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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)


Große purpurne Passionsblumen, schon von ferne leuchtend, schmückten die grünen Wände, welche ihre biegsamen Ranken zwischen den Stämmen gewoben hatten. Die Orchideen schwangen sich durch das dunkele Laub und rankten sich empor zu den im Winde sich wiegenden Palmen, von einer zur andern sich schlingend und ihre Blüthenbüschel wie Quasten herunterhängen lassend. Hohe Bäume, über und über bedeckt mit großen rothen oder weißen Blüthen, welche zu zehn und mehr straußartig beieinander stehend nur hier und da das frische Grün durchblicken ließen, bildeten den herrlichsten Kontrast mit den unter der Last ihrer Früchte sich beugenden Orangenbäumen. Die großen gelben Blüthen einer Art Baumwollenstaude glänzten schon von Ferne wie Gold. Ananas würzten die Luft mit dem köstlichsten Aroma und luden mit ihren saftigen Früchten zum kühlenden Mahle. Ueppige Farrnkräuter bedeckten den Boden, dem Auge die zierlichsten Blattformen darbietend und in ihrem frischen Grün die goldenen Orangen verbergend. Buntgefleckte Eidechsen schlüpften hin und her, Leguane von drei Fuß Länge guckten uns neugierig an und verschwanden rasch im dichten Laube. Schmetterlinge von den prächtigsten Farben, der große Atlas, der herrliche blaue Achilles, flogen von Blüthe zu Blüthe, ihnen durch die eigne Schönheit noch höheren Reiz verleihend.

An lichten, blumenreichen Stellen erkannte man an den unerkenntlichen hin- und herschwirrenden Punkten, welche die Blüthen umgaben, daß Kolibri’s ihr Spiel trieben, während die andern größern Vögel, als Beutelmeisen u. s. w. ganz furchtlos in der Nähe blieben, oder in ihre so eigenthümlich gebauten und aufgehangenen Nester schlüpften. Richtete man, durch ein kreischendes Geschrei aufmerksam gemacht, das Auge aufwärts, so erblickte man die bunten Gefieder der Papageien, welche mit schwerem Flügelschlage dahinflogen. Es war in der That entzückend schön in diesem Walde, und beneidenswerth erschien das Loos der Bewohner der Hütten, daß sie diese Fülle von Schönheit täglich genießen und bewundern können. Mißtrauisch betrachteten sie die Eindringlinge; doch unsre Revolver flößten Respekt ein und ungehindert ließen sie uns ihr Gebiet durchstreifen.

Obgleich nun schon drei Versuche mißglückt waren, beschlossen wir doch noch, einen vierten zu wagen. Rasch ging es vorwärts zum schon früher erreichten Orte. Hier nahmen wir die Richtung nach dem Gipfel, und muthig drangen wir in das Dickicht. Schwer war es allerdings, sich den Weg zu bahnen durch das dichte Gewebe der Schlingpflanzen, aber unverdrossen schritten wir weiter. Plötzlich versank vor unsern Augen der Vorangehende, und der Letzte der Reihe sah Einen nach dem Andern verschwinden, bis er selbst nachfolgte. Wir sanken ungefähr sieben Fuß tief hinab, nicht wenig erstaunt über diese neue Art theatralischer Versenkungen. Wir befanden uns vollkommen im Dunklen, doch, wie wir erkennen konnten, auf festem Erdboden. Wie groß war unsere Verwunderung, als wir fanden, daß, anstatt auf der Erde zu gehen, wir ganz ahnungslos auf dem Geflechte der Schlingpflanzen hingegangen waren, welches so dicht sich verwoben hatte, daß es uns wie fester Boden, nur durch die Bedeckung von Moos und Blättern elastisch geworden, dünkte, die aber an einer weniger dichten Stelle unter unserer Last durchgebrochen war. Jetzt allerdings war guter Rath theuer. Wir hatten unsere Richtung verloren, und wußten auch nicht, wie wir in dieser Dunkelheit gehen sollten. Auf die Schlingpflanzendecke konnten wir nicht mehr, und wohl oder übel mußten wir im Dunkeln uns fortzuhelfen suchen. Mit den Händen gegen die Zweige kämpfend, welche wie Schlangen sich um Gesicht und Körper wanden, arbeiteten wir uns unter unausgesetztem militärischen Abzählen, damit sich Keiner verliere, vorwärts. Unsere Lage war nicht sehr beneidenswerth. Hatten wir nicht bald das Glück, eine Lichtung zu finden, oder wenigstens aus diesem Pflanzennetze herauszukommen, so konnten wir leicht eine höchst unangenehme Nacht verbringen müssen. Doch nach ungefähr zweistündiger Arbeit gelangten wir aus diesem Gewirre in den freien Wald, allerdings mit Hinterlassung manches Stückchens Haut und Tuch.

Um die Richtung entweder nach vorwärts oder rückwärts wo möglich wiederzufinden, mußte Einer von uns auf eine Palme klettern, von welcher aus sich eine freie Aussicht erwarten ließ. Dieses mühevolle Unternehmen wurde mit dem besten Erfolge gekrönt, denn nach Aussage des kühnen Kletterers hatten wir nur wenige Schritte zu thun, um eine Lichtung zu erreichen, von welcher aus sich ein Pfad zum ersehnten Gipfel wand. Mit erneuerten Kräften ging es nun vorwärts, und bald waren wir am Ziele unserer Wanderung. Wäre unsre Mühe doppelt und dreifach größer gewesen, die Aussicht hätte sie uns überreich vergolten.

Hinter uns lag die dicht bewaldete Hügelkette, durchschnitten von tiefen Thälern und dunklen Schluchten, aus denen der Fluß, nur an wenig Stellen hervortretend, wie ein Silberblick glänzte. Links zog sich die Straße nach Panama hin, das zu unsern Füßen lag; und vor uns breitete sich das unendliche Meer aus mit seinen grünen Inseln und den es durch furchenden Schiffen. Lange verweilten wir, uns an diesem herrlichen Bilde ergötzend, bis uns die einbrechende Dunkelheit zum eiligen Rückzuge nöthigte; denn die Nacht tritt in den Tropengegenden fast ohne die den Uebergang von Tag vermittelnde Dämmerung ein. Da wir jetzt den Pfad verfolgen konnten, ging unsere Rückkehr schnell von Statten, wenn auch der mitunter sehr steile Weg uns nur mit größter Vorsicht schreiten ließ. Wohlbehalten langten wir in Panama an, aber zu aufgeregt, um Schlaf finden zu können, beschlossen wir, die schöne Nacht auf dem Walle zu genießen, da der Himmel uns ein prächtiges Schauspiel zu versprechen schien. Schwarze Wolken stiegen vom Horizonte wie aus dem Meere empor, wälzten und drängten sich in wirrem Kampfe, eine die andere überstürzend oder vor sich hertreibend. EInem Feuerregen gleich durchzuckten Blitze die Nacht, mit ihrem Scheine die dunklen Massen erleuchtend, denen die Phantasie unwillkürlich besondere Gestaltung verlieh. ALs ob die Wassermassen der Wolken und des Meeres gegen einander in Kampf entbrannt wären, schickten sie die feurigen Zungen nach allen Richtungen gegen einander. Leider dauerte diese nächtliche Scene nur kurze Zeit; der schöne sanfte Himmel der Tropen hüllte Alles wieder in Ruhe und Frieden.

Die nach dem Gewitter eintretende Kühle lockte Viele zu einem Spaziergange, und auch uns verleitete die herrliche Nacht, erst gegen Morgen das Lager zu suchen. Wir konnten dies um so eher thun, als der kommende Tag der letzte war, den wir in Panama zuzubringen hatten. Unser Steamer war bereits angekommen, und in zwei Tagen sollte die Fortsetzung unserer Reise stattfinden. WIr suchten daher die in der Nacht verschmähte Ruhe am Tage, beschließend, nach Einbruch der Nacht (es war Sonnabends) in das Indianerdorf zu gehen, um daselbst die eigenthümlichen Vergnügungen des jungen Volkes mit anzusehen.

Als wir anlangten, hatte der Tanz bereits begonnen. Der Tanzplatz war so schön, wie ihn nur die Natur zu schaffen vermag. Auf einem freien Platze, umgeben von lind rauschenden Palmen, bestrahlt vom sanften und doch so hellen Mondeslichte, bewegten sich in größter Lebhaftigkeit die dunkeln Gestalten. Auf der Erde saßen drei alte Neger mit langem weißen Bart- und Haupthaar (allerdings ein etwas komischer Anblick), deren jeder zwischen den Knieen einen ausgehöhlten und mit einem Fell überzogenen Klotz hielt, jedoch alle drei von verschiedener Länge. Das Fell schlugen sie auf eine höchst eigenthümliche Weise mit den Ballen der Hand oder strichen mit den Fingerspitzen darüber hin. Ein Vierter schlug auf einem ebenfalls ausgehöhlten und überzogenen Klotz, der als Pauke diente, den Takt. Die dadurch hervorgebrachte Musik war zwar sehr charakteristisch, aber weniger angenehm für unser Ohr. Dazu sangen die Umstehenden und klatschten taktmäßig in die Hände, während in ihrem Kreise eine Indianerin und ein Indianer tanzten. Der Tanz war eine Unterhaltung mit Fragen und Antworten, durch wirklich gar nicht ungraziöse Bewegungen ausgedrückt, wenn auch nicht ganz unsern europäischen Ansichten von Tanz entsprechend. Das Ganze machte einen höchst eigenthümlichen Eindruck. Diese dunklen Gestalten in den phantastischen Bewegungen, der monotone Gesang, nur von Zeit zu Zeit durch schrillende AUsbrücke gehoben, das Rauschen der Palmen, der entzückend blaue Himmel – Alles dies versetzte in das magische, geheimnißvolle Treiben der Zigeuner.

Bei dieser Gelegenheit konnten wir uns genauer mit den Eigenthümlichkeiten der Eingebornen bekannt machen. Die Tracht der jungen Indianerinnen ist fast ganz europäisch, die Kleider sehr reich mit Falbeln und Fransen besetzt. Ein langer Shawl, den sie mit ganz besonderer Geschicklichkeit umzuwerfen verstehen, hebt ihre hohe schlanke Gestalt sehr vortheilhaft hervor. Ihre langen schwarzen Haare flechten sie entweder in breite Zöpfe, die von der halben Länge an in Locken sich auflösen, oder sie schlingen dieselben für gewöhnlich um den Kopf. Den auffallendsten Haarputz hatten

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verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 118. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_118.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)