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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855)

nach Ablauf eines Jahres einige Gläubiger sich einstellten, um die landesüblichen Zinsen zu zahlen, wurden sie unter allerlei Vorwänden zurückgewiesen. Sie ließen sich das gern gefallen und meldeten sich nicht wieder. Aber zwei Jahre später wurde ihnen plötzlich das Kapital gekündigt mit Hinzurechnung von zwölf Procenten jährlicher Zinsen! Und wer diese Summe nicht sofort zu zahlen vermochte, dessen Gut wurde ohne Weiteres versteigert oder in eine landesherrliche Besitzung verwandelt! Diese Finanzoperation soll dem Grafen über hunderttausend Gulden eingetragen haben, brachte aber auch Hunderte seiner Unterthanen an den Bettelstab.

Zu Landbesitz wußte Carl Magnus unter Anderem noch auf folgende Weise zu gelangen. Der Morgen Ackerland war damals in der Grafschaft Grehweiler wie fast überall, von sehr verschiedener Größe. Manche bestanden aus 120, andere aus 130, 140 und noch mehrern Quadratruthen. Der Graf ließ nun das Land vermessen, und setzte fest, daß jeder Morgen Landes künftig aus 130 Quadratruthen bestehen solle. Da es aber unbillig gewesen wäre, wenn man zugegeben hätte, daß ein Besitzer von hundert Morgen sich in Folge dieser Vermessung plötzlich in einen Besitzer von 120 Morgen verwandelte, so wurden diese überschüssigen Morgen für herrenloses Gut und folglich für Eigenthum des Grafen erklärt!

Weit mehr als den Grundbesitz liebte indessen Carl Magnus das baare Geld, und um davon immermehr herbeizuschaffen, wurde unter Anderm eine Feuerkasse eingerichtet, welcher alle Häuserbesitzer der Grafschaft beitreten mußten. Ihre Beiträge wurden auch regelmäßig eingetrieben, wenn aber ein Haus abgebrannt war, so hatte die Feuerkasse kein Geld!

Auch eine Lotterie wurde eingerichtet, und die Unterthanen durch alle möglichen Mittel genöthigt, deren Loose zu kaufen. Selbst die Geistlichen mußten ihren Gemeinden von der Kanzel herab empfehlen, fleißig landesherrliche Lotterieloose zu kaufen. Aber der Gewinne wurden nur sehr wenige ausgezahlt. Sogar ein Waisenhaus errichtete man in der Absicht, Geld zu machen. Um nämlich einen Fond für dieses Waisenhaus zu schaffen, wurden im ganzen Ländchen Collecten gesammelt, und später wurde der Waisenvater jährlich einige Male im Lande umhergeschickt, um Lebensmittel für die Waisenkinder zusammenzubringen. Auch hiervon bezog der Graf beträchtliche Antheile. Als die Beiträge spärlicher wurden, legte man „zum Besten des Waisenhauses“ eine Steuer auf die Rauchfänge.

Aber was man auch versuchte, die Unterthanen des Grafen konnten unmöglich so viel Geld aufbringen, als er zu haben wünschte. Daher mußten auswärtige Kapitalisten betrogen werden. Der Graf Solms zu Rödelheim bei Frankfurt a. M. war nicht nur sparsam, sondern äußerst geizig. Er hatte immer viel Geld übrig, und verlieh es auch gern, aber nur gegen genügende Sicherheit. Es wurde daher für ihn eine Hypothek auf einen Wald zwischen Bockenheim und Wonsheim verfertigt. Der Graf Solms schickte einen seiner Beamten ab, um den Wald zu besichtigen. Dieser fand da, wo der Wald stehen sollte, auch nicht eine Staude! Aber man machte ihm begreiflich, daß es sich in Diensten eines Herrn, wie Carl Magnus, weit vergnüglicher lebe, als in denen eines Filzes, wie Graf Solms. Und der Ehrenmann erklärte seinem Herrn, daß der fragliche Wald die vollkommenste Sicherheit biete! Carl Magnus erhielt die gewünschten 50,000 Gulden, und machte den getreuen Beamten zu seinem Rentmeister!

In ähnlicher Weise wurden auch mehrere reiche Leute in Mannheim betrogen. Einem von ihnen wurde ebenfalls eine Hypothek auf ein Gut eingehändigt, das gar nicht vorhanden war. Die Unterhändler eines regierenden Grafen fanden natürlich überall mehr Glauben, als die eines Privatmannes gefunden haben würden.

Carl Magnus aber verschmähte es auch nicht, gelegentlich in eigner hoher Person dergleichen Geschäfte zu betreiben. Unter Anderm besuchte er einst den reichen Kaufmann Leonhardi zu Frankfurt am Main, und bat ihn um einen Vorschuß von tausend Ducaten auf einen Wechsel. Er wollte den Abend zuvor unglücklich gespielt haben, und seine Schuld gern sogleich abtragen. Dem Kaufmanne gefiel der ansehnliche Abzug, den der Graf ihm gestatten wollte, und er zeigte sich bereit, auf das Geschäft einzugehen. Der Graf empfiehlt sich und giebt vor, er wolle nach Hause, um den Wechsel zu schreiben. Bald darauf erschien ein Diener und meldete, der Graf bedürfe des Geldes nicht mehr, da sein Mitspieler sich erboten habe, zu warten, bis der Graf die verspielte Summe ihm von Grehweiler aus schicken könne. Leonhardi bedauerte den Verlust des Abzuges; aber er wurde bald getröstet, denn der Diener erschien wieder und meldete, jener Mitspieler habe so eben selbst eine große Summe Geldes verloren, und wünsche daher jene Schuld vom Grafen nun doch so bald als möglich in Empfang zu nehmen; dieser sei also genöthigt, den Herrn Leonhardi von Neuem um die besprochene Summe zu bitten, und habe ihm den Wechsel, den er deswegen ausgestellt habe, sogleich mitzugeben. Zugleich lasse er dem Herrn Leonhardi sagen, daß es bei dem bewilligten Abzuge verbleibe; er möge aber das Geld sobald als möglich schicken. Leonhardi nimmt den Wechsel und zahlt die tausend Ducaten. Als aber der Wechsel verfallen war und Leonhardi sein Geld wieder erhalten wollte, versicherte der Graf, er wisse gar nichts von einer solchen Schuld, er habe Leonhardi nie einen Wechsel ausgestellt; der präsentirte sei falsch. Und jener Diener konnte auch nicht zur Rechenschaft gezogen werden, denn er war angeblich entlaufen. – Leonhardi mußte noch froh sein, als der Graf ihm aus besonderer Gnade einen einfachen Schuldschein über tausend Ducaten ausstellte, der freilich nur eine sehr entfernte Aussicht auf dereinstige Zurückzahlung der in Rede stehenden Summe darbot.

Ein solches Verfahren vernichtete aber freilich den Kredit des Grafen bald ganz und gar, und doch bedurfte er des Geldes immer mehr und mehr. Und siehe, seine Rathgeber eröffneten ihm eine neue, höchst ergiebige Hülfsquelle. Sie riethen ihm, im Namen der Gemeinden seines Landes Geld zu leihen. Das wurde also betrieben. Zuerst wurde eine Hypothek aufgesetzt, in welcher eine Gemeinde ihr gesammtes Vermögen gegen eine Summe von dreißig- oder vierzigtausend Thalern verpfändete. Dann wurde die Gemeinde, der man eben diese Ehre zugedacht hatte, zusammen berufen, mit starkem Weine und landesväterlicher Huld reichlich bewirthet, und wenn die Köpfe hinlänglich erhitzt waren, so wurde den Versammelten mitgetheilt, ihr allergnädigster Landesvater wünsche eine kleine Summe von etwa zwei- oder dreitausend Thalern aufzunehmen, und sie möchten doch gefälligst den darüber ausgestellten Schuldschein unterschreiben. Zeigte man sich hierzu willig, so wurde die auf einen zehnfach höheren Betrag ausgestellte Hypothek untergeschoben, und in mehr als einem Falle auch wirklich unterschrieben. Wo eigentliches Gemeindegut zu verpfänden war, da machte das Geschäft sich noch leichter, denn alsdann hatte man nur nöthig, Schulzen und Gerichte zu gewinnen. Verweigerte aber Jemand seine Unterschrift, so wurde er auf jede mögliche Weise verfolgt und beeinträchtigt. Auf diese Weise wurden ebenfalls drei- bis viermalhunderttausend Gulden aufgetrieben. Da indessen die Gemeinden später nachwiesen, auf welche Weise jene Hypotheken entstanden waren, so entschied das Kammergericht zu Wetzlar, daß die dabei betheiligten Gläubiger sich nicht an die Gemeinden, sondern nur an den Grafen zu halten hätten, und sie waren nun also die Betrogenen.

Und dieses Treiben währte volle dreißig Jahre! Erst unterm 21. Juli 1775 erging ein kaiserliches Edict des Inhalts, daß der Rheingraf, „wegen seiner groben Verbrechen die höchste Strafe zwar verdient habe, daß aber der Kaiser in Rücksicht seines alten und ehrwürdigen Hauses die Strafe dahin mildern wolle, daß derselbe wegen eingestandener schändlicher Betrügereien, unverantwortlichen Mißbrauchs der landesherrlichen Gewalt, und vielfältig begangener, befohlener und zugelassener Fälschungen zehn Jahre lang auf einer im römischen Reiche gelegenen Festung in peinlichen Haften zu halten sei.“

Schon vorher war eine kaiserliche Commission nach Grehweiler abgesandt worden, um das Schuldenwesen des Grafen zu ordnen; sie zahlte aber dessen Gläubigern in zwölf Jahren nicht einen Heller! Diese waren daher sehr froh, als ein Schwiegersohn des Grafen sich erbot, die Regierung seines Landes zu übernehmen und seine Schulden allmälig zu tilgen.




Die Hundestädte. In den „Geographischen Mittheilungen“ von Dr. A. Petermann[WS 1] in Gotha finden wir einen sehr lesenswerthen Aufsatz über die merkwürdige Vergesellschaftung der „Prairie- oder Steppenhunde.“ Als Gewährsmann dafür wird Bartlett bezeichnet, der diese Hunde und ihre Kolonien in Texas, Neumexico, Chihuahua, Sonora und Californien beobachtet hat. Der Prairiehund dieser Länder ähnelt mehr dem grauen Eichhörnchen oder dem virginischen Murmelthier als dem gewöhnlichen Hunde, ist etwa zwölf Zoll lang und hellbraun von Farbe. Bartlett sagt von ihm: „Die erste Colonie dieser kleinen Geschöpfe, die wir antrafen, war in Texas, nahe bei Bradys Creek, einem Arme des östlichen Colorado. Dies war die größte, die wir je sahen, und von einer so ausgedehnten, habe ich nie gehört. Drei Tage reis’ten wir durch diese Colonie, während welcher Zeit wir sie nicht aus dem Gesicht verloren. Ihre Wohnungen dehnten sich auf beiden Seiten, so weit unser Auge reichte, aus und ragten in kühnem Relief aus den Hügelchen hervor, die sie mit der aus ihren unterirdischen Höhlen heraufgebrachten Erde aufgeworfen hatten. Einzeln genommen ist die Ausdehnung ihrer Wohnungen gewöhnlich ungefähr zehn Yards, und die Hügel enthalten jeder zwischen einer und zwei Karrenladungen Erde. Manchmal haben sie einen, dann wieder zwei Eingänge, die sich in einem Winkel von ungefähr 45 Grad senken. Bis zu welcher Tiefe sie sich erstrecken, habe ich nie in Erfahrung bringen können, und weiß nur, daß die häufigen Versuche, die Thiere durch große Mengen Wassers, das man in ihre Höhlen gießt, an die Oberfläche zu treiben, selten Erfolg gehabt haben. Ein gut gebahnter Weg erstreckt sich von dem einen dieser Hügel zu dem andern und zeigt, daß zwischen ihren Bewohnern eine nahe Freundlichkeit oder vielleicht eine Familienverbindung besteht. Wir nehmen an, daß diese Colonie oder „Hundestadt,“ wie man sie nennt, eine Längenausdehnung von wenigstens 60 Miles hatte, da wir zu jener Zeit 20 Miles den Tag zurücklegten. Was ihre Breite betrifft, so konnten wir über diese kein bestimmtes Urtheil gewinnen; aber angenommen, daß sie nur die Hälfte der Länge gehabt habe, so kann man sich eine Vorstellung von der ungeheuern Anzahl der Thiere machen, die diese sogenannte Stadt enthält.“ Dr. Petermann bemerkt dazu: „Wenn wir annehmen, daß dieser Staat sich 50 Miles in einer und nur 10 Miles in der andern Richtung sich erstreckt, so haben wir eine Fläche von 500 Quadradmiles, und wenn wir für jede Höhle 30 Fuß oder 900 Quadratmiles annehmen, – eine starke Annahme – so würde das ungefähr 30,000 Wohnungen auf die Quadratmile oder 15 Millionen auf die 500 Miles geben. Wenn wir ferner jede dieser Wohnungen nur auf zwei dieser kleinen Geschöpfe anschlagen – die kleinste Zahl, die man überhaupt anschlagen kann – so haben wir eine Totalsumme von 30 Millionen Einwohnern in dieser einen Colonie. Ich bin aber der Meinung, daß man ganz sicher ginge, wenn man vielleicht vier Thiere auf jeden Hügel rechnete.“


Zur Beachtung!

Vielfachen Nachfragen zu begegnen, benachrichtigen wir die neu hinzugetretenen Abonnenten des 4. Quartals der Gartenlaube, daß mit Ende dieses Jahres der vormalige Vierteljahrspreis von 121/2 Ngr. für die ersten drei Quartale erlischt und der jetzige von 15 Ngr. eintritt. Bestellungen auf die frühern Quartale können deshalb nur bis Ende December mit 121/2 Ngr. effektuirt werden.

Die Verlagshandlung. 

Anmerkungen (Wikisource)

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 618. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_618.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2023)