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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

an’s Tageslicht. Der Hang, seinen Nebenmenschen zu verspotten, ihm einen Possen zu spielen und auf Kosten des Verhöhnten sich zu belustigen, liegt in der menschlichen Natur, wir sehen diesen Trieb oft bei Kindern in einem hohen Grade ausgebildet. Man sagt, daß damit gewöhnlich kein gutes Herz verbunden sein soll, und dies ist wahr, insoweit die Schadenfreude keine auf edle und hochherzige Gefühle basirte Freude ist, doch ist nicht zu leugnen, daß dieser Hang, in rechter Weise geleitet, dem Verstand und dem Urtheil eine gewisse Schärfe verleiht, die er auf anderem Wege nur unvollkommen und langsam erreichen würde. –

Wir fügen diesem Originale ein anderes bei, das freilich nichts mit jener gerügten Spottsucht zu thun hat, sondern sich lediglich auf ein seltsames Motiv, sich die Vergänglichkeit und die Genüsse des Lebens stets in frischem Anschauen zu erhalten, gründet. Richard Roos erzählte oft von einem Freunde, der Arzt und dabei ein berühmter Anatom war. Als Student verzierte der junge Mann sein Zimmer auf folgende Weise, und er hatte ebenfalls manchen Thaler daran gewendet, wie Andere sich bequeme Möbel anschaffen, sich diese seltsame Zimmerdecoration zuzueignen. An der Eingangsthür stand das Skelet einer Frau, die ihren Vater ermordet hatte, an dem Skelet hing der junge Mann seinen Rock auf, wie wir es an einem Kleiderhaken thun. Am Bette hielt ein kolossales Skelet Wache, einem ehemaligen Soldaten angehörend, der als Raubmörder hingerichtet und auf die Anatomie geschafft worden war. Ein drittes Skelet eines alten Weibes, das sich erhenkt hatte, nahm den Platz am Schreibtische ein und die leeren Fächer zwischen den Rippen dienten dazu, um Bleistift, Federmesser, Siegellackstange und eine Anzahl kleiner Papierstreifen und Couverts zum täglichen Gebrauche aufzubewahren. Oefters erhielt dieses Ungethüm auch die Schlafmütze zur Aufbewahrung und trug sie auf ihrem auf die Brust herabhängenden Schädel. Die Zuckerschale dieses Sonderlings bestand aus dem zur Hälfte gesägten Schädel einer Kindesmörderin, und dazu gehörig fungirte ein großer Beinknochen als Zuckerhammer. Das Mittelstück seiner Tabackspfeife bestand aus der Armröhre eines vergifteten Kindes, an welchem auch mehrere Knöchelchen als Tabacksräumer, Zahnstocher u. s. w. dienten. Bei dieser Umgebung und diesem Geräthe muß man sich den Zimmereigenthümer als den jovialsten Jungen unter der Sonne denken. Die Ueberschrift über seiner Zimmerthür lautete: Memento vivere! und weder der kolossale Gardist am Bette, noch die Alte mit dem Schreibeapparat im Brustkasten, noch die Portière an der Thüre verhinderten im mindesten, daß gerade in diesen Räumen an kalten Novemberabenden, wenn der Sturmwind heulte und Regen und Schnee an’s Fenster prasselte, die heiße Punschbowle dampfte und das lustige Lied, das Jugend, Liebe und Schönheit preist, von der Studentenlippe frisch in die Nacht hinaustönte. Und dieser Jüngling wurde ein tüchtiger Gelehrter in seinem Fache, und selbst das Leben genießend verhalf er Andern, mit gesundem Körper es zu genießen.




Die Leopardenjagd. Es gibt zwei verschiedene Arten von Leoparden auf Ceylon, den „Chetah“ und den „Leoparden“ oder „Panther.“ Der erstere ist kleiner und hat runde schwarze Flecke. Er wird selten länger als sieben Fuß von der Schnauze bis zum Ende des Schweifes, und wiegt selten mehr als 90 Pfund. Der Leopard wird dagegen 9–10 Fuß lang und hat schwarze Ringe; Schnauze und Läufe sind mit schwarzen Flecken gesprenkelt und sein Gewicht beträgt 120–170 Pfund.

Die Kraft des Leoparden ist außerordentlich. Ich sah während meines Aufenthaltes in Ceylon einen solchen den Nacken eines ausgewachsenen Stiers auf einen Schlag brechen. Das Volk glaubt gewöhnlich, er bewerkstellige dies durch seinen Tatzenschlag, es geschieht jedoch durch sein Gewicht und die Raschheit des Sprunges. Wenige Leoparden greifen kühn an, wie Hunde, die meisten schleichen sich sacht und unbemerkt an ihre Beute heran und entfalten ihre Muskelkraft in der concentrirten Kraft des Sprunges. Wie ein Pfeil schießen sie durch die Luft und brechen das Rückgrat ihres Opfers, indem sie sich auf dasselbe werfen und sich mit den Zähnen und Klauen an dessen Nacken klammern. Allerdings ist auch der Schlag ihrer Tatze von großer Kraft, und ein solcher genügt, den Bauch eines Stiers wie mit einem Messer aufzuschlitzen; noch gefahrvoller ist aber die Folge einer solchen Wunde, weil die Klaue ein besonderes Gift enthält, das sich aus dem steten Wühlen in faulem Fleisch erzeugt. Es ist nämlich eine bloße Fabel, daß der Leopard kein verwestes, sondern nur frisches Fleisch frißt. Das letztere ist ihm natürlich lieber, fehlt es ihm aber, so nimmt er mit Allem vorlieb, was er findet, und ich habe selbst erlebt, daß die Leiche eines Knaben von Leoparden aufgewühlt und verschlungen wurde. Sehr gern stehlen diese Raubthiere Hunde und springen auf diese selbst bei Tage, wenn sie ihre Herrn begleiten. Am häufigsten fängt man die Leoparden in Fallen, welche die Eingebornen jede Nacht aufstellen, um sich vor den Ueberfällen derselben zu schützen.

Vor einigen Jahren gelang es einmal einem Leoparden, in den Stall eines Hufschmieds zu dringen, in dem sich eine Kuh mit ihrem Kalbe befand. Die Thüren waren fest verschlossen; das hungrige Raubthier bahnte sich jedoch einen Weg durch das Dach und sprang hinab. Die Kuh war aber auf ihrer Hut und sobald sie ihren Feind unten sah, spießte sie ihn mit den Hörnern an die Wand. Es entstand ein furchtbarer Kampf, der den in einem Winkel des Stalles schlafenden Knecht aufweckte. Sobald er inne wurde, was vorging, rannte er hinaus zu dem Grobschmied. Dieser lud die einzige Pistole, welche er besaß, und begab sich nach dem Stall, wo die Kuh und der Leopard um die Wette brüllten und stampften. Der Grobschmied war kein Jäger und harrte ängstlich an der Thür, in der einen Hand eine Laterne, in der andern die Pistole. Die Kuh warf ab und zu eine dunkle Masse über ihren Kopf, stampfte darauf, wenn sie niederfiel, und bohrte sie an die Wand, wenn sie hülflos nach einem Winkel des Stalles schlich. Als der Grobschmied sah, wie sehr der Leopard durch die tapfere kleine Kuh zugerichtet war, wagte er sich vor und schoß nach ihm mit der Pistole, ergriff aber gleich darauf spornstreichs die Flucht, denn die Kuh war so verwildert, daß sie auch ihn anzugreifen drohte und ihm nachrannte. Endlich ließ sie sich indessen beruhigen, und den Qualen des Leoparden wurde ein Ende gemacht.

Als ich eines Tages mit meinen Hunden ein Elenn verfolgte, fand ich zu meiner Verwunderung an einer offenen Stelle meinen alten „Blaubart“ ganz allein, schwach und mit Blut überströmt sitzen. Er hatte fünf Wunden an seiner Kehle, die von der Tatze eines Leoparden herrührten. Aus der mühevollen Weise, mit welcher der Hund athmete, sah ich alsbald, daß seine Luftröhre verletzt war. Ich wusch seine Wunden, wußte aber wohl, daß sein Ende nahe sei. Ich durchsuchte darauf das Gebüsch einige Minuten lang, sammelte die zerstreute Meute und führte den verwundeten Hund, der immer schwerer athmete, nach meinem Zelt. Dort that ich alles Mögliche, was zur Linderung der Schmerzen des armen Thieres möglich war, aber es war wenig Hoffnung für ihn vorhanden.

Nachmittags kamen zwei Treiber, welche etwas auf zwei Stangen trugen. Ich dachte zuerst, es sei der Kopf des Elenns, das die Hunde verfolgt hatten, erfuhr aber alsbald, daß es Leopold, einer meiner besten Hunde war, den sie trugen. Auch er war von einem Leoparden angegriffen worden, und zwar in Gegenwart eines meiner Jagdgefährten. Der brave Hund hatte sich trotz seiner Wunden auf den Leoparden gestürzt und ihn in die Flucht gejagt. Am nächsten Tage verendete mein armer Leopold und nicht lange darauf auch Blaubart. Wenige Wochen darauf nahm ich jedoch Rache für sie.

Beim Verfolgen eines Elephanten erblickte ich plötzlich neunzig Schritt von mir einen prachtvollen Leoparden, der, auf Beute lauernd, mir gerade die Stirn zuwandte. Ich schlich ihm bis auf sechzig Schritt nahe. Rasch blickte er um sich, aber in demselben Augenblick, als er seine großen Augen auf uns richtete, krachte auch meine und meines Gefährten Büchse und er lag hingestreckt auf dem Rücken. Die Schüsse hatten Kopf und Blatt getroffen, er war aber noch nicht völlig todt, und ich erwürgte ihn darauf mit meinem Halstuch, um sein schönes Fell nicht weiter zu verletzen. Das war ein herrliches Racheopfer für meine Hunde.

Als mein Freund einmal einen Leoparden mit seinen Hunden verfolgte, flüchtete[WS 1] dieser auf einen Baumast. Zufällig lagen aber eine Menge Steine in der Nähe, und sämmtliche Jäger begannen darauf den Leoparden zu bombardiren. Nachdem ihn ein scharfer Wurf an den Kopf getroffen, sprang er hinab mitten in die Meute, die unten auf ihn lauerte und ihn alsbald so fest packte, daß dem Leoparden mit dem Hirschfänger der Genickfang gegeben werden konnte. Das war das einzige Beispiel dieser Art, welches sich während meiner achtjährigen Anwesenheit auf Ceylon ereignete.


An unsere Leser!

Mit dieser Nummer schließt das zweite Quartal unserer Zeitschrift und beginnt mit Nr. 27. das dritte Quartal. Wir bitten, die Bestellungen auf dieses dritte Quartal sofort nach Empfang dieser Nummer bei den betreffenden Buchhandlungen und Postämtern aufzugeben, damit die regelmäßige Zusendung nicht unterbrochen wird.

Die Gartenlaube – welche jetzt in einer Auflage von 60,000 Exemplaren gedruckt wird – erscheint trotz der erhöhten Papierpreise ganz in derselben Weise fort wie bisher, nur dürfen wir – bei den mit jedem Monat wachsenden Kräften – unsern Lesern eine noch glänzendere illustrative Ausstattung und durchgängig gediegene Textbeiträge versprechen. Daß wir nie mehr versprechen, als wir halten können, glauben wir bewiesen zu haben, und die einzig dastehende Höhe der Auflage unseres Organs spricht dafür, daß unsere Bestrebungen, Unterhaltung und Belehrung in gleich ansprechender Weise zu verschmelzen, vom Publicum anerkannt werden.

Für den unterhaltenden und schildernden Theil unseres Blattes liegen bereits vortreffliche Beiträge unserer permanenten Mitarbeiter Temme (Verfasser der neuen deutschen Zeitbilder), Ludwig Storch, Max Ring, Heinr. Beta in London vor; Professor Bock – so vielen unserer Leser der treue Rather und Helfer in Gesundheitssachen –, Professor Richter in Dresden, Dr. Hirzel in Leipzig, Professor Roßmäßler und viele andere Männer der Wissenschaft werden auch fernerhin durch ihre belehrenden und instructiven Artikel die interessantesten und wichtigsten Fragen der Naturwissenschaft dem allgemeinen Verständniß zu vermitteln und so der Zeitschrift den gediegenen Werth zu erhalten wissen, der sie für alle Zeiten neu und lesbar macht. Für die bis jetzt in unserm Organ noch wenig berührten Zustände Frankreichs, und namentlich der Hauptstadt Paris haben wir in den neuesten Tagen in den bekannten Schriftstellern Szarvady und Ludw. Kalisch geistreiche und unterrichtete Mitarbeiter gewonnen.

Schließlich haben wir noch zu erwähnen, daß in einer der nächsten Nummern eine bildliche Darstellung der

Unglückskatastrophe im Hauensteiner Tunnel

durch fünf schönausgeführte 12 Zoll hohe und 8 Zoll breite Abbildungen, an Ort und Stelle vom Historienmaler Jenny in Solothurn mit portraitähnlicher Treue aufgenommen, zum Abdruck kommen wird. Herr Jenny war bei Auffindung, Wiederbelebungsversuchen, Secirung und Begräbniß der Unglücklichen selbst gegenwärtig und ist also mehr als jeder Andere im Stande, ein durchaus getreues Bild dieses furchtbaren Unglückes zu liefern. Die Schilderung – nach officiellen Berichten des Gerichts in Oelsen und eigener Anschauung – ist einer gewandten Feder in Solothurn anvertraut – Alle Postämter und Buchhandlungen nehmen Bestellungen auf unsere Zeitschrift an.

Leipzig, Ende Juni 1857.

Redaction und Verlagshandlung.

Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: flüchtetete
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 364. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_364.jpg&oldid=- (Version vom 10.9.2022)