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verschiedene: Die Gartenlaube (1856)


Victor Emanuel, König von Sardinien.




Der General besah uns einige Augenblicke prüfend, kommandirte dann: „Gewehr ab!“ und wandte sich an den Major: „Sind das die beiden Leute, welche gestern Abend die Postenkette überschritten haben?“

„Zu Befehl, Herr General,“ näselte der Alte boshaft. „Ich traf Beide, als sie eben …“

„Schon gut, ich kenne den Hergang der Sache und weiß auch die Veranlassung. Ich wünsche, Herr Major, daß diese Leute diesmal mit der gehabten Strafe wegkommen und daß ihnen das Geschehene auf keine Weise nachgetragen wird. Von Euch,“ wandte er sich zu uns, „hoffe ich, daß dergleichen nicht wieder vorfällt; das nächste Mal tritt die ganze Strenge des Gesetzes ein. Verstanden? Eintreten! Gewehr auf! Kehrt!“

In meiner ganzen Militaircarriere habe ich kein besseres „Kehrt“ gemacht, als damals. Kaum einige Schritte vom General entfernt, fing auch Sommer schon wieder an zu jubeln. „Haben’s bemerkt, wie sich der Alte auf der Hippel ärgerte,“ flüsterte er leise, ohne den Kopf auch nur um einen halben Zoll zu wenden. „Dem ist eine große Freude in’s Wasser gefallen! Prächtiger Kerl, der General! ’s war mir halt ein wenig bange – aber Glück, wie gesagt, Glück muß der Soldat haben, sonst hört Alles auf.“

Andern Tages, – es war eine Ruhetag – als wir Beide, Sommer und ich, bei einer leidlichen Flasche Wein in der Schenke des Dorfes saßen, erfuhr ich endlich die Ursache unserer schnellen Befreiung. Der Offizier der Feldwache, derselbe, der dem alten Sommer die Erlaubniß zum Austreten gegeben hatte, war der Sohn des Brigadegenerals und das einzige Kind des wackern Herrn, mithin sein Augapfel. Dem neugebackenen Lieutenant war die Affaire mit dem Arrest sehr fatal, er fürchtete nicht mit Unrecht, wegen der gegebenen Erlaubniß zum Austreten einen derben Verweis vom Major oder Oberst und hielt es für das Gerathenste, der Sache zuvorzukommen, ehe sie zum Ausbruch kam. Er berichtete, noch in derselben Nacht, sobald er abgelöst war, seinem Vater die ganze Geschichte und bat diesen, den Befehl zu unserer Befreiung zu erlassen, und die Sache möglicher Weise rasch zu unterdrücken. Der Papa war anfangs etwas aufgebracht über das dienstwidrige Benehmen seines Söhnchens und gar nicht Willens, den Bitten des Herrn Lieutenants zu willfahren, einige gut angebrachte Schmeichelworte besänftigten indeß den alten Haudegen bald wieder und machten ihn zu Allem bereit.

„’S war eine verfluchte Geschichte, das,“ schloß Sommer seine Erzählung, „der Alte auf der Hippel hatte uns halt eine hübsche Suppe eingebrockt und wenn der Herr Lieutenant nicht der Sohn eines solchen Vaters waren, säßen wir jetzt, statt beim Weine, hinter einer alten Spritze und schluckten Wasser, wie die Fische. Aber merken Sie sich meine Rede: Glück muß der Soldat haben, Glück und eine kleine Portion Leichtsinn, sonst hört Alles auf!“



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verschiedene: Die Gartenlaube (1856). Ernst Keil, Leipzig 1856, Seite 593. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1856)_593.jpg&oldid=- (Version vom 21.8.2021)