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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

Eine türkische Christin in Silistria.


neugebornes Kind vom 13. bis 27. Februar unbemerkt – denn keine Person ihres Hauses und Umganges in Gera hat nur eine Spur oder Vermutung hiervon gehabt – in ihrem kleinen Miethlogis zu verbergen; daß ferner die 60jährige Mutter K. schwerlich in den Abend- und Nachtstunden des 27. Februar bei Schneegestöber einen Weg von zwei Stunden von Gera nach Ronneburg und zurück zu Fuße habe machen können; daß ein vierzehntägiges, noch so gut verpacktes Kind, bei solchem Wetter und solcher Kälte kaum einen zweistündigen Transport durch eine Fußgängerin aushalten kann; und daß das von dem Inquisitoriate zu Halle aufgenommene genaue Signalement eines Lahmgehens der Wittwe K. nicht erwähnt, so kann man den Beschluß des Inquisitoriats zu Magdeburg nur gerechtfertiget finden.

Bevor wir aber zu unserem Findling zurückkehren, müssen wir noch einer Episode gedenken, weil unsere Acten sie erwähnen.

Derselbe Knabe Peter, dessen wir im Eingange gedachten, zeigte am 4. Juni 1841, also gegen vierzehn Wochen nach seinem Funde, dem Justizamte Ronneburg an: als er am Abend des vorigen Tages gegen sechs Uhr in einer häuslichen Verrichtung für seine Meisterin ausgegangen war, und an die Ecke eines bezeichneten Hauses am Markte gekommen, habe ihm ein Knabe gewinkt. Er sei nicht gleich darauf zugegangen, habe vielmehr erst den Auftrag der Meisterin ausgeführt, als er sich aber dann nach dem Knaben umgesehen, diesen nicht mehr gesehen; dafür sei ein fremder Herr auf ihn zugekommen, welcher ihn gebeten, in den von der Stadt etwas ab nach Mitternacht zu gelegenen Naulitzer Grund zu gehen, wo Peter seine, des Fremden, Frau treffen werde; dieser solle er mittheilen, daß er, der Fremde, noch eine halbe Stunde in der Stadt zu verweilen habe, und so lange möge sie seiner in dem Grunde warten. Er, Peter, habe aber die ihm genau beschriebene Frau an dem bezeichneten Orte nicht gefunden, und sei daher wieder um und nach der Stadt zurückgekehrt und unterwegs dem Fremden begegnet, welcher, über das unterlassene Aufsuchen der Frau unwillig, mit der Hand nach ihm ausgeholt. Er sei darüber heftig erschrocken und ausgerissen, und als ein anderer junger Mensch seiner Bekanntschaft dazu gekommen, sei der Fremde in das dort befindliche Holz gesprungen.

Weiter ließ sich über den räthselhaften Fremden nichts und noch weniger über dessen Frau ermitteln. Ob dieser Vorfall mit der Geschichte unseres Findlings zusammenhing, hat man nie erfahren. Wir mußten ihn aber geben, weil derselbe nun einmal actenmäßig geworden.

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verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 317. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_317.jpg&oldid=- (Version vom 11.9.2022)