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Lande, und durch eine Reihe von Korallenriffen von der Seeseite eingeschlossen wird. Nur drei Einfahrten waren verblieben. Die Stadt dehnt sich längs der Küste aus und mag in vielleicht 4000 Häusern gegen 20,000 Bewohner enthalten. Die Straßen sind breit, mit großen Korallenblöcken gepflastert und werden in dem von Reicheren bewohnten Stadttheile von Mauern zu beiden Seiten begränzt, durch welche die Eingänge zu den dahinter liegenden Wohnhäusern führen. Niemand wagte, sich den angekommenen Fremdlingen zu nähern, viele aber sahen neugierig hinter Mauern, Bäumen und aus den Seitenstraßen hervor, ergriffen aber sofort die Flucht, sobald einer der Amerikaner nur Miene machte, sich ihnen zu nähern oder gar sie anzureden. Während einer zweiten Landung auf Liu-Kiu glückte es unserm Landsmanne, in Gesellschaft eines seiner Freunde eine genauere Kenntniß von der Stadt und dem Innern der Häuser zu erlangen. Beide waren während der Nacht am Lande geblieben, hatten sich von den Moskitos tüchtig stechen lassen, und waren darauf am andern Morgen längs des Flusses den Schnepfen nachgegangen. Eben war die Sonne aufgegangen, es war früh am Morgen, die Straßen noch völlig menschenleer.

Napa, auf der Insel Liu-Kiu.

Unsere Abenteurer befanden sich gerade in dem der untern Stadt entgegengesetzten, etwas höher gelegenen Stadttheile, dem Aufenthaltsorte der wohlhabenderen Klassen. Alle Thüren der Höfe, Gärten und Häuser standen offen, so daß Diebe eine hier unbekannte Klasse der menschlichen Gesellschaft zu sein schienen, und in Wahrheit gehören Eigenthumsvergehen in Japan zu den fast unerhörtesten, jederzeit aber mit dem Tode zu bestrafenden Verbrechen. Die Versuchung war zu groß, Räume, welche man bisher dem Eindringen der Fremdlinge beharrlich verschlossen hatte, standen jetzt offen, wer könnte da widerstehen! Unsere Freunde gelangen durch das in der 8–10 Fuß hohen Mauer befindliche Eingangsthor in den mit Buchsbaumhecken und nett gehaltenen Blumenbeeten versehenen Hof. In ihm liegt das einfach aus Holz erbaute Haus, das vorn eine oder einige Vorhallen besitzt, hinter welchen die Wohngemächer liegen. Hölzerne Schieber bilden in ihnen die Scheidewände; man kann sie beliebig entfernen und dadurch die Zimmer bald vergrößern, bald verkleinern. Nach der Hofseite zu sind sie meist weggenommen. Ist schlechtes Wetter, so setzt man Fenster von geöltem Papiere ein, wird dagegen die Wärme zu groß, so läßt man Jalousien aus gespaltenem Rohre herab, durch welche man zwar aus dem Hause die äußeren Räume sehen kann, die aber keinen Blick in das Innere des Hauses verstatten.

Da sich nirgend nur irgend ein Bewohner des Hauses sehen oder hören ließ, so ward die Entdeckungsreise fortgesetzt, und man gelangte in den eigentlichen, an der Rückseite des Hauses gelegenen Garten. Er ähnelte ziemlich den chinesischen Ziergärten, war aber kleiner und dabei geschmackvoller angelegt und mit schönen Blumen geschmückt. In der Mitte befand sich ein Wasserbassin, dessen Ränder mit Muscheln und allerlei bunten Steinen verziert waren, und in dessen Tiefe Goldfischchen sich lustig herumtummelten. Da die Jalousien des Hauses offen waren, so näherte man sich ihnen vorsichtig und lugte durch die Oeffnung. Auf den dicken Strohmatten, welche den Boden aller japanischen Wohnungen bedecken, lagen drei Frauen und zwei kleine Kinder im tiefsten Schlafe, nicht ahnend, daß ein paar freche Fremdlinge gewagt hatten, bis in’s Allerheiligste der guten Insulaner zu dringen. Leise, wie man gekommen, ward auch der Rückzug genommen, hatte man doch die Neugierde befriedigt und das Innere eines japanischen Privathauses gesehen, ohne selbst beobachtet zu sein.

Die Reisenden konnten sich das Vergnügen nicht versagen, ihre Wanderung auch nach den tiefer gelegenen Stadttheilen fortzusetzen. Die Scene wurde allgemach lebendiger und auf dem Marktplatze angekommen, fanden sie den Handel bereits im besten Gange. Mehrere hundert Frauen der niedern Stände saßen hier hinter Körben und Verkaufsständen, und boten Schweinefleisch, Geflügel, verschiedene Gemüse, als Bohnen, Kartoffeln, Zwiebeln, Gurken u. s. w. feil. Während das so ganz unerwartete Erscheinen der Fremdlinge einige zur sofortigen Flucht veranlaßte, blieben die andern ruhig sitzen, und da nunmehr jene sahen, daß man diesen kein Leid zufügte, so kamen sie auch bald wieder. Heine kaufte eine schöne Wassermelone, die beim Frühstück verzehrt, trefflich mundete. Ein gleichbeliebter und vorzüglicher Artikel schienen eine Art süßer Käse zu sein, die, in Würfel unserm limburger ähnlich geformt, auf Kohlen geröstet oder auch gleich frisch gegessen, recht angenehm schmeckten.

Beim Weitergehen gelangte man an den innern Hafen, in welchem viele japanische Dschunken lagen, von denen in den letzten acht Tagen ungefähr 16–20 eingelaufen sein mochten. Hier war es auch, wo man dem ersten japanischen Nobile, an seinen zwei im Gürtel getragenen Schwertern zu erkennen, begegnete. Ein Theil seines Kopfes war glatt geschoren, das übrig gelassene

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verschiedene: Die Gartenlaube (1856). Ernst Keil, Leipzig 1856, Seite 346. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1856)_346.jpg&oldid=- (Version vom 19.2.2017)