasterstreifen ziemlich fest umwickelt. Zur Abhaltung des Druckes vom Hühnerauge bettet man dasselbe in eine Vertiefung oder Oeffnung, die man in Wund- oder Feuerschwamm, oder in mit Heftpflaster bestrichene und mehrfach über einander gelegte Leinewand- oder in bepflasterte Lederstückchen geschnitten hat. Gegen Hühneraugen auf der Fußsohle trage man Filzsohlen, die in einem Ausschnitte das Hühnerauge aufnehmen. – Zur Entfernung der Hühneraugen wendet man warme Fußbäder oder irgend ein Pflaster an, um die Hornmasse derselben zu erweichen, worauf sie mit einem stumpfen Instrumente oder dem Nagel herausgehoben werden. Das Ausschneiden der Hühneraugen mit einem scharfen Messer überlasse man nur geschickten Operateuren, da man selbst sehr leicht zu tief schneiden und dadurch ein böses, sogar gefährliches Fußleiden veranlassen kann. Denn bei der Hühneraugenoperation ist der glückliche Erfolg von der Ausschälung der tiefsten trichterförmigen Einsenkung des Kernes in die Lederhaut abhängig. Das Abfeilen der Hühneraugen ist nur von geringem und bald vorübergehendem Vortheil.

(Bock.) 




Besuch in einer englischen Kohlen- und Eisenstadt.

Wales im Allgemeinen. – Ansicht von Merthyr-Tydvil. – Was die Stadt producirt. – Schwarze Trostlosigkeit der Stadt und Umgegend. – Kein Baum, kein Gras. – Der Schmelzungsprozeß. – Der Werth des Bodens und der Werth der Menschen. – Die Rebekka-Tumulte in Wales.

Im Allgemeinen kennt man in Europa, einschließlich England, Wales nur als den Titel, welchen der Erstgeborne jedes englischen Staatsoberhauptes mit auf die Welt bringt, „Prinz von Wales.“ Und doch ist dieses im äußersten Westen von England zwischen großartige, reiche Felsennatur zusammengedrängte, gleichsam vorsündfluthliche Volk in seiner Natur, seiner Geschichte, Poesie, Kultur und gegenwärtigen Industrie mit seinen stammverwandten schottischen Hochländern und den Bretagnern in Frankreich eins der interessantesten für fast alle möglichen Ansprüche. Historiker, Alterthumsforscher, Poeten, Geologen, Landschafts- und Genremaler, Verehrer des Tragischen, Schrecklichen, Heroischen in der Geschichte, Sammler von Legenden und Sagen, Schieferdecker und Kinder, die auf Schiefertafeln rechnen lernen, Eisen-Verständige, Interessenten für die besten Steinkohlen der Erde oder den besten Flanell, Gewerbtreibende aller Art, Schifffahrt und Handel – Jeder findet hier reichen Stoff für seine besondere Sphäre. Die Engländer haben erst ganz neuerdings angefangen, Wales als diesen Schatz zu entdecken. Sie reisen zuweilen schon nach Wales statt auf den Continent. Und wie zwei Deutsche herüber geholt werden mußten, [1] um die Engländer zu lehren, wie man den ungeheuren Mineralreichthum von Wales bergmännisch behandeln müsse, sind es auch jetzt besonders zwei Germanen [2], welche es zuerst wissenschaftlich wagten, in den geheimnißvollen, tiefen, poesiereichen Sprachschatz dieser Ueberbleibsel der alten Briten hinabzusteigen. Wales ist das Land des Unterirdischen, Vorsündfluthlichen, des Eisens, der Kohlen und von Gebirgsformationen vor Erschaffung der Erde, des Romantischen und der Legende, geschichtlicher Monumente vorchristlicher Zeit, der alten Römer, der eingebornen Briten, das letzte Land der Barden, welche den Ruhm großer Helden sangen, wie einst die Homer’s bei den alten Griechen, bis sie wehklagend den tragischen Tod ihres letzten Heroen Llewellyn gedichtet und gespielt hatten. Dann sprangen die Saiten ihrer Harfen und sie wurden stumm vor dem Eroberer, der sie tief in die Bergwerke und hoch in die Schluchten von Schieferfelsen und in hoch aufflackernde, nie erkaltende Eisenöfen sandte, um Geld aus ihnen zu machen.




Durch das Paradies der Obst- und Viehzucht, immerwährend durch blühende Wiesenwellen und Obstgärten, durch die Windungen des duftigen Thales Stroud, wo uns von allen Seiten herrliche Landhäuser aus saftigem Grün entgegenlachen, jagt uns der Dampf zu schnell nach Gloucester (gesprochen: Gloster) mit seiner berühmten Kathedrale und den Klöstern, die ganz so geblieben sind, wie sie waren, als die Reformation die Mönche heraustrieb. Für zwei Schillinge Entree bekamen wir auch das furchtbare unterirdische Gewölbe der Kirche zu sehen, in welchem wenigstens zwanzig Fuder Schädel, Knochen und Rippen ehemaliger Menschen, die der Todtengräber im Kirchhofe ringsum ausgräbt, um den durch Rang und Vermögen sich so sorgfältig abscheidenden Engländer für neue brüderliche Verwesung Platz zu machen, ganz ohne Berücksichtigung ihrer ehemaligen Unterschiede aufgehäuft sind. – Von Gloucester


  1. Thomas Thurland und Daniel Hoffsteller unter Königin Elisabeth zu Ende des 16ten Jahrhunderts. Schon Heinrich VI. hatte im Jahre 1452 drei deutsche Bergleute zu demselben Zweck verschrieben.
  2. Dr. Siegfried in London, aus Dessau und Herr Zeus. Letzterer hat die erste vollständige Grammatik der celtischen Sprachen unlängst vollendet.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 530. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_530.jpg&oldid=- (Version vom 14.7.2023)