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verschiedene: Die Gartenlaube (1856)

Es soll vorgekommen sein, daß bei hoher Fluth und während der Nachtzeit große Schiffe dicht bei den Werften der Halligbewohner vorbeifuhren, und die Seefahrer es dann nicht zu deuten wußten, wenn sie plötzlich neben sich in ein traulich erhelltes Zimmer, das von Wellen umgeben war, hineinschauten

Brunnen sind auf den Inseln nicht vorhanden, sondern die Bewohner haben auf ihren Werften eine Art Cisterne gegraben, die sie mit Grassoden aussetzen, und in welcher sie Regenwasser auffangen, das ihren Schafen zum Saufen und ihnen zur Bereitung des Thees dient, und müssen sie bei anhaltender Dürre das Trinkwasser vom festen Lande holen. Während der großen Fluthen, in der ersten Hälfte des 17 . Jahrhunderts (1634) zogen viele Friesen von den Halligen nach Föhr, und ließen sich in Wyk und dem Dorfe Rieblum nieder, wo sich auch bis jetzt die ursprüngliche Tracht der Frauen erhalten hat.

Die Bewohner der Halligen sind kühn und unerschrocken, zurückhaltend und schweigsam; einsam leben sie auf ihrer Werfte, sich um die Außenwelt wenig kümmernd, nur bei einer Hochzeitfeier, die jedoch der wenigen Bewohner wegen selten vorkommt, geben sie sich der Freude des Tanzes hin. Die Frauen kleiden sich in enge Futterhemden von wollenem oder seidenem Damast; die langen Aermel, welche nach vorn weit offen stehen, sind an den Seiten mit silbernen Knöpfen besetzt; das Leibchen, welches sie unter dem Futterhemde tragen, steht ebenfalls weit offen, und schließt nur unten; an jeder Seite sitzt eine Reihe von achtzehn massiven silbernen Haken, an welchen eine Kette, ebenfalls von Silber, hin und hergewunden wird, an dem obersten Ende derselben tragen sie auf der Brust eine goldene oder- silberne Schaumünze. Das ist noch eine alte Nationaltracht, welche die nüchterne und unschöne der Frauen des Festlandes beschämt.




Vom Baue des menschlichen Körpers.
Des Menschen Fleisch und Bein.


Die Knochen (Beine, Gebeine) und Muskeln (Fleisch) sind die Bestandtheile unseres Körpers, welche demselben mehr als alle übrigen Organe seine menschliche Gestalt verleihen und mit Hülfe der Sinne und des Verstandes, zum menschlichen Thun und Treiben geschickt machen. Darum sollte man aber auch diesen Theilen von Jugend auf weit mehr Aufmerksamkeit und Pflege widmen, als dies zur Zeit geschieht, wo. man es größtentheils dem Zufalle überläßt, ob der Körper wohlgestaltet und kräftig, oder mager, mißgestaltet und affenähnlich wird, trotzdem daß es in unserer Macht steht, großen Einfluß auf seine Gestaltung und durch diese auf sein Wohlergehen in der Zukunft auszuüben. Wie jammern nicht die Mütter, wenn ihre Fräulein Töchter schief und bucklig werden und zwar zu einer Zeit, wo sie gern Parade mit ihnen machen möchten; aber auf vernünftige und leichte Weise einem solchen Schief- und Buckligwerden vorzubauen, das ist nicht ihre Sache. .

Die Knochen, deren Gewebe neben dem der Zähne das härteste im menschlichen Körper ist und deren Anzahl 213 (oder 245 mit den 32 Zähnen) beträgt, bilden durch ihre wechselseitige, mit Hülfe der Knochenbänder bewirkte Vereinigung ein Gerüste (Gerippe, Skelet) von beweglichen Balken und Hebeln, welches den sämmtlichen Weichtheilen, vorzugsweise dem Fleische, zur Befestigung und Unterlage dient, ihnen Halt und Stütze bietet, und Höhlen zur sichern Aufbewahrung edler Eingeweide aufbaut.– Nach dem verschiedenen Zwecke, welchem die einzelnen Knochen dienen, ist der Bau und die Form derselben verschieden. So finden sich lange oder Röhrenknochen, mit einem dickern walzenartigen Mittelstücke, dessen Inneres eine mit Knochenmark erfüllte Röhre darstellt, und mit dicken, schwammigen, kugligen Enden (auch schlechthin Kugeln genannt), vorzugsweise da, wo Theile (wie die Arme und Beine) große und schnelle Bewegungen auszuführen und den Körper zu stützen haben. Dagegen werden platte und breite Knochen zur Bildung von Höhlen und da verwendet, wo eine größere Anzahl von Muskeln zusammen eine Befestigung brauchen. Die dicken und kurzen Knochen von unregelmäßiger Gestalt trifft man aber an Stellen, wo eine auf viele kleine Knochenstücke vertheilte Bewegung hervorgebracht werden soll. – Die Verbindung der Knochen unter einander findet entweder in einer solchen Weise statt, daß die verbundenen Knochen ganz fest und unbeweglich zusammenhängen (durch Bänder, Knorpel, nahtartige zackige An- und Ineinanderfügung (Einkeilung), oder daß sie sich mit größerer oder geringerer Freiheit an einander hin- und herbewegen Die letztere oder bewegliche Knochenverbindung, die auch Gelenkverbindung heißt, entsteht dadurch, daß das glatte, mit einem elastischen Knorpelüberzuge bekleidete, meist kuglige Ende des einen Knochens mit Hülfe von festen, aber biegsamen Bändern (von denen das wichtigste kapselartig die sich verbindenden Knochenenden umgibt) an eine entsprechende, glatte, überknorpelte, gewöhnlich ausgehöhlte Gelenkfläche eines andern Knochens befestigt ist. Zwischen den beiden so verbundenen Knochen befindet sich, in der sogenannten Gelenkhöhle, zur Erleichterung der Bewegung durch Schlüpfrigmachen der Gelenkflächen, eine dickflüssige eiweißähnliche Flüssigkeit, die Gelenkschmiere (Synovia); in manchen Gelenken trifft man auch noch Fettklümpchen und Knorpelscheiben. Nach dem Grade und der Art der Beweglichkeit bezeichnet man: das straffe Gelenk, in welchem eine nur geringe Beweglichkeit, blos ein sanftes Hin- und Herschieben stattfindet (wie zwischen den Wirbeln); das Scharnier- oder Winkelgelenk, wo sich die Knochen nur in einer Richtung, winkelartig an einander bewegen, wie ein Taschenmesser (wie im Knie- und Ellenbogengelenk); das Roll- oder Drehgelenk, bei welchem sich ein Knochen in einem halben Kreise um sich oder einen andern dreht (wie der Kopf auf dem Halse); das freie oder Kugelgelenk, bei welchem dem kugelförmigen Ende des einen Knochens in der Aushöhlung eines andern Bewegung nach allen Richtungen hin gestattet ist (wie im Achsel- und Hüftgelenke).

Das Gewebe der Knochen, von dessen richtigem Verhalten, zumal von der richtigen chemischen Zusammensetzung, des Knochens Härte und Gestalt, also seine Bestimmung für unsern Körper abhängig ist, zeigt sich dem unbewaffneten Auge als eine harte, feste, weißliche, theils ganz solide (compacte), theils poröse, schwammige Masse, welche als leichtes Ausfüllungsmittel in ihren kleineren und größeren Zwischenräumen (Markzellen und Markröhren) ein weiches, gelbes oder röthliches Fett (das Knochenmark), sowie im Mark eingebettete Blutgefäße und Ernährungsflüssigkeit enthält. Durch das Mikroscop erkennt man in der Knochenmasse eine größere oder geringere Anzahl um einander herum liegender Schichten, sowie eine große Menge enger, fett- und gefäßhaltiger Kanälchen (Mark- oder Gefäßkanälchen und mit Ernährungsflüssigkeit erfüllter Höhlen (Knochenkörperchen) mit kanalartigen Ausläufern (Knochenkanälchen), welche die Höhlen und Kanälchen unter einander verbinden. – Die chemische Untersuchung ergibt die Knochenmasse zu 2 Dritteln als aus Knochenerde und zu einem Drittel aus Knochenknorpel zusammengesetzt; die erstere besteht hauptsächlich aus phosphorsaurem Kalk, dem etwas kohlensaurer Kalk, Fluorcalcium, phosphorsaure Talkerde und Kieselerde beigegeben ist; der letztere lößt sich beim Kochen zu Leim auf. Von der Knochenerde hängt die Härte, Dichtigkeit und Festigkeit des Knochens, vom Knorpel seine geringe Biegsamkeit und Elasticität ab. Ein Mißverhältniß zwischen diesen beiden Knochenmaterien ertheilt dem Knochen solche Eigenschaften, die ihn für seine Bestimmung untauglich machen; denn eine zu große Menge von Knorpel macht ihn weich und biegsam, wie dies bei der sogenannten englischen Krankheit (Rhachitis) der Fall ist; zu viel Erde bedingt dagegen eine größere Sprödigkeit oder Mürbigkeit und sonach leichtere Brüchigkeit desselben. Die Ursache eines solchen Mißverhältnisses zwischen Knorpel und Erde (organischer und unorganischer Substanz) liegt gewöhnlich in einer falschen Nahrung, welche den Stoffwechsel im Knochengewebe nicht ordentlich zu unterhalten vermag und demselben entweder zu viel von der einen, oder zu wenig von der andern Substanz zuführt. In der Jugend, wo der Knorpel in größerer Menge vorhanden ist, sind die Knochen auch leichten Verkrümmungen ausgesetzt, während

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verschiedene: Die Gartenlaube (1856). Ernst Keil, Leipzig 1856, Seite 184. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1856)_184.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)