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verschiedene: Die Gartenlaube (1856)

Länge des Schiffen 183 Schritt; Breite 35. Passagiere 267.

8. Aug. 1854. Auf das Schiff, das früh um 7 Uhr bestiegen werden soll, können wir erst Abends, um 8 Uhr. 3 Matrosen sind betrunken; es kommt fast zur Schlägerei; der Steuermann handhabt bereits die Handspeichen. – Abends Thee, Butter und Brot.

9. Aug. Das erste Mal auf dem Schiffe geschlafen; im Hotel gefrühstückt. Unterdessen haben sich wieder 4 Matrosen betrunken, die allerlei Rohheiten begehen, bis der Steuermann sie mit Tauenden blutig behandelt. Abends erscheint ein Polizeibeamter, um nach einem Diebe zu suchen. – Fasttag, da das Schiff noch nicht zum Kochen eingerichtet ist. Abends Thee ohne Brot.

10. Aug. Früh um 2 Uhr erscheint ein Polizeibeamter mit mehreren Gensd’armen, um nochmals nach dem Diebe zu suchen, der gefunden wird und den einige Matrosen frei mit nach Amerika bringen wollten. – Mittags Reis und Fleisch, doch nicht zum Sattwerden; Abends Thee.

11. Aug. Wir liegen noch immer auf der Rhede. Ein Kind erkrankt. – Früh Kaffee; Mittags weiße Bohnen; Abends Thee.

12. Aug. Früh um 2 Uhr kommt der Kapitain an Bord; um 5 Uhr wird der Anker gelichtet. Günstiger Wind. Gegen 10 Uhr auf der Höhe von Wangeroog. Der Lootse verläßt uns. Gegen Abend erscheint Helgoland. Die Passagiere sind meist ausgelassen lustig, aber sehr bald stellen sich die ersten Zeichen der Seekrankheit ein, die zu vielen komischen Auftritten Veranlassung geben. Nur 12 sind nicht seekrank; die übrigen liegen in ihren Kojen und erleichtern den Magen. Entsetzlicher Geruch. Der Wind frisch; das Schiff schaukelt bedeutend. An Essen wird nicht gedacht.

13. Aug. Syrup in den Kaffee, um die Magenerleichterung zu befördern, wird aber allgemein über Bord gegossen. Die Meisten noch seekrank. – Mittag Plumpudding, d. h. Mehl mit Wasser und Fleischbrühe in einem Sack von Segeltuch gekocht. Guten Appetit!

14. Aug. Dichter Nebel; rauhe Luft. Frauen und Mädchen immer noch seekrank; die Männer lustig. Gegen Abend zeigt sich sehr undeutlich England. – Mittags Reis und Rindfleisch. Das schwarze Brot mag Niemand mehr essen. Zum schlechten Wasser Essig.

15. Aug. Windstille; die Zeit fängt an lang zu werden; das Meer fast ganz ruhig. Ein Haifisch unterhält uns, der um das Schiff herum schwimmt. Die Seekrankheit schwindet mehr und mehr. – Weiße Bohnen und Schweinefleisch. – Abends spät zwei Schiffe in Sicht.

16. Aug. Die Schiffe sind verschwunden. Der Hai stellt sich wieder ein. Windstille; das Schiff steht; die Segel hängen schlaff herab. Seemöven zeigen sich und Seegewächse mit gelben Blumen. Gegen Abend England deutlich sichtbar, darum Tanz auf dem Deck. – Sauerkraut und Speck.

17. Aug. In der Nacht Wind; Angesichts des Landes holen wir ein Schiff ein. Nachmittag steht das Schiff fast still, so daß wir das Land mit Muße besehen können. Ich versuche Seegewächse und Weichthiere zu fangen. Abends Tanz. – Große Graupen und Schweinefleisch.

18. Aug. Es regnet was vom Himmel herunter will; das Wasser dringt in das Zwischendeck. Das kranke Kind stirbt und wird in das Meer gesenkt. Nachmittag erscheint ein Boot und fragt nach dem Namen des Schiffes und Kapitains, angeblich für den Fall, daß das Schiff im Kanale verunglücke. – Erbsen wie Flintenkugeln; zu dem schlechten Wasser Zucker.

19. Aug. Feuersgefahr, da durch die Unachtsamkeit des Zwischendeckkochs glühende Kohlen auf das Deck gefallen waren und dies zu brennen anfing. Einfahrt in den irischen Kanal, so daß wir, allerdings bei großer Kälte, rechts und links die Küste mustern können, die sehr unwirthlich aussieht und nur hier und da Häuser oder bebautes Land, dagegen viele Heerden und – Klippen zeigt. Gegen 50 Blackfische, fast so groß und dick wie Esel, ziehen weiter. Mittag Windstille, nach vier Stunden Sturm, daß alle Segel eingezogen werden müssen. Die Seekrankheit stellt sich wieder ein. Eine kleine Revolte. Ein junger Mann machte sich an ein Mädchen, sehr grob, das sich bei dem Kapitain beschwert. Der Zudringliche wird gebunden und in die Kajüte gesteckt; seine Freunde wollen ihn befreien; der Kapitain tritt mit zwei Pistolen hinzu und droht, jeden niederzuschießen, der nicht Ruhe halte. Das hilft. Die Andern bringen dem Kapitain ein Hurrah. Spritzwellen springen herüber und hinüber und geben unverlangt Bäder. – Reis und Rindfleisch.

20. Aug. Heftiger Wind und Regen. Seit dem letzten Abend sind wir im großen Oceane. – Erbsen und Speck.

21. Aug. Niemand hat geschlafen wegen Sturmes; die Kisten schlagen sich los und rollen im Zwischendecke umher, die Leute in den Kojen übereinander, wenn sie sich nicht festbinden. Das Meer donnert; die Wogen steigen haushoch. Die Seekrankheit wird wieder stark. Unterdeß wird eine Frau entbunden. Der Kartoffelvorrath schwimmt in seiner eignen Fäulniß und der Kapitain erlaubt deshalb Jedem so viel Kartoffeln zu nehmen, als er will und sie zu kochen. – Reis und Rindfleisch.

22. Aug. Das Schiff fliegt durch das Wasser, als habe es Flügel. Man erwartet Sturm.. Allgemeine Kartoffelkocherei. Niemand mag mehr Salzfleisch.

23. Aug. Sturm, so daß man sich auf dem Deck nur kriechend fortbewegen kann. Alles rollt und stürzt über einander, auch das Angebundene wird losgerissen. Zu Essen nichts, da nicht gekocht werden kann, denn das Schiff wird so stark herüber und hinüber geworfen, daß nichts in den Kesseln bleibt.

24. Aug. Der Sturm legt sich; es regnet stark; der Wind ist günstig. – Weiße Bohnen und Rindfleisch.

25. Aug. Die Leute essen übermäßig Kartoffeln. Das Wasser (zum Trinken) wird grün und flockig, darum Essig dazu.

26. Aug. Langeweile, da sich Alles gleich bleibt. Die Leute wollen kein Rindfleisch mehr und werfen es über Bord, wie das schwarze Brot.

27. Aug. In Folge des Kartoffelessens Anfälle von Cholera. Eine gewaltige Welle schlägt in’s Zwischendeck. Heftiger Wind. Auf dem Deck steht das Wasser knietief. – Sauerkraut und Rindfleisch.

28. Aug. Noch immer starker Wind. Auf dem Deck bricht ein Mann das Bein, das ein mitfahrender Barbier wohl oder übel zusammenflickt. Der Arme muß nun mit den Schmerzen sich in der Koje herumwerfen lassen. Zank zwischen einem Liebespaare, in den sich Viele mischen. – Reis ohne Fleisch.

29. Aug. Der Wind legt sich etwas. Ein junges Mädchen wird endlich krank aus Angst vor dem Meere. Ein Matrose stürzt von der obersten Raa in’s Meer und wird mit Mühe gerettet, da das Meer hoch geht. – Weiße Bohnen und Rindfleisch, doch nicht für Alle, da ein Kessel beim Schaukeln umgeschlagen ist.

30. Aug. Der Wind noch immer stark; es ist so kalt, daß man Schnee erwartet, weil wir sehr weit nach Norden getrieben sind. Wir können nur mit drei Segeln (statt 30) fahren. Die Wellen bäumen sich vor dem Schiffe auf, daß wir nur langsam weiter kommen. – Das junge Mädchen stirbt und wird gegen Abend in’s Meer gesenkt. Eine blaue Flagge mit weißen Sternen war ihr Leichentuch. – Reis und Rindfleisch.

31. Aug. Langeweile. Ich zeichne den Steuermann. – Erbsen und Schweinefleisch.

1. Sept. Eine stürmische unruhige Nacht. Das Meer sieht aus, als kämen auf ihm unendliche Reihen von Bergen gezogen. Es macht sich ein Gefühl bemerklich, das ich eine Art von Heimweh, d. h. Sehnsucht nach dem festen Lande nennen möchte. – Graupen und Rindfleisch; die erstem angebrannt.

2. Sept. Windstille; das Schiff rührt sich kaum von der Stelle. Ueberall lange, verdrießliche Gesichter. – Sauerkraut.

3. Sept. Große Wäsche. So gelind, daß man es eine Stunde auf dem Deck aushalten kann. – Reis und Speck. – Pflaumen und Speck ausgetheilt.

4. Sept. Günstiger Wind; das Schiff schießt pfeilgeschwind dahin und so ruhig, daß es kaum wankt. Früh Nebel; später viele fliegende Fische. – Weiße Bohnen und Rindfleisch.

5. Sept. Der Wind springt fortwährend um, endlich hört er ganz auf. Ein Nordkaper, etwa 30 Fuß lang, unterhält uns. Das Schiff steht. – Erbsen und Schweinefleisch.

6. Sept. Das Schiff steht noch immer; es regnet stark, ist aber bedeutend wärmer geworden. Mit großem Jubel wird ein Dampfschiff begrüßt, das nach Liverpool segelt. Schon der Gedanke, daß in der Nähe menschliche Wesen sind außer uns,

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verschiedene: Die Gartenlaube (1856). Ernst Keil, Leipzig 1856, Seite 571. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1856)_571.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)