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verschiedene: Die Gartenlaube (1856)

Zustande einen sehr angenehmen Geschmack, ist lecker und feucht, wird aber schon nach wenigen Tagenhart, trocken und fast geschmacklos; dennoch besticht sein schönes Aussehen so, daß es in vielen Ländern, besonders in England, Frankreich, Griechenland, zum Theil auch im südlichen Deutschland und der Schweiz, doch hier meist nur in den Städten, fast ausschließlich genossen wird. In der Schweiz wird sehr viel Weißbrot aus den sogenannten Dinkelkernen oder dem Spelz (Triticium Spelta) gebacken. Das Brot des ächten Weizens ist zwar schmackhafter, erfordert aber mehr Arbeit; während der Teig aus Dinkelmehl besser aufgeht und ein schöner aussehendes Brot giebt. – Aus dem Roggenmehle erhält man das dunkler aussehende sogenannte Schwarzbrot. Dieses besitzt aber, wenn es gut gebacken ist, einen angenehmeren, kräftigeren Geschmack, verbreitet ein anziehendes Brotaroma, ist locker und bleibt viel länger feucht und wohlschmeckend als das Weizenbrot. Es ist daher fast in ganz Deutschland und der Schweiz das Brot des Landmanns, der weniger häufig bäckt; im nördlichen Deutschland wird sogar fast nur Schwarzbrot genossen, und die Menschen, die von Jugend auf an den Genuß dieses Brotes gewöhnt sind, finden das Weißbrot fade schmeckend, und können sich nur schwer daran gewöhnen. Ueber Geschmacksempfindungen läßt sich nicht streiten.

Das Getreidemehl schmeckt bekanntlich im rohen Zustande weder angenehm, noch ist es leicht verdaulich; denn es ballt sich im Magen zu schweren Klumpen zusammen. Es muß daher erst auf irgend eine Weise zubereitet werden, damit es dem Gaumen behaglicher, dem Magen verdaulicher werde. Seine wichtigste und schon seit Jahrtausenden übliche Zubereitung ist nun unzweifelhaft: seine Verwandlung in Brot, die

Brotbäckerei.

Von diesem Gewerbe hängt das Wohl oder Wehe unzähligen Menschen fast ganz oder doch in hohem Grade ab. Man sollte daher glauben, daß ihm von allen Seiten die größte Beachtung zu Theil werde; denn wer wird nicht lieber ein reinlich bereitetes, wohlschmeckendes, leicht verdauliches und nahrhaftes Brot essen, anstatt eines solchen, welches gerade die entgegengesetzten Eigenschaften besitzt? Und doch befinden wir uns hier im Irrthum; denn kein einziges Gewerbe ist von den Fortschritten der Wissenschaft und Technik so unberührt geblieben, hat uralte Gebräuche so unverändert beibehalten, wie die Brotbäckerei. Selbst in den Städten, wo das Volk, empört über das schlechte und theuere Brot, die Bäcker plünderte und ihre Häuser zerstörte, blieb dennoch Alles beim Alten. Nur an wenigen Orten in Deutschland sind bis jetzt ernstliche Anstalten getroffen worden, um endlich zeitgemäße Verbesserungen in der Brotbäckerei einzuführen. Solche rühmlichst anzuerkennende Bestrebungen stehen aber leider nur sehr vereinzelt da; haben allerdings oft nicht einmal die genügende Beachtung des Publikums gefunden, sondern sind im Gegentheile von diesem mit einem gewissen Mißtrauen betrachtet worden, Es ist kaum glaublich, daß die meisten Backöfen der heutigen Zeit ganz genau so gebaut sind, wie die, welche man schon vor circa 2000 Jahren benutzte, und welche man z. B. beim Ausgraben von Pompeji gefunden hat, der berühmten Stadt, die im Jahre 79 nach Christi Geburt von einem Aschenregen des Vesuvs bedeckt wurde. Seit jener Zeit sind die Lebensverhältnisse ganz andere geworden. Getreide, Brennstoffe, Arbeitskräfte, sind sämmtlich im Werthe gestiegen. Damals wurde eine Vergeudung an Material oder Arbeitskräften, Zeit etc. nicht bemerkt, jetzt wird dieselbe zur drückenden Last. Damals wußte man das Brot nicht anders herzustellen, jetzt geben uns Wissenschaft und Technik zweckmäßigere Methoden und Einrichtungen an die Hand, um das unentbehrlichste Nahrungsmittel billiger und besser zu bereiten. Allein die Menschen verlassen sehr häufig ihre alt herkömmlichen Gebräuche nicht eher, als bis sie durch Roth und Elend dazu gezwungen werden. So weit scheint es auch hier kommen zu müssen. Viele Menschen sind schon jetzt gezwungen, dem Brotgenusse ganz oder theilweise zu entsagen, weil sie nicht im Stande sind, sich Brot zu kaufen, Es ist daher an der Zeit, das Gewerbe der Brotbäckerei aus seinem Schlendrian aufzurütteln und in demselben mögliche Veränderungen und Verbesserungen der allgemeinsten Berücksichtigung dringend zu empfehlen. Der Preis des Getreides selbst ist allerdings ein sehr hoher und bedingt theilweise den hohen Brotpreis; doch könnte trotzdem ein billigeres und ein besseres Brot hergestellt werden. Die hierbei einzuschlagenden Wege sind zweierlei; sie betreffen theils eine bessere technische Einrichtung der Bäckereien oder die Errichtung von Gemeindebäckereien, theils eine zweckmäßigere chemische Beratbeitung des Mehles zu Brot. Beide Wege mögen hier kurz in Erwägung gezogen werden.

(Schluß folgt.)


Erzerum,

das jetzige Hauptquartier der türkischen Armee in Kleinasien, die Hauptstadt Armeniens, einst eines blühenden Reiches, jetzt einer Ruine, wie die alte Hauptstadt selbst, Erzerum, erhebt sich, von Außen gesehen, in malerischer Schönheit aus einer Ebene an den Ufern des Kara, eines westlichen Zweiges vom Euphrat, etwa 20 geographische Meilen südöstlich von Trebisond, der nächsten Hafenstadt. Kars ist von Erzerum etwa 17 deutsche Meilen in nordöstlicher Richtung entlegen. Die große malerische Ebene Erzerums, allseitig von Bergen und Naturmalerei umgeben, erstreckt sich sechs deutsche Meilen lang bei einer Durchschnittsbreite von drei bis fünf Meilen. Man sagt, es würde der nächste Angriffspunkt der Russen werden, so daß man ein besonderes Interesse fühlen mag, sich die Stadt näher anzusehen.

Die Straßen sind, wie fast alle im muhamedanischen Osten, enge, schmutzig und zu Allem fähig, nur nicht zum Passiren mit gewichsten Stiefeln. Im Winter werden sie zu Sammelplätzen von Schnee, Eis und Kehricht, so daß man von diesen Eis- und Schneebergen in die versteckten und manchmal ganz verschneiten Wohnungen hinuntersteigen, auch zuweilen stürzen und so mit der Thür in’s Haus fallen muß. Im Frühlinge läuft die Sündfluth durch die Straßen, im Sommer eine Sahara des Staubes nach der andern, im Herbst Sündfluth und Staubfluth abwechselnd, dazwischen auch Menschen, aber verhältnißmäßig wenige gegen die eigentliche Hauptbevölkerung, welche aus großen, zottigen, grausamen, unersättlich gefräßigen, freien und gleichen brüderlichen Hunden besteht, den Straßenfegern und Abdeckern des ganzen Ostens, der ohne diese Wohlthäter längst schon früher verfault wäre.

Der Engländer Charles Duncan, der den türkischen Feldzug in Kleinasien mitmacht, giebt folgende Schilderung von Erzerum (Januar 1855):

„Es war ein schöner Tag, der fast alle Bevölkerung auf die Straßen rief, obgleich dieselben mit Schnee- und Schmutzgebirgen erfüllt waren. Hier der finstere, feine Kurde mit dem ewigen Ziegenfell malerisch um die Schultern geworfen, im Geschäftstone mit dem spärlich bedeckten, dünnen, zitternden Araber über die Aussichten auf Plünderung in diesem Kriege debattirend; dort persische Kaufleute mit gefärbten Bärten, spitzigen Lammfellkappen und spitzigen Zungen über die Profite bei diesen Kriegspreisen schnatternd, Räuber von Lasistan, persische Handelsleute bewachend und Pläne schmiedend, wie sie dieselben auf dem Wege nach Trebisond überfallen könnten, sieche, wankende Soldaten aus dem Hospitale, um zwischen Thier-Kadavern und Küchenabfällen, um welche sich Hunde bissen, etwas frische Luft zu schnappen.“

Er schließt seine Skizze mit der Versicherung, daß Erzerum der schmutzigste Ort der ganzen Türkei sei, verbessert sich aber später mit der Erklärung, daß dieser Preis der Festung Kars gebühre, Erzerum, früher einmal mit 200,000, jetzt kaum mit 50,000 Einwohnern, fristet im Ganzen nur noch eine kärgliche Existenz von einem schläfrigen Transitohandel zwischen Trebisond und dem Innern Kleinasiens. Früher blühte es durch die Spedition zwischen Persien und Konstantinopel. Von der ehemaligen Herrlichkeit der Stadt trauern nur noch einige spärliche Ruinen in den jetzigen Verfall empor.

Das ist ein kleines Bild des Ortes, wo jetzt Selim Pascha

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verschiedene: Die Gartenlaube (1856). Ernst Keil, Leipzig 1856, Seite 54. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1856)_054.jpg&oldid=- (Version vom 6.2.2020)