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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

Aus meinem Bienengarten.
Von Moritz Kloß.
Nr. 2.

Im Bienenstocke ist die Königin stets von einem Gefolge umgeben, das sich ihren Winken und Befehlen hold und gewärtig beweiset. Sie ist so fruchtbar, daß sie in einem Jahre wohl an 40,000 Eier legt. Bei der fortwährenden Regeneration des Bienenvolkes hängt davon viel ab. Die Königin braucht ebenso ein starkes und gesundes Volk, wie dieses eine gesunde Königin. Die Verbindung beider ist so innig, daß sich ihr Leben gegenseitig bedingt. Stirbt die Königin, so bemächtigt sich des ganzen Volkes Angst und Schrecken; allgemeine Muthlosigkeit stellt sich ein und die Arbeit stockt. Ja sogar in eigenen Trauer- und Leichengesängen drücken die ihrer Führerin beraubten Thierchen ihre Stimmung aus; beim Anklopfen läßt der weiserlose Stock einen langen forthallenden ungewöhnlichen Klageton hören, während der gesunde Stock dabei ein sogleich wieder aufhörendes Aufbrausen von sich gibt. Sind noch frisch gelegte Eier von höchstens drei Tagen her vorhanden, so umbauen die klugen Bienen sofort einige derselben mit Königszellen und es wird der Stock wohl noch erhalten. Geschickte Bienenwirthe setzen auch wohl bereit gehaltene Königinnen künstlich ein. Sonst aber geht das verwaiste Volk rettungslos seinem Untergange entgegen, es arbeitet nicht mehr, stirbt ab und verfliegt sich nach und nach, wenn nicht schon früher die Raubbienen ihm den Garaus machten.

Die natürliche Vermehrung der Bienencolonieen geschieht durch einen interessanten Act, das sogenannte Schwärmen, welches dem Bienenvater die meiste Freude macht.

Die warme Witterung und die reiche Honigtracht haben auf das Ausbrüten junger Bienen günstig gewirkt, so daß die Colonie stark bevölkert wird. Etwa sechs Wochen nach Beginn der Honigtracht kommen auch die Drohnen zum Vorschein, denen beim Ausbrüten junger Bienen, wie junger Königinnen, wichtige Functionen zuzukommen scheinen. Sie übernehmen wahrscheinlich für die zur Arbeit nöthigen Arbeitsbienen das langweilige Geschäft des Erwärmens der Bienenbrut, denn außerdem werden sie als Schmarotzer angesehen, die sich an den wärmsten Stellen im Stocke zusammenhocken, den besten Honig verzehren und den Stock nur selten und auf kurze Zeit verlassen, jedoch nur zur wärmsten Tageszeit und nicht der Arbeit, sondern des Vergnügens wegen. Deshalb singt auch Hesiod von ihnen:

„Der ist Göttern verhaßt und Sterblichen, welcher ohn’ Arbeit
Fortlebt, gleich an Muthe den unbewaffneten Drohnen,
Die der emsigen Bienen Gewürk aufzehren in Trägheit,
Nur Mitesser.“

Wenn die Drohnen in volkreichen Stöcken sich zeigen, ist auch bald ein junger Schwarm zu erwarten. Bei der Masse der eingesammelten Vorräthe und der Bevölkerung, wird es den Bienen zu warm und zu eng im Haus; sie lagern oder hängen in großen Trauben stark brausend vor dem Flugloche, was der Bienenwirth „Vorliegen“ nennt.

„Es wachsen die Räume, es dehnt sich das Haus.“

Der schwarmlustige Stock hat schon 16–17 Tage vorher Königszellen angesetzt, und wenn die jungen Königinnen ausgeschlüpft sind, so kann der in gespannter Erwartung harrende Bienenvater am nächsten sonnenklaren warmen Tage um die Mittagszeit sicher auf Abzug eines Schwarmes rechnen. Je näher dieser Augenblick kommt, desto ruhiger werden die vorliegenden Bienen, die mit Höschen vom Felde Kommenden gehen nicht wie gewöhnlich eiligst in die Wohnung, sondern gesellen sich zu den vorliegenden. Auf einmal erheben sich einige und immer mehr und mehr, die in engen Kreisen hastig um das Flugloch schwärmen, bis der ganze Haufe sich erhebt und die übrigen gleich einem Wasserstrahle eiligst aus dem Flugloche herausstürzen, eine über die andere hinpurzelnd. Die abfliegenden Bienen erheben sich wie eine Wolke in die Luft, fast die Sonne verdunkelnd, und geben bei ihrem Hin- und Herschwärmen einen eigenthümlichen weithin hörbaren freudigen Ton, den Schwarmton oder Schwarmgesang von sich. Wohl acht Minuten lang dauert dieser fröhliche Aufzug von 10–15,000 Bienen; dann zeigt sich ein neues Schauspiel. Am Aste eines nahen Baumes oder Strauches bildet sich ein dichter faustgroßer Haufen von Bienen, denen sich immer mehr zugesellen, bis sich alle schwärmenden Bienen hier dicht in eine große schwarze sackartig herabhängende Traube zusammengezogen haben, still und ruhig ihr weiteres Geschick erwartend, ihre Königin mitten unter ihnen. Der Bienenvater ist bald, mit Bienenhaube und Handschuhen gewappnet, bei der Hand und besprengt den Schwarm mit einem Wasserwedel, damit er sich noch fester zusammenzieht. Dann holt er einen leeren Bienenkorb herbei, stellt ihn unter den Schwarm und kehrt mit geschickter Hand den Bienenknäuel schnell hinein; wenn dieser an einem freien Aste hängt, braucht er nur kräftig darauf zu schlagen und der ganze Schwall von Bienen fällt laut aufbrausend in sein neues Asyl, das auf eine Bank gestellt wird. Hier zeigt es sich bald, ob bei diesem Einschlagen die Königin mit gefaßt wurde, denn dann ziehen sich die aufgeregten Bienen bald zusammen und am Flugloche zeigen sich die bekannten Trommler. War die Königin nicht mit eingeschlagen, so zieht das ganze Volk bald wieder aus und setzt sich von Neuem an. Nach glücklich vollbrachtem Einfassen kann der neue Stock sogleich auf seinen neuen Standort gebracht werden, wo er ohne Weiteres seine gewohnte Arbeit aufnimmt. Wohlweislich nehmen die klugen Thierchen beim Schwärmen aus dem Mutterstocke auf drei Tage Proviant und soviel Material mit, daß sie davon den Grund zu ihrem neuen Hause legen können; nach drei Tagen schon sieht man vier bis sechs nagelneue hellblitzende Wachsscheiben.

Ohne menschliche Hülfe und Pflege würde der junge Schwarm nach einiger Zeit von seinem Sammelorte wieder aufbrechen, um selber in einer Baumhöhle der Wiesen oder Wälder sich ein neues Quartier einzurichten. Zu diesem Zwecke sind sogar vorher einige sogenannte Spurbienen als Fourier-Schützen ausgesandt worden, um eine passende Stelle auszumitteln. Dort geht er freilich oft schon im ersten Herbste oder Winter zu Grunde, oder wird aufgefunden und mit vieler Mühe aus dem occupirten Baumloche in einen Korb getrieben. Daß die Honigbienen bei uns wild in den Wäldern leben und sich vermehren, ist selten bemerkt worden.

Der erste Schwarm oder Vorschwarm ist der beste und stärkste; drei, sieben oder neun Tage später folgen auch wohl noch kleinere Nachschwärme, die beim Ausziehen viel unruhiger sind und beim Einschlagen oft drei oder vier Mal wieder ausziehen. Die Bienen ziehen nämlich für alle Fälle mehrere Königinnen auf, die dann mit dem Nachschwarme ausziehen. Ehe sich aber das Volk für eine derselben entscheidet, entsteht eben jene schwankende Unruhe und das unstäte Wesen der Nachschwärme. Die nun überflüssigen Königinnen werden nun unbarmherzig verstoßen oder getödtet. Jungfernschwärme, d. h. solche, welche wieder von einem Schwarme in demselben Sommer ausgestoßen werden, sind sehr selten. Um Johanni ist bei uns die gewöhnliche Schwarmzeit. Die Bienenväter sehen ein zeitiges Schwärmen sehr gern, denn dann kann sich das junge Volk noch mit den nöthigen Wintervorräthen versehen, und man ist nicht genöthigt, mit künstlichem und kostspieligem Futter nachzuhelfen. Daher sagt auch ein alter Knittelvers:

Ein Schwarm im Mai,
Gilt ein Fuder Heu;
Ein Schwarm im Jun’,
Ein fettes Huhn;
Ein Schwarm im Jul’,
Kein’ Federspul’.

Je nach der reichen Flora einer Gegend gewährt auch die Bienenzucht reichere Vortheile. Wo im Frühjahr Raps- und Esparsett-Felder blühen, im Sommer viel Linden und im Spätsommer Haidekorn und Haide (Erica), da haben die Bienen ihr gutes Auskommen. Wo das aber nicht zutrifft, da suchen sich die Bienenwirthe durch die ganz zweckmäßige Methode einer wandernden Bienenzucht zu helfen. Die Thalbewohner bringen z. B. ihre Bienen nach der Heuernte in die Waldgegend, wo die Haide noch lange in Blüthe steht. So kann die Honigtracht um einen bis zwei Monate verlängert werden. Im Herbste holt man die honigschweren Stöcke, die oft 60 und 70 Pfund wiegen, wieder zurück. In gleicher Weise läßt der Berg- und Waldbewohner seine Bienen im zeitigen Frühjahre die Rapsblüthe in der Thalgegend genießen.

Nach der Schwarmzeit wird es stiller im Bienengarten. Die

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verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 458. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_458.jpg&oldid=- (Version vom 7.9.2022)