Seite:Die Gartenlaube (1856) 460.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1856)

kühlt sich die Luft ab, Nachtthau und mitunter ein Regen erquicken die Pflanzen, die von Neuem grünen, die Heerden werden munterer, der Uebermuth der Steppenwildheit erwacht wieder in ihnen, und bald tönt die Steppe wieder vom Hufschlag flüchtiger Roßheerden, vom Brüllen und Blöken der Rinder und Merinos, vom Kläffen der Hunde, vom langgezogenen eintönigen Zuruf der Hirten, mit welchen sie sich und die Heerde leiten, von Vogelgeschrei, Thierkämpfen und Jagdlärm der Kosaken.

Doch die Tage werden kürzer, die kalten Nächte länger, und das freie Steppenleben geht zur Neige. Langsam treibt der Roßhirt seine schwer zu bändigende Heerde nach der Dreschtenne oder dem Roßmarkt, der Rinder- und Schafhirt die seinige nach dem Schlachthause. Sieh, dort ist der Dreschplatz von Leinen, Pfählen und Planken eingefaßt, sein Boden mit tausend Garben bedeckt. Der Hirt hält die Heerde beisammen, die scheuen Thiere drängen und stoßen einander, steigen empor, kreischen und schlagen aufeinander. Aber alle Gegenwehr ist vergeblich, die Hälfte der Heerde muß in die Tenne. Wild stürzt sie hinein, daß die Garben hoch auffliegen und die ausgetretenen Körner knisternd umherfliegen. Dadurch werden die Thiere noch scheuer, springen in tollen Sätzen die Tenne auf und nieder, indem sie einen Ausweg suchen, bis sie von Schweiß triefend herausgelassen werden, und die andre Hälfte der Heerde die Arbeit des Austretens vollenden muß. Aehnlich ergeht es den Rossen auf dem Markte, in dessen Umzäunung sie sich drängen und tummeln, während der Hirt mit der Schlinge dieses und jenes fängt, es durch einen Ruck zu Boden wirft und dem Käufer überliefert, der es zähmt. Viel ernster wird der Herbstschluß für die fetten Rinder und Schafe. Sobald diese in die Nähe der weiten Schlachthöfe gekommen sind, aus denen ihnen der faule Blutgeruch entgegen weht, sträuben sie sich, wollen nicht weiter, brüllen und stöhnen, und können nur durch List und Gewalt abtheilungsweise in den Hof gebracht werden. Hier befällt sie Zagen und Zittern, sie verschmähen das dargebotene Futter, hängen den Kopf in banger Todesangst und müssen mit Gewalt in den großen Schlachtsaal getrieben werden, wo ihnen die rohen Schlachtknechte mit schwerer Axt das Rückgrath zerschmettern, daß die Thiere unter unsäglichen Schmerzen verenden. Bis an die Knöchel waden die Schlächter mit den Stulpstiefeln in Blut, auf dem Hofe sammeln sich Blutlachen, schleppen Hunde, Geier, Raben, Seemöven sich mit Eingeweiden und Fleischresten umher und raucht es in den Talgsiedereien Tag und Nacht.

Aehnliche Schrecknisse erlebt das Wild der Steppe, denn der Herbst bringt die Steppenbrände, die absichtlich und unabsichtlich angelegt werden. Meilenweit ist die Steppe ein Feuermeer, welches den nächtlichen Himmel röthet. Knisternd und fußhoch züngelnd schreitet der Brand vor, hier schnell über dichtes Gras laufend, dort langsamer am holzigen Gestrüpp zehrend oder von einer Schlucht oder einem Wege aufgehalten. Funken fliegen empor, dort knistert die dürre Königskerze wie eine Rakete, hier zischt der seine Büschel des Seidenkrautes, und ein schwüler Gluthauch weht von der Flamme herüber. Da fliehen Wolf und Hund, Vogel und Amphibie, da stürzen Heerden in wildem Jagen davon und müssen sich oft durch einen kühnen Lauf durch’s Feuer retten. Noch grauenhafter wird der Brand, wenn ein Schilfwald brennt und ein Feuerstrom knisternd und prasselnd das Thal herabzieht. Wie schwirren da die Vogelschaaren schreiend empor, kommen Wölfe aus dem Dickicht geschossen und stürzt mancher fliehende Pelikan oder Hänfling in das Feuer! Nach dem Brande erscheinen endlich die Winterstürme und fegen die Steppe rein. Sie brechen das dürre Schilf, knicken der Windhexe den Kopf ab und treiben ihn hupfend wie einen Federball über die Steppe, bis er in ganzen Wolken in’s Meer fällt. Bald sinkt auch Schnee nieder und deckt die Steppe zu, so daß sich die Heerden ihr karges Futter unter dem Schnee hervorscharren müssen. Jetzt treibt sie der Hirt in die Umzäunung des Winterschuppens, der nur zum kleinsten Theil bedeckt ist. Frierend und hungernd drängen sich die Thiere an einander, um sich zu erwärmen, doch manches erliegt dem Klima und dem Mangel. Auf der Steppe aber treiben die rasenden Schneestürme ihr wildes Spiel, welches Denen Verderben bringt, die von ihnen überfallen werden.

Bei heiterem Himmel bricht der Schneesturm heulend herein und ras’t gewöhnlich drei Tage. Er hebt den lockern Schnee vom Boden auf, wirbelt ihn durcheinander und sendet dann zugleich aus schweren Wolken ein furchtbares Schneewetter herab, daß Erde und Himmel in wirbelnde Schneewogen aufgelöst scheinen. Da kann man kein Auge öffnen, keine Richtung finden, sondern wird vom Sturm willenlos fortgetrieben. Werden Heerden von ihm auf der Steppe überfallen, so sind sie fast immer verloren. Die Pferde stürzen wild auseinander, rennen unaufhaltsam davon, bis sie in eine Schneeschlucht fallen oder athemlos niederstürzen. Die Schafe drängen sich zu einem Keile zusammen und fliehen vor dem Winde her, die Rinder werden unruhig und laufen weg. Da giebt es kein Halten, denn der Hirt selbst kann sich kaum aufrecht erhalten und muß dem Sturm folgen. Wenn nicht der Zufall ihn und die Heerde rettet, so wird er mit ihr bis in’n Meer oder ein Flußthal getrieben und, wenn er vorher ermattet, vom Schnee begraben. Wolf, Hund und Geier finden im Frühjahr in allen Schluchten daher reiche Beute; denn die Kirgisen verloren z. B. 1827 durch einen solchen Sturm 1 Mill. Schafe, 280,000 Pferde, 30,000 Rinder und 10,000 Kameele. Drei bis vier Monate beherrscht der Winter die Steppe; die Heerden magern ab und fressen einander oft die Haare ab; die schwachen Thiere erliegen, die Steppe ist unzugänglich, leblos wie ein Todtengewölbe und harrt des kommenden Frühjahrs. Diese Steppe ist aber auch der sicherste Schutz des Landes gegen das Eindringen der Feinde, die wegen Mangel und bei der Unwegsamkeit stets ihren Untergang finden müssen. Nur mit großen Verlusten kann ein Heer sie in Eilmärschen durchziehen, denn selbst die Handelsleute durchreisen sie nur in kleinen Gesellschaften und unter großen Entbehrungen und Mühseligkeiten.

Fr. Körner. 




Fabrikation der Anti-Phosphor-Reibzünder.

Um den vielen an mich ergangenen Anfragen über die Fabrikation der Anti-Phosphor-Reibzünder, über welche ich auf S. 378 in Nr. 28 der Gartenlaube einige Mittheilungen machte, zu genügen, theile ich hier das Resultat einiger Versuche mit, in der Hoffnung, denen, welche dieses empfehlenswerthe Zündmittel fabriziren wollen, damit wenigstens einige bestimmte Anhaltepunkte zu bieten. Zugleich halte ich eine Mittheilung über die Verhältnisse, unter welchen auch diese Hölzchen gefährlich werden können, nicht für überflüssig und empfehle dieselbe der Beachtung eines Jeden, der solche Hölzchen in Gebrauch nehmen will.

Es wird kaum nöthig sein zu bemerken, daß die einzelnen Hauptmanipulationen bei der Fabrikation der Anti-Phosphorhölzchen ganz dieselben wie bei der der gewöhnlichen Streichzündhölzchen sind; nur muß man für die Anti-Phosphorhölzchen zugleich eine besondere Streichmasse, deren Hauptbestandtheil amorpher Phosphor ist, herstellen und diese Masse, an der sich solche Hölzchen allein entzünden lassen, auf eine flache Unterlage von Papier, Holz oder Blech streichen, um auf diese Weise ein geeignetes Reibzeug zu erhalten.

Die auf den Maschinen zugeschnittenen Hölzchen werden an dem einen Ende zuerst mit einer dünnen Schicht einer leicht brennbaren Substanz überzogen, indem man sie entweder in geschmolzenen Schwefel eintaucht, oder wenn sie geruchlos brennen sollen, in geschmolzene Stearinsäure (die Masse der Stearinlichter), in geschmolzenes Wachs oder geschmolzenes Colophonium oder Mischungen der letzteren Substanzen. Um das Eintauchen bequem vornehmen zu können, bedient man sich einer sogenannten Klemme, d. h. man klemmt eine Quantität Hölzchen so zwischen dünne gefurchte Bretter ein, daß sie alle mit dem einen Ende gleich weit vorstehen. Nachdem dieser erste Ueberzug von Schwefel, Stearinsäure, Wachs oder Colophonium erkaltet ist, taucht man die Hölzchen auf gleiche Weise in die sogenannte Zündmasse ein, welche bei den Anti-Phosphorhölzchen keine Spur von Phosphor enthält, sondern nach folgendem ganz einfachem Verhältnisse bereitet werden kann. In einer Schale von Serpentin oder Porzellan zerreibt man erst 2

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1856). Ernst Keil, Leipzig 1856, Seite 460. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1856)_460.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)