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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

dieser Eier. Keins hatte dieselbe Farbe, keins war gleich wie ein Ei dem andern. Die meisten spielten in Grün mit schwarzen Flecken oder Streifen, noch andere wechselten mit Grün und Braun. Begierig, mir einige dieser prächtigen Curiositäten anzueignen, schrie ich hinauf, man möge mich rechts nach der Stelle hinziehen. Ehe sie sich dazu verstanden, schrien sie warnend herunter, ich müsse mich in Acht nehmen und nicht aufwärts blicken, damit nachbröckelnde Felsenstücke mir auf die dick wattirte, blos bei diesen Gelegenheiten getragene Mütze, und nicht in’s Gesicht fielen. Einem seien auf diese Weise schon einmal mehrere Vorderzähne eingeschlagen worden, ein Anderer sei von einem solchen Schlage betäubt worden, in der Besinnungslosigkeit umgekippt, und so aus seiner hanfenen Trage in das Meer hinabgestürzt. Das durchrieselte mich schauerlich, so daß ich, vor den schmalen Abhang hingeschwungen, in gerader Linie hinunter in das aufschäumende Meer blickend, nur eben noch Zeit hatte, einen einzigen Ruck zu thun. Wie ich hinauf kam, weiß ich nicht. Ich besinne mich nur noch, daß ich zitternd vor die Füße meiner drei Climbers hinfiel und sie jämmerlich ansah, wie sie mich auslachten und zugleich gutmüthig bemitleideten.

Doch bald hatte ich wieder Nerven genug, um noch dem schwarzen Seeraben einen Besuch abzustatten. Es fanden sich Nester desselben in einer von oben auf gewöhnlichem Wege zugänglichen Kluft, sehr sorgfältig und solid von Reisig, Halmen und Wolle gebaut mit Eiern darin, die wie unregelmäßige Kalkstücke aussahen. Unter der rauhen Kalkkruste, die ich mit dem Federmesser abschabte, enthüllte sich erst das schöne, maigrüne Ei. Die Rabenmütter, die uns drohend umschwebten, sind glänzend schwarz mit glänzend grünen Streifen am Gefieder. Doch konnte ich keinen in der Nähe sehen. Ich bewunderte nur ihr fabelhaftes Tauchertalent unten. Sie schossen in’s Meer hinein und blieben oft mehrere Minuten lang verborgen, nicht eher, als mit einem gefangenen Fisch wieder hervorschießend, und scheinbar trocken aufschwebend. In der Kluft ihrer Nester roch es, wie in einer Guano-Niederlage, was ich nicht lange aushielt, so daß ich oben wieder brausende, scharfe Felsenluft von Holland, vom alten lieben Deutschland her genoß, während die drei Climbers ihr Geschäft fortsetzten, bis sie nach ihrer Berechnung Jeder „drei Schillinge gemacht“ hatten. Mein Profit war der größte: die Erinnerung daran ist mir ein seltsamer, fabelhafter, kostbarer Schatz, den die größten Capitalien und Banquiers nicht aufbringen können.




Louvre und Tuilerien.

Heute beschloß ich, in Gesellschaft einiger Freunde dem alten Louvre und den Tuilerien einen Besuch abzustatten, und zugleich die neuen Bauten des Kaisers in Augenschein zu nehmen.

Mirabeau   Maria Antoinette
  nach einer Handzeichnung von David.   nach einer Handzeichnung von de Ville, Hofmaler Ludwig XVI.

Nichts ist bequemer, als die Geschichte Frankreichs an seinen Monumenten zu studiren; jede Regierung hat sich bemüht, ihre Spuren wenigstens in Erz und Marmor zurückzulassen, und Napoleon der Dritte beeilt sich, es seinen Vorgängern wo möglich noch zuvor zu thun. Man baut mit rasender Schnelligkeit in Paris, weil man nie weiß, was der morgige Tag bringen kann. Der Kaiser hat ein wahres Riesenwerk, die Vereinigung des Louvre mit den Tuilerien, geschaffen. Weder die dazwischen liegenden Straßen noch Häuser hielten ihn auf, ebenso wenig ließ er sich von den ungeheuren Kosten und Hindernissen zurücksckrecken; er hat sie beseitigt, wie er die Presse, die Wahlfreiheit und die Republik beseitigt hat. Schon Heinrich der Vierte, der beste aller Könige, hatte denselben Plan; durch Ravaillac’s Mörderhand wurde die Ausführung vereitelt. Keiner seiner Nachfolger nahm denselben auf, bis der jetzige Napoleon diese Vereinigung durch sein Machtgebot zu Stande brachte. Jetzt reichen sich die Riesenpaläste die Arme; ihre Arcaden und Gallerien schmiegen sich aneinander und verschmelzen ihre Marmorglieder. Der Place du Carousel, auf dem wir standen, bietet mit dem Arc de Triomphe und den ungeheueren Façaden der beiden Königshäuser einen Anblick, der sich kaum in Worten wiedergeben läßt. Die großartigsten architektonischen Verhältnisse, eine Fülle von Säulen, Pavillons, Arcaden und Gruppen, welche das Auge kaum zu überwältigen vermag und das Alles beleuchtet vom hellsten Sonnenschein!

Wer vermag sich diesem Zauber zu entziehen? Besonders aber zieht der alte Louvre uns durch seine historische Bedeutsamkeit an. Hier in diesen prächtigen Sälen, welche Franz

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verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 305. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_305.jpg&oldid=- (Version vom 11.9.2022)