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verschiedene: Die Gartenlaube (1856)

von Holz „im Backraum“ erst wieder ausgewärmt werden müssen. Auch können die Oefen von neuer Construction mit jedem beliebigen Brennmaterial, also auch mit Steinkohlen oder Braunkohlen geheizt werden. Solche Oefen lassen sich aber mit Vortheil nur für große Bäckereien einrichten; weil sie nur dann den Vortheil der Ersparniß geben, wenn sie anhaltend gebraucht werden. Die Errichtung von Gemeindebäckereien mit solchen Backöfen verdient daher eine allgemeine Beachtung.

Auch die zur Bäckerei nöthigen Arbeitskräfte suchte man zu sparen und wenigstens theilweise durch Maschinen zu ersetzen. Die mühsamste und schwierigste Arbeit für den Bäcker ist das Kneten des Teiges. Um hierbei die menschlichen Hände zu ersetzen, hat man verschiedene sogenannte Knetmaschinen construirt, von welchen die von Clayton die sinnreichste ist. Dieselbe besteht aus einer walzenförmigen, hohlen, eisernen Trommel und einem innern, aus gußeisernen, sich kreuzenden Messerklingen gebildetem Gitterwerk. Die äußere Trommel und das darin befindliche Gitterwerk sind - jedes für sich - drehbar, können auch gegeneinander gedreht werden. Hierdurch wird das in die Trommel gebrachte Mehl mit dem zugegossenen Wasser in kurzer Zeit in einen völlig gleichmäßigen Teig verwandelt. Die Anwendung von Knetmaschinen empfiehlt sich besonders wegen ihrer Reinlichkeit; denn nicht jede Bäckerstube sieht so rein aus, wie es sein sollte. Sieht man aber vollends den Bäckergesellen, dem das Kneten des Teiges anvertraut ist, am frühen Morgen sein mühsames Tagewerk beginnen und vollenden, so könnte man mitunter den Appetit nach Brot für längere Zeit vollkommen verlieren. Mit triefenden Augen, laufender Nase, ungewaschenen Armen stellt sich mancher Geselle vor den Backtrog. Er knetet den Teig mit seinen gewaltigen Fäusten, hebt ihn in die Höhe und wirft ihn wieder in den Trog zurück, um ihn gut zu verwirken. Bei dieser unnatürlichen Anstrengung rieselt ihm der Schweiß vom halb bloßen Körper herunter, und viele der salzigen Tropfen helfen mit zur Befeuchtung des Teiges. Das Nähere über diese jedenfalls unappetitliche, doch vor der Hand kaum zu umgehende Manipulation mögen sich die Leser selbst ausdenken. Eine Knetmaschine würde die menschlichen Hände entbehrlich machen; nur ist allerdings das Kneten des Teiges keine ganz mechanische Arbeit, indem die Bereitung eines guten Teiges von dem richtigen, allmäligen Zusatz von Wasser und manchen kleinen Handgriffen abhängt, die eine Maschine nicht zu verrichten vermag. Zur Zeit ist jedenfalls das Empfehlenswertheste, sich seinen Bedarf an Brot selbst so weit vorzubereiten, daß er nur vom Bäcker gebacken zu werden braucht. Man weiß dann eher zu beurtheilen, was für Brot man genießt, und bei kleineren Mengen von Brot ist das Kneten keine so mühsame Arbeit, kann im Hause überwacht und mit der größten Reinlichkeit vorgenommen werden.

Ebenso wünschenswerth, wie eine bessere technische Einrichtung der Bäckereien, ist ferner eine zweckimäßigere chemische Verarbeitung des Mehles zu Brot. Die Bedingungen, nach welchen aus einem guten Mehle ein in jeder Beziehung gutes Brot gewonnen werden kann, sind noch keiner genügenden Beachtung gewürdigt worden, und doch sind sie ganz einfach und für Jedermann verständlich.

Wenn man das Mehl nur mit Wasser zu Teig knetet und den Teig sogleich in den Backofen schiebt, so erhält man kein richtiges Brot, sonderu anstatt diesem einen festen, feuchten, schwer verdaulichen Klumpen. Das Brot ist durch seine lockere, schwammige Beschaffenheit, seine Porosität ganz besonders ausgezeichnet, und diese giebt man ihm dadurch, daß man den Teig vor dem Backen - wie man sich ausdrückt - „zum Gehen“ bringt. Das Aufgehen des Teiges wird durch verschiedene Mittel bewirkt. Gewöhnlich versetzt man den Teig mit Substanzen. welche in demselben eine sogenannte „Gährung“ hervorbringen, das heißt, welche so auf die im Teige mit Wasser befeuchteten Bestandtheile des Mehles einwirken, daß diese sich theilweise verändern und zersetzen. Namentlich wird das im Mehle enthaltene Stärkemehl bei der Gährung größtentheils in Gummi und Zucker verwandelt, und der gebildete Zucker weiter zu Weingeist und luftförmiger Kohlensäure (der Luft der schäumenden Getränke) zersetzt. Die hierbei in der ganzen Teigmasse entstehende Kohlensäureluft vermag aber einen guten zähen Teig nicht zu durchbrechen, sondern sie treibt nur die Theilchen desselben auseinander, bildet unendlich viele kleine Höhlungen und bleibt in diesen sitzen. Dadurch wird natürlich der Teig aufgebläht, „er geht auf.“ Ist der Teig zu dünn oder (bei schlechtem, verdorbenem Mehle) nicht zäh genug, so wird er von der sich entwickelnden Kohlensäure durchbrochen, geht nur für wenige Minuten auf und sinkt dann schnell wieder zusammen. Damit durch die Gährung der Zweck der Auflockerung erreicht werde, muß daher der Teig einen bedeutenden Grad von Zähigkeit besitzen, sonst erhält man ein zu festes schliffiges Brot.

Die Gährung des Brotteiges erfolgt schon freiwillig oder wird durch verschiedene anregend wirkende Stoffe, sogenannte „Fermente“ eingeleitet. Freiwillig erfolgt sie, wenn man den Brotteig einen oder mehrere Tage in der Wärme liegen läßt (auf diese Weise wird in Griechenland das dort gebräuchliche Weizen- und Gerstenbrot gebacken). Künstlich wird sie vorzüglich durch Hefe oder Sauerteig (das ist alter, in Gährung begriffener Teig) hervorgerufen, indem man des Abends ungefähr den dritten Theil des zu backenden Mehles mit Wasser und etwas von dem Fermente zu einem dünnen Brei anrührt, am frühen Morgen das übrige Mehl nebst dem noch übrigen Wasser entweder allmälig oder auf einmal dazu knetet, wieder (gewöhnlich zwei Stunden) stehen läßt und hierauf bäckt. In den meisten Ländern bewirkt man die künstliche Gährung und verwendet als Ferment für kleineres feineres Backwerk die Hefe (Bierhefe), für das eigentliche Brot den Sauerteig, welcher stets aus demselben Mehle wie das Brot bereitet wird. In der Schweiz benutzt man, besonders auf dem Lande, als Ferment das sogenannte Bäckerzeug oder Haab, das ist ein Hopfenabsud, in welchen Teig eingerührt wird. Es besitzt vor der Hefe und dem Sauerteig den Vorzug, daß es an einem kühlen Orte aufbewahrt, ziemlich lange (drei bis vier Wochen) gut bleibt, eignet sich daher ganz besonders zur Privatbäckerei, wo nur von Zeit zu Zeit gebacken wird.

Von der richtigen Leitung der Brotteiggährung hängen Beschaffenheit, Güte und Nahrungswerth des Brotes in hohem Grade ab. Aus ein und demselben Mehle läßt sich Brot von den verschiedensten Eigenschaften darstellen, je nachdem man die Gährung des Teiges vollständiger oder unvollständiger, schneller oder langsamer verlaufen läßt. Ein Teig, der zu wenig gegohren hat, giebt festes, klumpichtes, schwer verdauliches Brot, während ein zu lange in Gährung versetzter Teig zu Brot bäckt, was zwar sehr schön porös und schwammig erscheint, aber zäh und geschmacklos ist, rasch austrocknet (altbacken wird) und nur geringen Nahrungswerth hat. „Gutes Brot“ muß gleichmäßig feinporig sein, ein angenehmes Aroma besitzem, seine Feuchtigkeit und seinen Wohlgeschmack mehrere Wochen fast unverändert bewahren, leicht verdaulich und nahrhaft sein. Man irrt sich sehr, wenn man den Werth und die Güte eines Brotes nur nach seiner Porosität beurtheilen will; denn oftmals ist schön poriges Brot ganz sauer und schlecht.

Durch Hefe läßt sich die Gährung des Teiges weit besser leiten als durch den Sauerteig, da bei letzterem leicht ein Gährungsstadium eintritt, wobei sich die Bestandtheile des Mehles zu sehr verändern und sauer werden, was niemals stattfinden darf; dennoch giebt man dem Sauerteig beim Brotbacken wegen größerer Billigkeit den Vorzug vor der Hefe, benutzt ihn fast überall zu Weißbrot und Schwarzbrot. Die nachstehenden Bemerkungen beziehen sich daher nur auf das Backen mit Sauerteig.

Man kann sich leicht eine richtige Vorstellung von dem großen Einflusse der Teiggährung auf die Güte des Brotes machen, wenn man bedenkt, daß durch den Gährungsproceß, der in dem Teige mit Hülfe von Sauerteig eingeleitet wird, ein Hauptbestandtheil des Mehles, das Stärkemehl zunächst größtentheils verändert, in Gummi und Zucker übergeführt, und daß bei weiter fortschreitender Gährung der gebildete Zucker zu Kohlensäure und Weingeist zersetzt wird. Kohlensäure und Weingeist bedingen das Gehen des Teiges, entweichen beim Backen oder werden in den entstandenen Poren des Brotes zurückbehalten, sind jedoch in Bezug auf den Nahrungswerth eines Brotes ganz ohne Bedeutung. Um also ein poröses Brot zu gewinnen, opfern wir einen großen Theil des mit zur Ernährung dienenden Stärkemehls. Die Gährung (vielleicht wird sich später einmal Gelegenheit bieten, den Gährungsproceß genauer zu charakterisiren) ist eine Art von Verbrennungsproceß; sie verzehrt einen Theil der wesentlichsten Mehlbestandtheile, so daß diese für uns verloren gehen; sie muß daher in ihrer Wirkung sorgfältig geleitet und gezügelt werden, damit der Verlust an nährenden Stoffen nicht zu groß wird und damit sich keine Säuren bilden. Die Annahme, daß ein mittelst Sauerteig gebackenes Brot stets sauer schmecken müsse, ist ganz unrichtig.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1856). Ernst Keil, Leipzig 1856, Seite 64. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1856)_064.jpg&oldid=- (Version vom 9.4.2017)