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verschiedene: Die Gartenlaube (1856)

Sonntags ihre Sklavin auf 24 Stunden ohne jegliche Nahrung ein. Aber am folgenden Tage ging Lydia wieder zu ihrem Franz.

Ihre Herrin war geduldig und langmüthig. Sie ermahnte, warnte, drohete – aber Lydia schwieg zu Allem und ging täglich zu dem „brutalen Mulatten.“

Darf man sich darüber wundern, daß Johanna endlich die Geduld verlor? Wer sollte sie bei solchen „starrköpfigen“ Sklaven nicht verlieren? Es ist sonnenklar, daß Lydia, trotz des Verbotes, noch immer mit jenem Manne lebt, den sie liebt und dem sie dankbar ist, während ihre Herrin verlangt, daß sie mit einem andern lebe, einerlei mit wen, nur gerade nicht mit ihm. Das Maß ist voll. Johanna macht Gebrauch von ihrer gesetzlichen Befugniß.

Ein schrecklicher Zug naht dem Richthofe. Zwei Frauen sind es; die eine gefesselt und durch einen Polizisten geführt, die andere frei und ohne weitere Begleitung. Die eine, strahlend in Schönheit, aber zitternd vor Angst und das Auge vor Scham gesenkt, ist die unschuldige Lydia, die andere, aus deren Zügen wilde Wuth spricht, ihre Herrin Johanna, welche ganz „in ihrem Rechte“ ist. Man hat den Platz der Schmerzen erreicht. Lydia wird entkleidet; wohl versucht sie ihren wogenden Busen mit den Händen zu bedecken, aber diese werden durch rohe Henkersknechte weggerissen, fest zusammengebunden und bei den Händen wird sie am Marterpfahle emporgezogen. Ueber ihre Wangen fluthen die Thränen, flehend ruht ihr Blick auf ihrer Herrin – aber die Exekution geht vor sich. Und warum nicht? S’ist eben nichts mehr, als eine Frau, die von der ihr durch das niederländische Gesetz gegebenen Befugniß Gebrauch macht und niederländische Beamte, die dem Gesetz genügen.

Da klatscht der erste Peitschenhieb, der zweite – sofort gellt ein furchtbarer Schrei zum Himmel, das Blut strömt von zwei Frauenschenkeln herab – still, es ist schon vorüber. Das Gesetz verbietet, mehr als fünfzehn Hiebe zu geben und man sieht, mit dem fünfzehnten hört man auf.

Es ist kein Märchen, das wir erzählen, es ist eine Thatsache, die vor kaum drei Jahren in einer niederländischen Kolonie und unter dem Schutze einer europäischen, der holländische Regierung passirt ist.

Man darf Sklaven nicht mehr als fünfundzwanzig, Sklavinnen und Knaben zwischen sechszehn und vierzehn Jahren nicht mehr als fünfzehn, Mädchen desselben Alters nicht mehr als zehn Hiebe ertheilen lassen. Und doch gibt es Sklaven, die weit schwerer „gestraft“ zu werden verdienen, dennoch gibt es Sklavenbesitzer, die mit einer solchen „Kleinigkeit“ nicht zufrieden sind und für ihre Leibeigenen eine Züchtigung fordern, die weit schwerer trifft. Diesem billigen Wunsche kommt der holländische Gesetzgeber entgegen.

Der Eigenthümer, welcher glaubt, daß ein Sklave wegen Ungehorsam, Widerspenstigkeit oder anderer Fehler eine ernstere Strafe verdient, als er selbst befugt ist, ihm auf dem Richthofe aufzuerlegen, zeigt dies dem Generalprokurator an, der nach gehöriger Untersuchung der Sache den Sklaven auf dem erwähnten Platze schwerer darf züchtigen lassen.

Man sieht, das Drama, das beinahe täglich auf dem Richtplatze gespielt wird, hat mit dem, was wir erzählt, noch keineswegs die äußerste Grenze des Leidens, des Schmerzes und der Quälerei erreicht. Nicht selten werden „schwerere Strafen“ erkannt. Hier aber darf der Sklavenbesitzer nicht nach eignem Gutdünken handeln, hier ist die Vermittelung eines hochgestellten Beamten, des Generalprokurators nöthig und das ist wenigstens einige Bürgschaft. Aber man verliere dabei nicht aus den Augen, daß es hier der Herr ist, der um Bestrafung seines Sklaven nachsucht, daß es in Surinam allgemeine Regel ist, die Macht des Herrn dem Sklaven gegenüber überall geltend zu machen, daß vor Gericht das Zeugniß eines Leibeigenen wider seinen Herrn von gar keinem Gewicht ist, und daß, wenn Streit zwischen Herren und Sklaven entsteht, der letztere immer Worte gebraucht haben wird, denen eine mit seiner Unterthänigkeit streitige Deutung gegeben werden kann.

Worin besteht nun die „gehörige Untersuchung der Sache,“ welche das Gesetz vorschreibt? Wir müssen die Antwort schuldig bleiben und können nur zwei Einzelnheiten mittheilen: Erstens ist es eine der größten Seltenheiten, daß dem Sklaven dem Herrn gegenüber das Recht zugesprochen wird, und zweitens liegen Schriftstücke genug vor, die beweisen, daß lediglich einige Zeilen, eines Sklavenbesitzers ausreichen, dem Sklaven eine furchtbare Strafe zu verschaffen. Hier eins als Beispiel:

„Unterzeichneter ersucht den Herrn Generalprokurator freundlichst dem Sklaven N., Eigenthum von B., 50 Peitschenhiebe zuzählen zu lassen.

Paramaribo, den……………………… (Unterschrift).“

Darunter stand:

Fiat Bestrafung.

Der Generalprokurator der Kolonie Surinam.

(Unterschrift).“

Also weder über die Art des Vergehens, noch über die Motive, welche zur Ausführung der Strafe bestimmten, erfährt man etwas. Man wird jedoch auch solche Schriftstücke lesen können, welche die Missethat nennen. Wir sahen eins, welches 75 Peitschenhiebe für „Aufwiegelung der Sklaven“, eins, das 50 für „Brutalität“ verlangte. Häufig waren es zarte Frauenhände, die ohne Beben solche Billets geschrieben hatten.

Der „schwereren Strafen“ gibt es zweierlei, nämlich: Peitschenhiebe, aber in doppeltem oder dreifachem Maße und Geißelhiebe mit Tamarindenruthen.

Der Sklave oder die Sklavin wird an einen Pfahl gebracht, die Füße werden in eiserne Ringe geschlossen, der Mittelleib mit einem breiten Riemen festgeschnürt, und die Hände werden aufgezogen. Nun werden die Schläge mit den Tamarindenruthen verabreicht. Jeder Schlag bringt eine tiefe Wunde, das Blut spritzt umher, und nicht selten wird das Fleisch lappenweise aus dem Körper des Unglücklichen gerissen. Man kann sich kaum eine Vorstelluug davon machen, in welchem Zustande der Sklave in die Wohnung seines Herrn zurückkehrt. Wochenlang verursacht ihm das zerschlagene Gesäß die unerträglichsten Schmerzen. Der barmherzige Herr versucht dann, ihm die Wunden mit Essig, Salzwasser und andern beißenden Mitteln zu heilen. Man behauptet, daß dies durchaus nöthig sei, um den Tod oder den kalten Brand fern zu halten. Ja, es ist kaum glaublich, es gibt in Surinam Damen, die sich nicht scheuen, die zerrissenen Schenkel ihrer Sklaven zu untersuchen, um zu erforschen, ob die Tiefe der Wunde auch zum bezahlten Gulden im Verhältniß stehe, Damen, die die blutigen Glieder mit spanischem Pfeffer einreiben.

Der Ekel ergreift einem beim Anblick dieses Richthofes, aber wir müssen bitten, uns einen kurzen Augenblick noch zu folgen. Wenn wir auch das Gefühl durch die Schilderung der verschiedenen übrigen Marterwerkzeuge nicht noch mehr beleidigen wollen, so können wir Ihnen doch den Anblick dieser Peitschen nicht ersparen. Das sind nicht gewöhnliche Peitschen, von Hanf geflochten; einige sind von Rindshautstreifen, andere aus der Haut des Flußpferdes verfertigt. Aber diese Peitschen hier sind von Bromus ananas geflochten, und sind sehr stark und hart.

Wir frugen unsern Führer, woher die sonderbare Farbe dieser Peitschen rühre.

„Blut, meine Herren, Blut!“ lautete die Antwort. „Der erste Schlag mit dieser Peitsche gibt eine Wunde, als wenn sie mit einem Messer geschnitten wäre. Sehen Sie hier!“ und er zeigte uns eine andere Peitsche, die schwarz war vom getrockneten und geronnenen Blut.

Die weiteren Mittheilungen des Führers, eines Polizeibeamten, waren haarsträubender Art: „Es werden fast eben so viel Weiber als Männer zur Bestrafung gebracht,“ erzählte er, „Mädchen von vierzehn Jahren sowohl wie Erwachsene. Oft sind ihre Schenkel so weiß, daß man sie von denen eines Europäers kaum unterscheiden kann.“

„Also werden die Frauen auch immer nackt bestraft?“

„Gewiß, sonst würden die Schläge nicht ihre gehörige Wirkung thun. Oft haben wir schöne Mädchen, so weiß wie Sie, an den Pfählen hängen.“

Wir ertrugen es nicht länger. Mit Abscheu und Beben wandten wir uns ab, und wollten uns entfernen.

„Nein, meine Herren, wollen Sie nicht noch die Strafregister ansehen?“

Auf unsre bejahende Antwort wurden uns drei gezeigt. Eins derselben ist zum Aufzeichnen der körperlichen Strafen bestimmt. Die Einrichtung ist sehr einfach. Eine laufende Nummer, der Name des Eigenthümers, der Name des Sklaven oder der Sklavin,

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verschiedene: Die Gartenlaube (1856). Ernst Keil, Leipzig 1856, Seite 540. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1856)_540.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)