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verschiedene: Die Gartenlaube (1856)

Aussichten für den Markgrafen von Schwedt durch die Geburt eines zweiten königlichen Prinzen vollständig vernichtet waren. Bei einem Besuche, den der König und die Königin von Preußen in Hannover, im Jahre 1717 machten, war sogar eine Doppelheirath zwischen dem Kronprinzen Friedrich und der Prinzessin Amalie, und dem Herzoge von Gloucester und der Prinzessin Wilhelmine verabredet worden. Das ganze Bestreben der Günstlinge ging dahin, das gute Einverständniß zwischen den königlichen Familien von Preußen und England zu stören, was ihnen bei dem argwöhnischen und leidenschaftlichen Charakter Friedrich Wilhelm’s früher oder später gelingen mußte.

Die arme kleine Prinzessin Wilhelmine, wegen deren Verheirathung schon so viele Unterhandlungen gepflogen worden waren, hatte indessen viel von der Grausamkeit ihrer Hofmeisterin Leti zu leiden, welche das zehnjährige Kind alltäglich mit Faustschlägen und Ohrfeigen traktirte, ohne daß die Mißhandelte den Muth gehabt hätte, ihre Peinigerin anzuklagen. Ein hitziges Fieber, welches die kleine Dulderin an den Rand des Grabes brachte, befreite sie auf kurze Zeit von der nichtswürdigen Erzieherin, deren Rolle überhaupt nicht mehr lange währte. Sie ging an den englischen Hof, von wo aus sie nach Berlin empfohlen worden war, um von der Ferne aus noch ihrem ehemaligen Zöglinge durch gemeine Verleumdungen zu schaden. Die Unterhandlungen über die Verbindung der beiderseitigen königlichen Kinder kamen durch einen Besuch, welchen die Königin von Preußen ihrem Vater Georg I. in Hannover machte sowie durch dessen Gegenbesuch in neuen Gang. Die arme Prinzessin hatte viel auszustehen, da sie ihrer Mutter nicht entzückt genug von der Ehre schien, ihren Vetter heirathen zu dürfen, und da ihr die Verleumdungen ihrer ehemaligen Hofmeisterin Leti, sie sei ausgewachsen, allerhand unangenehme Untersuchungen und peinlichen Toilettenzwang zuzogen. Doch schon im folgenden Jahre, 1724, brach Uneinigkeit zwischen den beiden verwandten Höfen aus, veranlaßt durch die Liebhaberei des Königs, große, starke Leute als Soldaten zu haben, die ihn verleitet hatte, einige hannöverische Unterthanen durch seine Werber wegfangen zu lassen. Neue Unterhandlungen, welche die Königin persönlich mit ihrem Vater in Hannover führte, hatten keinen Erfolg; ihr Gemahl nahm dies mit großem Unwillen auf. Die Königin, erbittert über die Verzögerung ihrer Pläne von Seiten ihrer Verwandten und über die Vorwürfe ihres Gemahls, ließ der unschuldigen Tochter ihren Zorn entgelten, welche sie wie den Kronprinzen in strengster Abhängigkeit von sich zu halten suchte.

Für alle diese Quälereien bot das häusliche Leben der königlichen Familie wenig Ersatz. Soldaten und Sparsamkeit waren die Parole an der karg besetzten Tafel. Anzüglichkeiten, die der Hausvater den Seinen sagte, bildeten die Würze der täglichen Unterhaltungen. Die Abende und Nächte verbrachte der König in seiner Rauchgesellschaft, wo er gewöhnlich bis vier Uhr Morgens blieb; seine Familie mußte seine Rückkehr erwarten. Die Königin vertrieb sich die Zeit mit Kartenspielen; die Prinzessinnen blieben allein; die älteste las und studirte in beständiger Angst, vom strengen Vater überrascht zu werden, welcher Strickstrumpf und Nähzeug für die einem Frauenzimmer einzig angemessenen Thätigkeitsobjekte hielt, und dem Beschäftigung mit Musik und der nicht unumgänglich nöthigen Wissenschaft ein Gräuel war. Die Machinationen der Königin, ihre Kinder dem Vater zu entfremden, fingen an ihre bedenklichen Folgen zu äußern; der Kronprinz, damals vierzehn Jahre alt, war in höchster Ungnade und der König that Aeußerungen, welche Alle mit bangen Befürchtungen für das Schicksal des geistvollen und liebenswürdigen Knaben erfüllten, der sich seinem Vater nur widersetzte, weil seine Mutter ihn zu diesem Benehmen nöthigte. Noch verzog sich der Sturm; der König versöhnte sich mit seinem Sohne, aber bei seinem krankhaften Gemüthszustande mögen die Keime zu jener Abneigung, die so tragische Folgen hatten, zu tief gewurzelt sein, um nicht später wieder zu wuchern.

(Schluß folgt.)




Botanische Vorlesungen für Frauen.[1]
Von E. A. Roßmäßler.
1. Das Pflanzensystem. (Fortsetzung.)

Am Schluß meiner ersten Vorlesung sagte ich, daß die Farrenkräuter, welche wir bei der Betrachtung der Sporen-Pflanzen unerledigt lassen mußten, ein großes und namentlich auch geschichtliches Interesse haben. Auf deutschem Boden, der gegenwärtig wenig über 50 Arten sehr sparsam vertheilt trägt, bildeten sie vor Millionen Jahren einen wesentlichen, ja der Anzahl nach den wesentlichsten Theil jener Pflanzenwelt, deren Ueberreste uns die Steinkohle und in dieser den mächtigsten Hebel der Industrie vererbten. Damals waren die deutschen Farrenkräuter ansehnliche Bäume, wie jetzt deren nur noch wenige in den Tropenländern vorkommen; aber damals waren es auch auf dem ganzen Erdenrund überall beinahe dieselben Arten, welche die zierlichen, aber leider noch von keinem Vogelgesang belebten Farrenwälder bildeten, wie man dies mit Bestimmtheit aus den wohlerhaltenen Abdrücken vorweltlicher Farrenkräuter zwischen den Steinkohlenflötzen nachweisen kann. Dies scheint deutlich dafür zu sprechen, daß in jenen längst vergangenen Erdzeiten die Zonenunterschiede noch nicht bestanden.

Nachdem man seit einigen Jahrzehnten die Gruppen des Pflanzenreichs schärfer und bestimmter von einander sondern gelernt hat, ist auch das Gebiet der Farrenkräuter jetzt enger begrenzt als früher, indem man einige Gruppen davon trennt, die wir nachher auch kennen lernen werden. Durch diese schärfere Auffassung bilden jetzt die Farrenkräuter eine eben so bestimmt und übereinstimmend charakterisirte, als schöne Pflanzengruppe. Wenn man in die unendlich lange Reihe der Pflanzenformen, welche jemals gelebt haben und noch leben, eine geschichtliche Folge und einen gestaltlichen Plan legen will, wozu sich der nach Ordnung und Einheit verlangende Sinn so leicht veranlaßt sieht, so kann man die Farrenkräuter gewissermaßen Vorstudien zu der Welt der höheren oder Blüthenpflanzen nennen, mit alleiniger Beschränkung auf das Blatt. Das Blatt, bei den höhern Gewächsen der Geltung nach als zweites Glied tief unter der Blüthe stehend, ist bei den echten Farrenkräutern Alleinherrscher. Vom schlichten Weidenblatt bis zu dem hundertfältig zusammengesetzten Doldenblatt giebt es wenigstens kaum eine wichtige Blattform in dem weiten Bereiche der Blüthenpflanzen, welche nicht von irgend einer Farrenkrautart nachgeahmt, oder richtiger, da sie entschieden älterer Abstammung als die Blüthenpflanzen sind, diesen vorgemacht wäre. Da aber bei den Farrenkräutern das Blatt, und zwar auf seiner Rückseite, in eigenthümlicher Weise die Früchte trägt, also nicht Blatt im Sinne der Blüthenpflanzen ist, so nennt es der Pflanzenkundige mit einer besonderen Benennung Wedel. Unsere Figur 14 zeigt uns (natürlich sehr verkleinert) den unterirdischen Stamm des in Deutschland gemeinen Wurmfarrens, Aspidium filix mas, mit einem doppelt gefiederten Wedel und zwei noch spiral zusammengerollten jungen Wedeln. Diese spirale Zusammenrollung des jungen Farrenwedels ist ein ausnahmsloses Entwickelungsgesetz der Farrenkräuter, welches uns aus der Abtheilung der Blüthenpflanzen vom Vergißmeinnicht bekannt ist, dessen Blüthenähren sich ebenfalls allmälig aufrollen. An Fig. f' sehen wir ein Stückchen des Wedels (an Fig. 14 ist es durch eine Lücke bezeichnet) und zwar von der unteren Seite. Die zu beiden Seiten der kleinen Mittelrippe der Wedelfiederchen stehenden kleinen Kreise deuten die sogenannten Fruchthäufchen an, deren eins, und zwar ein reifes, in Fig. h'' vergrößert dargestellt ist. Oben auf liegt das sogenannte Schleierchen, eine nierenförmige, im Mittelpunkte durch ein Stielchen befestigte Haut, unter welcher sich die kleinen Kapseln, gemeinsam aus einem Mittelpunkte entspringend, entwickelt haben. Eine solche Kapsel oder Sporangie (Fig. h.'''[WS 1]) ist eine kaum punktgroße, sehr zarthäutige gestielte Kugel, über deren Wölbung sich ein Ring dickwandiger


  1. Siehe Gartenlaube 1856. Nr. 2.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: k.'''
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1856). Ernst Keil, Leipzig 1856, Seite 372. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1856)_372.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)