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verschiedene: Die Gartenlaube (1856)

artig mit einander waren. Desto bessere Kameradschaft hatten wir aber bald mit diesen aus Ostindien gekommenen Husarenoffizieren gemacht, und auch unsere Leute verkehrten gern mit der Mannschaft dieses Regiments, unter der sich viele altgediente Veteranen befanden, die theilweise schon an 15–20 Jahre unausgesetzt im Felde gestanden hatten. Allzuviel verständigen konnten sich freilich unsere meisten Chasseurs nicht mit diesen englischen Husaren, und das gegenseitige Zutrinken aus den mit Rum gefüllten Feldflaschen mußte häufig die sonstige Unterhaltung ersetzen. Merkwürdig bleibt es aber doch, daß wir mit diesen Ostindiern jetzt hier in der Krim zusammen kommen. So war ich mit einem Kapitain häufig auf Feldwache, der hatte vor einem Jahre noch in den schönsten Theilen von Ostindien sich mit den Maratten oder wie dies braune Gesindel dort heißen mag, herumgeschlagen und ich mich ganz hinten in Algerien mit den maurischen Stämmen aus dem Innern von Afrika, und jetzt fechten wir hier zusammen in der Krim und hauten lustig auf diese flachsköpfigen Russen, die Gott weiß woher anmarschirt gekommen waren. Und wer weiß ob wir nicht im nächsten Jahr da oben in der Ostsee sind, und mit den Schweden zusammen auf diese Russen oder Preußen dreinhauen. Nun, uns soll es recht sein, wohin der Kaiser befiehlt, marschiren wir, und je länger der Krieg dauert und je mehr Feinde es giebt, desto besser ist es, denn desto schneller geht das Avancement.

Aber seht, ich will Euch erzählen, wie ich meine Quetschung erhielt, und komme da wieder auf allerlei Abwege.

Mit drei von diesen Husaren-Offizieren, und vier oder fünf von uns französischen Offizieren von den Zuaven und Chasseurs d’Afrique, dann noch zwei Sardiniern, prächtigen Kerlen, die man mit wahrem Vergnügen Kameraden nennen kann, hatten wir ein großes Bankett zusammen veranstaltet. Hoch, sehr hoch ging es dabei her, denn wir feierten den Sieg bei der Tractirbrücke,wo wir alle zusammen recht tüchtig im Feuer gewesen waren, und die russischen Kugeln uns so dicht um die Ohren summten, wie in Algerien oft die Mosquitos.

In Kamiesch hat sich jetzt ein Haufen von Kaufleuten aus allen möglichen Nationen angesiedelt, aber lauter verworfenes Gesindel, was Einen prellt, ärger noch wie es die Malteser in Algier bei einem Neuling nur versuchen können, von denen man aber sonst ganz gute Sachen erhält. Wein haben die Kerle, der nicht schlecht ist, und ihr Cognac ist erste Qualität, freilich sündhaft theuer. Bei einem tüchtigen Trinkgelage kann oft in einer einzigen Nacht eine halbe Monatsgage darauf gehen, und auf Kreditgeben lassen sich natürlich die Kaufleute nicht ein, sondern Alles muß baar in blanken Napoleon’s bei ihnen bezahlt werden.

Wer wollte hier aber auch sparen und nicht gern eine lustige Nacht mit frohen Kameraden durchjubeln, so lange er nur noch ein Fünffrankenstück in der Tasche hat! Weiß man doch nie, ob es nicht das letzte Glas ist, was man an seine Lippen setzt, geht es doch oft vom Zechtisch sogleich in das russische Kanonenfeuer und wird das Anstoßen der Gläser nur zu häufig von dem Dröhnen der Geschütze so übertäubt, daß man sein eigenes Wort nicht dabei verstehen kann. Wie viele, viele brave Kameraden, mit denen ich hier noch so manche lustige Nacht durchtrunken habe, setzen jetzt das Glas nicht mehr an ihre Lippen, sondern fielen für den Ruhm und die Ehre unserer französischen Armee.

Abends waren wir denn wie gesagt recht lustig und fidel und wußten vor Uebermuth kaum, was wir beginnen sollten. Unser Kapitain Alphons ist nicht umsonst zwei Jahre Ordonnanz-Offizier beim Herzog von Aumale gewesen, und hatte uns einen Champagnerpunsch zusammengebraut, wie er auf dieser Welt nicht besser gefunden werden kann. Wenn man nun so zwei Tage auf den äußersten Feldwachen gewesen, kaum aus dem Sattel dabei gekommen ist, und nichts wie schaales, abgestorbenes Wasser zum Trinken und harten Schiffszwieback zum Essen gehabt hat, dann spürt man einen Durst in sich, als könnte man das ganze schwarze Meer auf einen Zug austrinken, vorausgesetzt, daß dasselbe aus Punsch bestände.

So tranken und sangen, schwatzten und lachten wir an diesem Abend so lustig zusammen, wie man auf dieser Welt nur sein kann. Hat das Wetter in der Krim einmal Lust schön zu sein, dann ist es auch wirklich gut, und so war diese Nacht denn so milde und klar, und dabei wieder so erfrischend und belebend, wie sie es an der a1gerischen Meeresküste nicht besser sein kann. Welcher Unterschied zwischen den Schneestürmen des letzten Winters und diesen lauen August-Nächten! Wir hatten unsern Zechtisch draußen im Freien, an der Seite einer Ruine von irgend einem tartarischen Bauwerk aufgeschlagen, und einige Zuaven von der Compagnie des Alphons waren mit ihrer, in solchen Dingen vielfach erprobten Geschicklichkeit bemüht gewesen, uns aus einer alten Tonne einen erträglichen Tisch und aus Mauersteinen dieser Ruine, zwar etwas harte, aber dafür desto fester stehende Sitze herzustellen.

Wie wir so eben im besten Trinken waren, und der große Feldkessel, den wir zur Punschbowle gebrauchten, schon die Hälfte seines Inhaltes in unsere Kehlen hatte abgeben müssen — diese Engländer verstehen das Trinken ganz famos, und man hat alle Mühe es ihnen hierin gleichzuthun, um so auch auf diesem Felde die französische Ehre zu retten,— fing plötzlich eine unserer Batterien, die zunächst dem Malakoffthurm gegenüber lag, eine gewaltige Kanonade an, die alsbald von den Russen ebenso heftig erwiedert wurde. Es war wirklich, als hätten unsere Artilleristen an dem heutigen Abend ihre so schon tüchtig brummenden Positionsgeschütze mit doppelter Ladung verstärkt, so gewaltig krachten dieselben. Die Gläser klirrten und tanzten förmlich auf den Tischen, wenn so eine Salve aus dieser Batterie, die vielleicht an 3000 Schritt von uns entfernt sein mochte, krachte, und ein Glas, leider noch dazu fast ganz mit Punsch gefüllt, fiel sogar um. „Der Commandant der Batterie will, daß wir unsere Gläser sogleich austrinken sollen, darum läßt er heute Nacht seine Brummer so stark aufspielen,“ lachte Alphons, unser Zuaven-Kapitain, der den Wirth machte, und füllte das umgestoßene Glas auf’s Neue. So etwas ließen wir uns nicht zwei Mal sagen und hatten unsere Gläser denn auch im Augenblick so leer getrunken, daß wir sie umgestürzt auf den Tisch stellen konnten, wo sie dann freilich fester standen. Auf das Schießen achteten wir sonst weiter nicht, denn wenn man wie wir Franzosen, nun schon acht Monate vor Sebastopol gestanden hat, dann wird man auch der stärksten Kanonade so gewöhnt, daß man ganz ruhig dabei schlafen kann, mag es auch rings um einen her noch so donnern und krachen. Nur das Fliegen der feurigen Bomben, mit denen die Russen von ihren Werken uns bisweilen regalirten, verschaffte uns Vergnügen, und wir hatten bei unserm Zechgelage ein Feuerwerk so großartig, wie es selbst die guten Pariser am Napoleonstage nicht bekommen können. Namentlich unsere sardinischen Kameraden, denen solch gewaltiges Bombardement noch neu war, zeigten mit ihrer italienischen Lebendigkeit so recht ihre ganze Freude über dies Schauspiel Sie lachten und klatschten in die Hände, wenn so eine gewaltige Bombe mit langem, hellem Feuerschweif durch den dunkeln Himmel angesaust kam, und jubelten einmal über das andere, über den prächtigen Gedanken ihres Königs, daß er sardinische Truppen hierher nach der Krim geschickt hätte, damit sie sich an der Seite der Franzosen neue Lorbeeren erkämpfen könnten.

Wie wir aber im besten Trinken sind und den alten braven Kommandant F. von unserer Batterie einmal über das andere hoch leben lassen, daß er uns eine gar so gewaltige Tafelmusik zu unserm Bankett aufspielt, kommt plötzlich ein Adjutant vom General Bosquet in vollem Galopp seines Pferdes angejagt.

„Kamerad, was bringst Du?“ ruft ihm Alphons zu und kredenzt dem Reiter sein volles Punschglas.

Les Zouaves aux armes, war die Antwort des Adjutanten, der dabei schnell uns zurief, daß man einen etwaigen Ausfall der Russen gegen unsere äußersten Trancheen erwartete, und deshalb die Wache derselben um zwei Kompagnien Zuaven verstärken wolle; „zu den Waffen“, das ist ein Kommando, was diese Zuaven gewaltig gern hören, und so faul die Kerle oft auch sind, wenn sie zu Paraden ausrücken sollen, so lassen sie sich den Ruf aux armes gewiß nicht zwei Mal sagen. Uebrigens befahl der Adjutant noch, daß die Hornisten nicht Allarm blasen sollten, damit man den Lärmen davon nicht etwa im russischen Lager hören könne, sondern sich Alles möglichst schnell und still sammeln und dann im Eilschritt an den ihnen durch viele Wachen schon hinlänglich bekannten Plan marschiren möchte.

(Fortsetzung folgt.)
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verschiedene: Die Gartenlaube (1856). Ernst Keil, Leipzig 1856, Seite 135. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1856)_135.jpg&oldid=- (Version vom 21.8.2021)