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Die heißersehnte Antwort auf die Anfrage in England traf ein, aber wie früher schlug sie alle Hoffnungen und Erwartungen der Königin und ihres Anhanges nieder. Englands Herrscherhaus schien wirklich, wie der König von Preußen argwöhnte, mit der Regentenfamilie in Berlin ein böses Spiel zu treiben. Die Königin erklärte sich, um nur ihre Tochter vor der Vermählung mit dem Markgrafen von Schwedt oder dem Herzog von Weißenfels zu retten, auf den Rath des Marschalls von Bork bereit, den Erbprinzen von Bayreuth als Schwiegersohn anzunehmen. Der König fügte sich, aber er wollte seiner Tochter weder Mitgift, noch Hochzeitsfest, noch Aussteuer geben. Die arme Prinzessin wollte auf diese harten Bedingungen hin nicht auf die Verbindung eingehen, aber von ihrer Mutter und dem Kronprinzen, der des Spiels mit England und des Widerstrebens gegen den Willen seines Vaters überdrüssig war, sehr gedrängt, willigte sie endlich ein, indem sie gleichwie ihre Mutter hoffte, die Sache werde sich verschleppen.

Das üble Verhältniß zwischen dem Könige und dem Kronprinzen führte endlich zu der bekannten Katastrophe. Nach argen Mißhandlungen, in denen sogar sein Leben bedroht war, beschloß Friedrich mit Hülfe Keith’s und Katt’s zu fliehen. Durch Vermittelung des Kaplans der englischen Gesandtschaft hatte sich die Königin aufs Neue wegen der Verheirathung ihrer Kinder nach London gewandt und ihr Bruder schickte den Ritter Hotham als außerordentlichen Gesandten nach Berlin, um die Hand Wilhelminens für den Prinzen von Wales zu fordern. Allein Seckendorf’s und Grumbkow’s Bemühungen, dessen Entfernung der englische Hof verlangte, gelang es, die Werbung zu hintertreiben. Hotham, vom Könige beschimpft, that trotz allen Bemühungen ihn zu versöhnen keine Schritte weiter. In dieser Zeit trat die Familienkatastrophe ein, die so leicht Deutschlands größten Fürsten als Jüngling hinweggerafft hätte.

Die Königin und ihre Tochter waren jedenfalls mit in das Verderben des Kronprinzen verwickelt worden, wenn man ihre Briefe an ihn bei dem verhafteten Katt gefunden hätte, und es gelang in der That ihrer List, sich dieser wichtigen Papiere zu bemächtigen und somit jeden Beweis einer Mitschuld gegen den König zu vertilgen. Dieser kam wie ein gereizter Löwe zurück; zum Gruße streckte er die Prinzessin mit drei Faustschlägen nieder und wurde nur durch seine Gemahlin und die andern Kinder zurückgehalten, sie mit Füßen zu treten. Das schreckliche Jahr 1730 und das Frühjahr 1731 ging der Prinzessin in unbeschreiblichen Qualen und in steter Angst hin, dem Argwohn und der Erbitterung des leidenschaftlichen Vaters als Opfer zu fallen. Im Mai fand sich eine Gesandtschaft, bestehend aus den Herren v. Bork, Grumbkow, Podevils und Thulmeyer bei ihr ein, die ihr den Befehl des Königs mittheilte, den Erbprinzen von Bayreuth zu heirathen. Die arme Gequälte fügte sich; durch ihre Nachgiebigkeit entwaffnete sie zwar den Zorn des Vaters, lud aber den unversöhnlichen Groll der Mutter auf sich. Diese schrieb ihr auf die Meldung des gefaßten Entschlusses: „Du durchbohrst mir das Herz durch die Niederträchtigkeit, die Du begingst, indem Du dem Willen des Königs nachgabst. Ich erkenne Dich nicht mehr für meine Tochter, Du bist dessen unwürdig, und nie in meinem Leben verzeihe ich Dir den grausamen Verdruß, den Du mir machst. Hätte ich Dein böses Herz früher gekannt, so würde ich mir alle den Verdruß erspart haben, den ich um Deinetwillen litt.“ – Arme Königstochter!

Am 26. Mai 1731 langte zum Schrecken von Mutter und Tochter der Erbprinz von Bayreuth an und am folgenden Tage sah die letztere ihren künftigen Gemahl zuerst auf einer Revue, welche der König zu Ehren der Anwesenheit des Herzogs von Würtemberg veranstaltet hatte. Am 1. Juni wurde die Verlobung des jungen Paares gefeiert. Die Prinzessin fühlte weder Liebe noch Abneigung für ihn; ihr einziger Wunsch war, das väterliche Haus zu verlassen, in dem sie ihre Jugend vertrauert hatte, und welches ihr durch das lieblose Benehmen ihrer Mutter und Geschwister noch mehr verleidet wurde. Der Erbprinz von Bayreuth war ebenfalls übel daran. Von seiner Schwiegermutter wußte er sich als Eindringling und Störer ihrer Pläne gehaßt, von seiner Braut sah er sich mit Gleichgültigkeit behandelt, von seinem Schwiegervater verachtet, weil er dessen Passion für Wein und Soldaten nicht theilte. In der That steigerte sich der Widerwille des Königs gegen den Erbprinzen täglich; auf den Rath Seckendorf’s und Grumbkow’s forderte dieser endlich ein preußisches Regiment, um sich den Neigungen seines Schwiegervaters willfährig zu zeigen. Damit war freilich die sklavische Abhängigkeit des Prinzen vom Könige besiegelt, der ihn denn auch sofort bedeuten ließ, sich zu seinem Regimente nach einem pommerschen Landstädtchen zu begeben. Noch im letzten Augenblicke wurden jetzt vom englischen Hofe aus Verhandlungen wegen Vermählung der Prinzessin Wilhelmine mit dem Prinzen von Wales gepflogen, aber der König wies diese Anträge zurück, zur Freude seiner Tochter, welche ihren Verlobten lieb gewonnen, zum Aerger und Verdruß der Königin, welche die Prinzessin für neue Vereitelung ihrer Pläne büßen ließ. Einige Tage nach ihrer Vermählung in Berlin (im November) hatte die Prinzessin die große Freude, ihren Bruder Friedrich, der in Küstrin als Auskultator im Finanzdepartement gearbeitet hatte, auf einem Familienballe zu begrüßen. Sie wurde vor Gemüthsbewegung fast ohnmächtig und rührte den König durch den zärtlichen Dank, welchen sie ihm für dieses ihr gewährte Glück abstattete, zu Thränen. Nach mancherlei Verdrießlichkeiten, die ihren Grund in der stiefmütterlichen Behandlung und Ausstattung der Prinzessin hatten, reiste diese endlich mit ihrem Gemahle von Berlin im Januar 1732 in ihre neue Heimath Bayreuth ab. Am neunten Tage ihrer Reise betrat sie die erste Stadt des Markgrafenthums, Hof, und wurde hier von der Reichsritterschaft des Voigtlandes und der Geistlichkeit begrüßt. Die Schilderung dieses Empfanges, wie ihn die Fürstin in ihren Memoiren gibt, ist ein Meisterstück von scharfer Satyre; ebenso die Beschreibung ihres Einzugs in Bayreuth, der dabei mitspielenden Persönlichkeiten und der Lokalitäten, die sie aufnahmen.

Die Stellung der Erbprinzessin am Hofe wurde sehr bald eine unangenehme, freilich theilweise durch ihre eigne Schuld; sie paßte nicht in diese kleinen Verhältnisse. Sie selbst sagt über diesen Punkt: „Ich muß meine Schwäche nur bekennen; ich war in Berlin in Begriffen von Größe erzogen, bestimmt, vier Kronen zu tragen, die mir alle viere entgangen waren. Ich bildete mir ein, mein Vater könne allen Fürsten des Reiches Gesetze vorschreiben, und es sei für den Markgrafen eine so große Ehre, mich zur Schwiegertochter zu haben, daß er mir nicht Ehrfurcht und Achtung genug zu bezeigen im Stande sei.“ Der Markgraf, ihr Schwiegervater und ihre jüngere Schwägerin Wilhelmine bildeten bald genug mit dem Hofe Partei gegen sie und es fehlte nicht an Verdruß, Zänkerei, Verleumdungen und Zwischenträgereien. Das Verlöbniß des Kronprinzen Friedrich mit der Prinzessin von Bevern, von der die Königin an die Erbprinzessin von Bayreuth schreibt: „sie ist schön, aber dumm wie ein Bund Stroh und ohne die geringste Erziehung. Ich weiß nicht, wie sich Dein Bruder mit dem Dummbart vertragen wird“ – machte der Erbprinzessin zwiefachen Kummer. Einerseits bangte ihr für das Lebensglück des theuern Bruders, wenn er mit einem solchen Wesen verbunden wurde; andrerseits steigerte dieses Ereigniß Abneigung und Haß der Prinzessin Wilhelmine von Bayreuth, die sich mit der Hoffnung geschmeichelt hatte, Kronprinzessin von Preußen zu werden und ihre Schwägerin im Verdacht hatte, diese Verbindung hintertrieben zu haben. Finanzielle Verlegenheiten vermehrten noch die Unannehmlichkeiten der Erbprinzessin, deren einziges Glück der Umgang mit ihrem gutmüthigen Gemahle war, der seinerseits vom Markgrafen viel auszustehen hatte. Diesem war nämlich der Argwohn beigebracht worden, der Erbprinz beabsichtige ihn mit Beistand seines Schwiegervaters und der Reichsritterschaft zur Abdankung zu zwingen. Der kleinen und großen Quälereien müde, beschloß das junge Fürstenpaar endlich, nach Berlin zu reisen, allein der Gesundheitszustand der Erbprinzessin, welche ihrer Niederkunft nahe war, verhinderte die Ausführung des Planes.

Am 31. August 1732 genaß die Erbprinzessin einer Tochter, später Gemahlin des berühmten Herzogs Karl Eugen von Würtemberg. Nur wenige Wochen nach ihrer Niederkunft erfuhr die junge Gattin und Mutter den Schmerz der Trennung von ihrem Gemahle. Ein Brief des Königs, seines Schwiegervaters, befahl ihm, sich zu seinem Regimente zu begeben, ein zweiter lud bald darauf die Tochter ein, nach Berlin zu kommen. Sie hatte kein Geld zur Reise; ihr Schwiegervater verweigerte ihr auf eine impertinente Weise die nöthigen Mittel, und um nur wieder mit ihrem Gemahle vereinigt zu werden, machte sie ein Kapital von zweitausend Thalern flüssig, ein Geschenk ihres Bruders, das einzige Vermögen, das sie auf der Welt besaß. Ein Brief ihres

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