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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855)

erfreute sich die einfache und doppelte braunschweiger „Mumme“, von der’s noch jetzt im Liede heißt:

„Mumme smeckt noch mal sau fien
As Tokai und Moslerwien.“

Unter allen Sommer-, leichten oder hopfigen Gerstenbieren hatte das eimbecker Bier den Vorzug. Es war auch das Leibgetränk Doctor Luther’s, der gern einen guten Tropfen trank und vom wittenberger Hofe bisweilen mit einem solchen versorgt wurde. „Das dritte Korn dazu,“ sagt unser würdiger Doctor, „ist Weizen; darum es auch für andern Gerstenbieren ein Ausbund ist und in fremde Lande geführt und allerwegen lieb und werth gehalten wird.“ Nach demselben wurde in Hamburg das stattliche Haus über dem Weinkeller das eimbeckische Haus genannt. Aehnliche Biere lieferten Göttingen, Osterwick, Stollberg und Wernigerode. Neben der Gose wurde in Quedlinburg ein gutes rothes Bier gebraut, das von unserm Autor sehr gerühmt wird. Ebenso lieferten Halberstadt, Blankenburg und Gandersheim, Helmstädt, Mansfeld und Eisleben treffliche Gerstenbiere. In Leimbach gab es ein Bier, welches den seltsamen Namen: „O wie“ hatte. Die Städte und Städtchen im Dessauischen bleiben nicht zurück, ebensowenig Cassel, Marburg, Friedberg und Butzbach in Hessen.

Auffällig ist, daß der sorgsame Berichterstatter, dessen Angaben durchweg den Stempel eigener Erfahrung und gründlichen Studiums der Sache tragen, von den süddeutschen Bieren nichts zu melden weiß, die echt oder nachgeahmt jetzt allenthalben die Herrschaft erlangt haben. Möglich ist, daß seine Beobachtungen sich hier nicht weit genug erstreckten, möglich aber auch, daß es nichts zu beobachten gab, und daß man sich damals in Oesterreich, Baiern und Schwaben an den Wein hielt, den das Land selbst oder die Nachbarschaft erzeugte. Doctor Knaust meldet von Baiern, der großen modernen Bierquelle, nur, daß man in Würzburg angefangen habe, Bier zu brauen, da der Wein nicht gerathen wäre; die Brauer wären aber noch nicht recht in den Zug gekommen. Dagegen wurde ihm das bamberger Bier gelobt, welches man damals nach Frankfurt a. M., Mainz und selbst nach Nürnberg versendete.

Von Westfalen versichert der Doctor, daß es hier überall gute Biere gebe, namentlich in Minden, Hameln und Höxter. Im Kloster Corvei wurde ein vortreffliches Bier gebraut, auch hielt man hier auf große Vorräthe. Dort zeigte man auch eine Muhme des bunzlauer großen Topfes und des heidelberger Fasses, eine mächtige Biertonne, die auf dem einen Boden stand und mehr als zwanzig gewöhnlicher Mummenfässer in sich hielt. Sonst werden noch Paderborn, Münster und Soest genannt, wogegen von Cöln dasselbe gesagt wird, was von Würzburg bemerkt wurde.

Wieder nach Sachsen zurückgekehrt, spendet der Verfasser dem magdeburger Pfingstbier sein Lob, und erkennt hierauf das hallische, welches „Puff“ hieß, sowie das von Wittenberg und Zerbst an. In Thüringen brauten außer den Städten, wie Weimar, Jena, Gotha, Eisenach und Sangerhausen auch verschiedene Dörfer und Schlösser gute Biere; doch wurden auch viele gute Sorten von auswärts, namentlich aus Torgau und Eimbeck eingeführt. Das erfurter Bier hatte den Spottnamen „Schlunze,“ war indeß nicht zu verachten. Das naumburger Gebräu endlich war so köstlich, daß von ihm das Sprichwort ging:

„Naumburger Bier
Ist der thüringer Malvasier.“

Im Meißnerlande waren die Biere von Freiberg, Torgau und Leipzig (das in letzterm Orte hieß „Rastrum“) berühmt. Außerdem aber nennt der Verfasser noch die von Wurzen, Belgern, Zwickau, Schneeberg und Chemnitz als beachtenswerth.

Nach dem dreißigjährigen Kriege nahm die Biererzeugung einen neuen Aufschwung, wie wir unter Anderm aus den seitdem erscheinenden, zum Theil höchst wunderlichen Spitznamen der Biere sehen, von denen wir im Folgenden die merkwürdigsten in alphabetischer Reihenfolge zur Erbauung aller Cerevisiologen mittheilen wollen. Altenburg hatte zu Anfang des 18. Jahrhunderts seinen „Rumpuff,“ Berlin sein „Kupenbier,“ Braunschweig sein „Salvatoröl,“ Breslau seinen „Tollen Wrangel,“ Buxtehude sein „Ich weiß nicht wie,“ Colberg sein „Black,“ Dassel im Braunschweig’schen seinen „Hund,“ Danzig seinen „Preusing,“ Eckernförde seine „Kakabulle,“ Eisleben sein „Krabbel an die Wand,“ und seinen „Mord und Todtschlag,“ Erfurt sein „Ridgere,“ Frankfurt an der Oder seinen „Büffel“ und seinen „Stöffeling,“ Gardelegen sein „Garley.“ In Gießen trank man „Nauf,“ in Glückstadt „Ramenach,“ in Güstrow „Knisenack,“ in Helmstedt „Klappitt,“ in Jena „Klatsche“ und in der Umgegend „Dorfteufel“ (jetzt Rosenbier, Lichtenhainer und Wöllnitzer), in Kiel „Witte,“ in Königsberg „Kolliter,“ in Königslutter „Duckstein,“ im Lande Hadeln „Sahldenkerl,“ in Liefland „Lorche,“ in Lübeck „Irax,“ „Jucksterz“ und „Hartenack.“ Der marburger Student schwelgte in einem Biere, welches „Junker“ hieß. In Magdeburg erquickte der Kleinbürger sich an „Fischerling,“ in Merseburg an „Hetdehecker, Hodebänker und Kopreißer,“ in Mecklenburg an „Pipensteel“ und „Klune,“ in Möllen (wo beiläufig der brave Eulenspiegel begraben liegt) an „Lauke,“ in Münster an „Koite,“ in Nauen an „Zitzenille,“ von der es hieß:

„Wer Zitzenille trinken will,
Muß drei Tage liegen still.“

Sodann gab es in Nimwegen ein Bier, welches „Moll,“ in Osnabrück eines, das „Brusse“ oder „Buse“ hieß. Ferner braute man in Ratzeburg „Rummeldaus,“ in Riddagshausen im Braunschweigischen „Schüttelkopp,“ in Rostock „Oel,“ in Schöningen Wittenkiel,“ in Torgau „Todtenkopf zur Fechte,“ in Weißenfels „Hempel,“ in Wernigerode „Lumpenbier,“ in Wettin „Keuterling,“ in Wittenberg „Kuckuk,“ in Wolgast „Horsing,“ in Wollin „Bockhänger,“ in Zerbst „Würze,“ etc.

Sehr für unsere obige Ansicht, daß die Deutschen eine biertrinkende Nation seien, spricht die Bemerkung, daß der Wein, unbeschadet der Empfänglichkeit deutscher Zecher für seine Reize, kein gleich langes Register scherzhafter Namen aufweisen kann. Nur die schlechten Abarten, die Fahnenweine, die Reifbeißer, die Strumpf- und Dreimännerweine machen eine Ausnahme von dieser Regel, und nur hier und da erklingt ein Trinkspruch oder eine Zecherparole aus alter Zeit in die unsere herein wie folgende:

„Zu Bacharach am Rhein,
Zu Klingenberg am Main,
Zu Würzburg am Stein
Wachsen die besten Wein.“

Kommen wir indeß zurück zu unserm eigentlichen Gegenstande und zum Schlusse. Im Laufe des vorigen Jahrhunderts machten sich die warmen Getränke, und vor Allem der Kaffee, namentlich unter den Vornehmen immermehr geltend, und so geschah es, daß die Brauerei etwas zurückging, und daß das Bier von den Tafeln der Wohlhabenden verschwand. Zu Anfang des jetzigen Jahrhunderts aber und besonders nach Beendigung des Kriegs mit Napoleon fing man in Süddeutschland an die Biere auf eine eigenthümliche Art zu brauen. Die ersten Braustätten dieser Art waren Mannheim und Erlangen, welche beiden Orte sich bald einen ausgebreiteten Kundenkreis bildeten und ihr Gebräu weithin versendeten. Nürnberg und München folgten nach und verbesserten ihre Biere mehr und mehr. Allmälig ahmte man die neue Weise des Brauens auch anderwärts nach. Das baierische Bier kam in die Mode und drang immer weiter nach Norden vor, bis es sich, wenigstens in den Städten, die Alleinherrschaft errang, so daß nur noch hin und wieder einige altgläubige Gemüther an die Vorzüge jener hochberühmten Mummen, Gosen und Emibecke glauben, welche die Herzen unserer Väter und Großväter erfreuten und den seligen Heinrich Knaust, Doctor juris utriusque, zu so hohen Lobpreisungen veranlaßten.




Blätter und Blüthen.


Kriech- und Kletterpflanzen. Je künstlicher unser Leben wird, je mehr es sich von der Natur entfernt, desto eifriger sollten wir zu ihr zurückkehren und unter Anderem keine Straße, kein Haus, keine Mauer ohne Naturschmuck lassen[1]. Nichts sieht in meinen Augen barbarischer aus, als wenn gemiethete Leute das Gras, welches sich mühsam in einsamen Gegenden des städtischen Steinpflasters kärglichen Grund und Boden erobert hat,


  1. Wir wollen damit nicht die wirklich schönen Formen der Baukunst verpfuscht wissen. Diese bedürfen allerdings keines „Feigenblattes“, womit schlechte Architekten ihre Blößen decken, aber die Zahl der Bauten, die sich in ihrer Schönheit Selbstzweck sind, ist ziemlich gering.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 605. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_605.jpg&oldid=- (Version vom 27.7.2023)