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verschiedene: Die Gartenlaube (1856)

daß das, was ich für Gebüsch gehalten hatte, aus einer Gruppe von Thieren bestand, die sich dahin gerettet hatten, ein paar Hirsche, Rehe und ein Thier, das stärker war als sie; ein Opelrusa-Ochse oder ein Pferd. Richtig, es war ein Pferd, meine alte Mähre, die so klug gewesen war, wie ihr Herr.

Als der Panther an’s Land stieg, hörte ich ein Stampfen der Hufe, die Thiere flogen bei seinem Anblick wild aus einander, als wäre der leibhaftige Old Nick (der Teufel) unter sie gefahren, keins dachte aber daran, sich wieder in’s Wasser zu stürzen. Als ich mich aus dem Wasser aufrichtete, hörte ich ein lustiges Wiehern. Meine alte Mähre hatte mich sogleich gewittert und kam zu mir und rieb ihre Nase an meiner Schulter. Diese Erscheinung war mir gar nicht unangenehm, ich sprang sogleich auf ihren Rücken, da ich dort offenbar eine bessere Position zum Abwarten der Nacht hatte. Als ich mich von da umsah und orientirte, kam es mir vor, als sei ich in der Arche Noah. Da war mein alter Freund, der Panther, vier Hirsche, ein Rehbock und drei Rücken; dann kamen ein Catamount und ein schwarzer Bär so dick, wie ein Büffel; ein paar graue Wölfe, ein Racun und ein Opossum, ein Prairiehase, und hol’s der Teufel, ein Stinkthier, Das letztere war das unangenehmste von allen, denn es verpestete die ganze Insel.

Sie alle waren aber so klamm und angsterfüllt, daß keines wagte, das andere anzugreifen, und sie lebten so harmlos neben einander, wie uns die Bibel erzählt, daß die Thiere im Paradiese sich befanden, wo der Löwe so zahm war, wie das Lamm.

Das konnte sich indessen ändern, und es war mir doch lieb, als die Fluth fiel, daß es mir möglich war, von der Gesellschaft Abschied zu nehmen, ehe diese zu Kräften gekommen war, denn ich konnte mir mit meiner Mähre natürlich am ersten einen Ausweg nah der Prairie suchen. Mein Nachbar war etwa noch drei Meilen entfernt, und in einer Stunde war ich vor seiner Thür. Er wollte mir kaum glauben, als ich ihm mein nächtliches Abenteuer erzählte; und griff, als ich ihm dessen Wahrheit versicherte, sogleich zur Büchse und gab mir ein zweites Gewehr, um Jagd auf die Thiere zu machen, die ich verlassen hatte.

Wir fanden sie nicht mehr ganz in dem vorigen Zustande. Der Morgen hatte dem Panther, der Katze und den Wölfen Muth gegeben. Von dem Hasen und dem Opossum war nur noch etwas Wolle übrig, und eine von den Rücken war halb verschlungen.

Mein Freund nahm die eine, ich die andere Seite der Insel. Zuerst streckte ich den Panther nieder, während er den Bären erlegte. Dann legten wir auf die Wölfe an, dann auf das Cuny, darauf folgten die Hirsche; sie und die Bären waren die einzig werthvolle Beute. Das Stinkthier schossen wir zuletzt, weil wir uns nicht vollends von dem Platz wollten fortstänkern lassen, während wir dem Bären das Fell abzogen. Dann bestiegen wir mit dem Wild und dem Bärenfell unsere Pferde. Ich fand auch meine Büchse wieder; als die Fluth verschwunden war, lag sie mitten in der Prairie halb im Schlammme begraben.

Die Erfahrung hatte mich natürlich klug gemacht; und ich baute mein Blockhaus weiter ab vom Strome. Zum Frühjahr hatte ich es fertig, und ich hatte die Freude, mein Weib und meine beiden Jungen, die ich im Staate Mississippi zurückgelassen hatte, dahin abholen zu können.“


11. Das Vicuña.

Als Pizarro und seine Spanier zuerst die peruvianischen Andesgebirge erstiegen, waren sie sehr erstaunt, eine neue Gattung Vierfüßler zu erblicken, die ihnen zugleich wie ein Schaf und wie ein Kameel vorkam, und die sie daher auch Kameelschaf nannten. Sie kannten das gezähmte Lama, das als Hausthier Lasten trug, sowie das Alpaka, eine kleinere Gattung desselben, das seines Vließes wegen ungemein hoch geschätzt wurde. Jetzt sahen sie aber zwei andere Arten dieser Gattung im wilden Zustande, welche die einsamsten und unzugänglichsten Gegenden der Cordilleren bewohnten. Sie waren das „Guanaco“ und „das Vicuña.“ – Noch bis vor Kurzem hat man das Guanaco für das wilde Lama gehalten, dies ist jedoch nicht richtig. Wenn man es zähmt, vermag es als Lastthier nicht dieselben Dienste zu verrichten, wie das Lama. Auch sein Vließ und sein Fleisch sind weniger werth. Die Wolle des Vicuña galt dagegen noch fünf Mal so viel als Alpakawolle, und die Ponchos oder spanischen Mäntel, welche daraus gewebt sind, haben den fabelhaften Preis von 100 bis 200 Thalern. Jeder Wohlhabende trägt einen solchen Mantel und wird allgemein darum beneidet, denn die Aermeren können ihn nur von grober Lamawolle tragen.

Da die Wolle des Vicuña so hoch im Preise steht, wird demselben natürlich vielfach nachgestellt. In vielen Theilen der Andes giebt es Vicuña-Jäger, und ganze Stämme peruvianischer Indianer bringen einen Theil des Jahres mit der Jagd dieses Thieres und des Guanaco hin. Dasselbe findet im Süden, nah Patagonien zu statt, wo andere Stämme fast ausschließlich von der Vicuña-, Guanaco- und Straußenjagd leben.

Diese Jagd ist kein leichtes Gewerbe. Der Jäger muß auf den höchsten und kältesten Punkten der Andes, fern vom civilisirten Leben und dessen Freuden wohnen, und entweder auf freiem Felde lagern, in Höhlen schlafen oder sich mit seinen Händen eine rohe Hütte bauen. Er hat eine Witterung zu bestehen, die so kalt ist wie der Winter in Lappland, und zwar häufig an Stellen, wo keine Spur von Holz zu entdecken ist und wo er sich seine Mahlzeit nur an dem Feuer, das ihm der trockene Mist des Wildviehes gewährt, kochen kann. Glückt ihm die Jagd nicht, so ist er dem Hungertode ausgesetzt und kann sein Leben nur durch Wurzeln und Beeren fristen. Und dabei drohen ihm noch stets die Gefahren, welche die schlüpfrigen Gebirgspfade, Abhänge und wild brausenden Ströme mit sich bringen. Es ist ein rauhes, entbehrungsvolles Leben, das der Vicuñajäger führt.

Auf meiner Reise durch Peru beschloß ich, auch eine Vicuñajagd mitzumachen. Von einer Stadt der unteren Sierra erklomm ich die hohen Regionen der „Puna“ oder „Despopoblado“ (unbewohnte Region), wo ich mich 12 bis 14,000′ über der Meeresfläche, in einer kalten Wüstenei befand, nachdem ich eben erst aus dem Lande der Palmen und Orangen gekommen war. Vor mir und rings um mich sah ich nichts als schwarze oder schneebedeckte Berge, welche hier und da Ebenen von einigen Meilen Breite zwischen sich ließen. Geht man diese zu Ende, so kommt man an tiefe Klüften, aus denen die nächsten Bergkuppen emporsteigen.

Dieses Tafelland ist zu kalt für den Ackerbau; nur Gerste und einige harte Wurzeln der kalten Zone gedeihen hier, aber der Boden ist mit einer Schwarte von „Ycha-Gras“ bedeckt, welches die Lieblingsnahrung der Lama’s bildet, und diese giebt ihm auch für den Menschen Werth. Man findet dort Heerden von halb wildem Vieh, welche von noch wilder aussehenden Schäfern geleitet werden. Schaaren von Alpaka’s, Lamaweibchen mit ihren Jungen und langschwänzige peruvianische Schafe durchstreifen sie und verleihen ihnen einiges Leben. Ueber ihnen schwebt ferner der Riesengeier – der Condor oder kauert in seinen Nestern auf den Bergspitzen. Dann und wann trifft man endlich auf die schwarze Erdhütte des „Vaqueros“, des Viehhirten, oder stößt auf den Mann selbst, der mit einer Koppel wilder Hunde seiner Heerde folgt und noch wilder erscheint als sie.

So sieht die Puna aus, welche den Lieblingsaufenthalt des Vicuña, und daher auch die Heimath der Vicuñajäger bildet. Ich war an einem derselben empfohlen und suchte ihn in seiner Hütte auf, wohin er eben mit einer Beute von ein paar Chinhilla’s und Viscacha’s, Bergkaninchen, die er in Schlingen gefangen, zurückgekehrt war.

Es war gut, daß ich zu Pferde ankam, denn als ich vor der Hütte hielt, kam ein Pack kleiner fuchsähnlicher Hunde aus dieser heraus und sprang an meinen Beinen schnappend in die Höhe, so daß ich mich nur vor ihnen retten konnte, indem ich meine Füße bis zum Sattel heraufzog. Selbst ihr Herr konnte ihnen, als er erschien, erst nach vielen Fußtritten begreiflich machen, daß ich nicht dazu hergekommen sei, mich von ihnen fressen zu lassen. Darauf stieg ich ab und ging oder kroch vielmehr in die Hütte. Sie bestand aus einer Höhle von fünf Fuß Höhe, die aus Erde und Steinen hergestellt und mit Puna-Gras bedeckt war. Ein paar Steinblöcke in der Mitte derselben bildeten den Herd, und der Rauch mußte sich selbst seinen Weg suchen.

Der Besitzer war ein Indianer und gehört zu den Stämmen, welche nie von den Spaniern besiegt wurden, weil sie zu hoch wohnten. Nur die Missionäre kamen allmälig mit ihnen in Berührung und schieden sie in „Indios mansos“ zahme Indianer, und „Indios bravos“, wilde Stämme, die noch bis jetzt unabhängig sind.

Mein Wirth war ein Junggesell und bereitete sich Alles selbst. Ich nahm an seinem Mahle, das aus Mais und einem

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verschiedene: Die Gartenlaube (1856). Ernst Keil, Leipzig 1856, Seite 94. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1856)_094.jpg&oldid=- (Version vom 21.8.2021)