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verschiedene: Die Gartenlaube (1856)

Haar aber sauber gekämmt, geölt und auf dem Wirbel in einen Knoten geschlungen, der Bart zwar dünn, doch sorgfältig gepflegt. Seine Kleidung bestand in einem langen, grau und weiß gewürfelten Gewande mit weiten Hängeärmeln und war aus einem äußerst feinen, durchsichtigen Stoffe gefertigt. Ueber diesem Gewande trug er ein anderes Stück von demselben Stoffe, nach Art der schottischen Plaids eigenthümlich um Brust und Schultern, gefaltet, so daß es fast einem Panzer glich. Außer den bereits erwähnten zwei Schwertern, mit denen er auf Befehl seines kaiserlichen Herrn sich den Bauch aufzuschlitzen hat, trug er im Gürtel noch einen Fächer, ein kurzes Pfeifchen mit äußerst kleinem Kopfe in seidenem Ueberzuge, einen kleinen seidenen Tabacksbeutel und endlich in der Hand einen papiernen, schwarzlackirten Sonnenschirm. Auch er ging an den Fremden vorüber ohne scheinbar die mindeste Notiz zu nehmen, wogegen sie natürlich dasselbe thaten. Zuletzt besuchten diese noch einige Dschunken, wurden hier mit Thee und Sacky (eine Art Liqueur) bewirthet und von der japanischen Mannschaft freundlich und leutselig, doch nicht ohne die überall bemerkbare Scheu aufgenommen, da alle wußten, wie streng der Umgang mit Fremden geahndet ward.

Da unter der Mannschaft des Schiffes sich auch ein Daguerreotypist befand, so machte sich Heine mit diesem auf, Gruppen von Eingebornen aufzunehmen, ganz wie man sie auf den Straßen und Plätzen der Stadt unbeweglich, gleich Statuen, und rauchend im Schatten schöner Bäume fand. Alle waren dazu bereit, so wenig sie auch anfangs unsern Zweck erriethen, und ließen sich behufs besserer Gruppirung an die betreffende Stelle führen, wo sie steif und unbeweglich verharrten, bis man mit der Hand ein dankendes Zeichen gab, nun aber nicht wenig erstaunt, ihre ehrenwerthen Persönlichkeiten in gleich wunderbarer Weise und kurzer Zeit so treu wiedergegeben zu finden. Im Allgemeinen fand man die Eingebornen höchst mild, artig und liebenswürdig. Nie war man Zeuge eines Actes von Bestrafung, noch eines Zankes oder einer Rohheit. Schwere Arbeit schien auch hier das Loos der niederen Klassen zu sein, während alle nur einigermaßen vornehmeren Männer einen großen Theil des Tages an angenehmen schattigen Plätzen saßen und Taback rauchten oder aus mitgebrachten kleinen, hübsch lackirten, mehrere Schubfächer enthaltenden Kästen allerlei Eßwaaren verzehrten und dazu Thee oder Sacky tranken.

Die Mannschaft der amerikanischen Flotille hatte bereits am 29. Mai die Ehre, den Regenten der Liu-Kiu-Inseln in einem officiellen Besuche an Bord zu sehen, nachdem einige Vorverhandlungen über den Zweck ihres Hierseins vorhergegangen waren. Er ward mit allen kaiserlichen Ehren empfangen, bewirthet und überall im ganzen Schiffe herumgeführt. Der Regent war ein ehrwürdiger Greis, welcher während der Minderjährigkeit des erst 12 Jahre alten Fürsten das Regiment führte. Sein Gefolge bestand größtentheils aus alten Männern mit langen Bärten; das Haupthaar war von allen Seiten aufwärts gekämmt und auf dem Scheitel in einen zierlichen Knoten geflochten, durch welchen zwei Metallnadeln gesteckt waren. Die Kleidung bestand aus einem langen Kaftan mit weiten Aermeln und war aus einem feinen Stoffe gefertigt. Ein Gürtel hielt dieses Kleidungsstück zusammen und trug zugleich den Fächer, die Tabackspfeife und den seidenen Beutel. Unter dem Kaftan trugen die vornehmeren Männer noch ein feines Hemde, weite bis an’s Kniee reichende Beinkleider und genähte Strümpfe, in denen sie auf dem Schiffe, wie sie es auch in ihren Häusern zu thun pflegen, herumgingen, da sie die übrige Fußbekleidung aus Höflichkeit im Boote zurückgelassen hatten. Die Salutschüsse beim Abschiede versetzten sie in nicht geringen Schrecken, mehrere fielen beinahe um.

Commodore Perry beschloß, nach diesen Formalitäten eine Expedition in das Innere der Insel abzusenden, und da unser Heine sich unter den vier Hauptpersonen derselben befand, so haben wir Gelegenheit uns vom Zustande des Landes zu unterrichten. Der Weg führte von Napa aus über wohlangebaute Felder, unter denen ein Theil Reisfelder, nach Schuy, der eigentlichen Hauptstadt der ganzen Insel. Die Straße, 18–20 Fuß breit und mit Steinblöcken gepflastert, war meist mit Bäumen bepflanzt, welche einen recht angenehmen Spaziergang bildeten. Auf den Feldern war man eben beschäftigt, Reis zu pflanzen. Sämmtliche Felder sind terrassenartig angelegt und werden dadurch reichlich bewässert, daß kleine Kanäle das Wasser oberhalb liegender Quellen der nächsten Terrasse zuführen, welche es, nachdem sie überrieselt der folgenden zusendet, wo es denselben Zweck zu erfüllen hat. Hierdurch wird der Boden stets sumpfig erhalten. Im Frühjahr werden erst kleine Stücken mit Reis besäet, die dadurch gewonnenen Pflanzen aber später, wie bei uns die Kohl- und Krautpflanzen, weiter verpflanzt. Eben war man hiermit beschäftigt, doch fand man auch Felder, auf denen der Reis in vollen Aehren stand.

Schon von Napa aus war die Expedition von drei Eingebornen begleitet, jedenfalls Personen von gewissem Range, welche sie fortan keinen Augenblick mehr verließen, und augenscheinlich dazu abgeordnet waren, zu erspähen, was die wunderlichen Fremdlinge wohl vorhätten. Es war eine ältere und zwei jüngere Personen. Alles, was man that, ward von jedem Einzelnen gewissenhaft niedergeschrieben, und diese Niederschriften Abends verglichen. Trennte sich einer der Amerikaner von den übrigen, so konnte man gewiß sein, daß ihm einer der Späher folgte. Als das mitgenommene Gepäck sich für die als Lastträger begleitenden Chinesen zu schwer erwies, so wurden von den Spähern sofort einige Eingeborne aufgefordert, die Last zu tragen, und wenn auch diese müde waren, so nahm man oft Leute von der Feldarbeit weg, welche dem erhaltenen Befehle auch sofort Folge leisteten. Ebenso sorgten die drei Begleiter für die nöthigen Lebensmittel, und nur nach vielen Bemühungen gelang es später, sie zur Annahme von Bezahlung zu bewegen. Dicht vor Schuy, das wie Napa, doch in einem etwas großartigerem Style erbaut war, nöthigten die Begleiter in einem der Einkehrhäuser (Kunk-kwa) einzusprechen und Erfrischungen einzunehmen. Es war von Holz gebaut und glich in seiner Einrichtung dem bereits oben beschriebenen. Der Wirth, eine Art Magistratsperson, klatschte nach vorangegangenen Verbeugungen in die Hände, worauf Diener erschienen, welche für jeden ein hölzernes Tellerchen nebst einer Porzellanschale mit brennenden Kohlen und einer Aschenbüchse zum Ausklopfen der Pfeife brachten. Auf ein zweites Zeichen wurden kleine Tassen mit Thee, jedoch ohne Milch und Zucker herumgereicht. Das Zimmer war mit Teppichen belegt, die man jedoch nur mit den Strümpfen betrat. Diese Herbergen, sowie die Empfangsceremonien blieben sich überall[WS 1] vollkommen gleich. Die ganze Reise dauerte sechs Tage und führte durch äußerst fruchtbare, wohlangebaute Gegenden, in denen kein Plätzchen unbenutzt gelassen war. Ueberall ward man auf das Leutseligste aufgenommen und behandelt, mit Lebensmitteln versehen, wie sie eben das Land darbot, meist in Hühnern, Eiern, Fröschen und gesalzenen Fischen, Gurken, Kürbissen, eingemachten Zwiebeln, Reis und einer Art süßer Kartoffeln bestehend. Die Bezahlung ward von den uns begleitenden Beamten besorgt und war ungemein mäßig. Ueberall wo man einkehrte, war die höchste Sauberkeit vorherrschend, Höfe und Gärten sorgfältig gefegt und mit feinem, weißem Flußkies bestreut. An den Eingängen fanden sich stets Wasserbehälter, in denen man Gesicht, Hände und Füße wusch, was für Hand und Gesicht auch vor und nach dem Essen regelmäßig und streng beobachtet ward. Nirgend fand sich Ungeziefer, die leidigen Moskitos ausgenommen. Von dem Gesehenen reich belohnt und belehrt, kehrte man endlich nach Napa zurück, um von hier aus der Einladung des Regenten von Liu-Kiu zu folgen, wobei man die Sitten der Bevölkerung recht genau kennen zu lernen Gelegenheit hatte.

Schon am Morgen des 6. Juni war die Rhede mit den Booten aller Schiffe bedeckt, welche die für die Procession bestimmten Abtheilungen mit ihren Officieren an’s Land bringen sollten. Man wollte imponiren, hatte deshalb Alles aufgeboten, und sich dabei möglichst an die Sitten der Japaner angeschlossen. Commodore Perry ward in einem Tragsessel von Chinesen getragen, Militair zog voran und folgte, die Musikcorps der verschiedenen Schiffe, so wie die Trommler waren nicht vergessen und stolz flatterte das Sternenbanner der Vereinigten Staaten. So ging der Zug in lustigem Geschwindmarsch nach der Hauptstadt Schuy, an deren Thore der Regent unter einem großen Sonnenschirme einherschreitend und mit der Würde und Gravität eines ehemaligen Dogen von Venedig den Commodore empfing. Alle Großwürdenträger waren versammelt mit zahlreichem Gefolge, allein schon am Eingange in das Schloß bot sich ein unerwartetes Hinderniß, indem der Regent den Commodore nicht hier, sondern in seiner Privatwohnung empfangen wollte. Dem widersetzte man sich, da die Officiere eines englischen Schiffes auch im Schlosse empfangen worden waren, und so gestattete man endlich das Verlangte. Das Schloß war groß und mit weiten Höfen umgeben, in deren zweitem

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: überab
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verschiedene: Die Gartenlaube (1856). Ernst Keil, Leipzig 1856, Seite 347. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1856)_347.jpg&oldid=- (Version vom 19.2.2017)