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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

wohlgeordneten Colonieen gehen ruhig ihrer Arbeit nach, und nur dann und wann geben sie auch der Freude Raum, indem sie förmliche Rund- und Freudentänze anstellen. Bei ruhiger warmer Witterung bemerkt man nämlich öfter, meist in den Nachmittagsstunden, vor dem Flugloche eine freudige Bewegung unter dem Bienenvolke. Viele tummeln sich unter munterem Gesumme, in größeren oder kleineren Kreisen schwärmend, wacker umher, während sich auch die Zahl der Freudentrommler am Flugloche selbst bedeutend vermehrt hat und lustig ihren Wirbel schlägt. Etwa zehn Minuten lang dauert diese Erscheinung, von den Bienenwirthen „Vorspielen“ genannt; dann wird es wieder still. Interessant ist es, wenn auf einem starken Bienenstande ein Stock nach dem andern dieses lustige Spiel beginnt, oder alle zugleich vorspielen. Diese auffällige Erscheinung mag Plinius gemeint haben, wenn er seinen Römern von den gymnastischen Uebungen der Bienen erzählte. Einige Neuere haben gemeint, daß während des Vorspielens die Königin ihren Ausflug halte; es scheint aber das Vorspielen keinem anderen Zwecke zu dienen, sondern als ein wirkliches Spiel um sein selbst willen zu bestehen, wie es bei den meisten gesellig lebenden Insecten vorkommt.

Am Schlusse der Herbsttracht zeigt unser Bienenstand noch eine merkwürdige Erscheinung, die der Drohnenschlacht. Die Drohnen werden entbehrlich, da das Brutgeschäft nicht mehr so umfänglich betrieben wird, die Arbeitsbienen auch nun selbst mehr Zeit haben, die junge Brut zu erwärmen. Deshalb treibt man die schmarotzenden Müßiggänger förmlich aus.

 „In Heerschaar
wehren sie ab die Drohnen, das träge Vieh, von den Krippen,“

heißt es ganz richtig bei Virgil, denn die Bienen verdrängen die Drohnen zunächst von den Honigwaben und suchen sie durch Hunger zu ermatten, bis ein allgemeines Schlachten und Würgen eintritt. Zwei oder drei Bienen fallen über eine Drohne her, beißen sie, häufig auf ihr reitend, zum Stocke hinaus oder tödten sie durch Stiche. Die armen gedrängten lautsummenden Drohnen, denen jedes Mittel der Vertheidigung fehlt, müssen so Alles über sich ergehen lassen; dicht geschaart liegen sie als Leichen auf dem Schlachtfelde vor dem Bienenhause.

Die Biene hat ihre argen Feinde, gegen die sie sich wacker mit Beißen und Stechen zu wehren weiß. In ihren eigenen vier Pfählen wird sie am gefährlichsten bedroht durch einen recht heimlichen und tückischen Feind, die Wachsmotte, einen kleinen Dämmerungsfalter mit graubrauner Färbung. Derselbe weiß unbemerkt in die Bienenwohnungen einzuschlüpfen und seine Eier in die Wachszellen zu legen, wo sie von der dort herrschenden Wärme ausgebrütet werden. Die ausgekrochene Larve oder Ringmade legt sich ihre Gänge auf dem Grunde der Wachszellen an, indem sie die untern Wände durchbeißt und ihre Minen in Kreuz und Quer über die ganzen Wachstafeln ausbreitet. Das Schlimmste dabei ist, daß sie ihre Gänge sofort mit ihrem Gespinnst ausfüttert, so daß ihr die Bienen nicht beikommen können. Denn so wie sie sich außerhalb ihres Versteckes sehen läßt, wird sie von den Kneipzangen der Bienen sogleich so zugedeckt, daß sie halbtodt liegen bleibt, und dann in’s Freie geschafft wird. Mit ihren Kneipzangen zerren die erbitterten Thierchen das Gespinnst wohl heraus; wenn sie es aber nicht bewältigen können, und die listigen Schmarotzer das Wachsgebäude förmlich verschroten und überspinnen, so ziehen sie lieber aus.

Viele Insecten fressende Vögel stellen den Bienen gleichfalls nach; z. B. der Rothschwanz, die Schwalbe, die graue Grasmücke, Meisen und Spechte etc.; wenn diese aber so keck sind, sich etwa vor das Flugloch der Bienen zu setzen, um diese hier wegzuschnappen, so fallen die Bienen massenhaft Über den Räuber her, der dann elend umkommen muß. Freilich büßt die Biene ihre Wuth mit dem Leben, denn der Stachel bleibt in der Haut stecken.

Uebrigens ergreifen die Bienen die Offensive nur im engeren Bereiche ihrer Wohnung, wo sie sich für berechtigt halten, Hausrecht zu üben. Wer dort in ihrer Flugbahn hastige Bewegungen machen wollte, würde bald von ihnen verfolgt werden, während sie den ruhig Vorübergehenden, wenn er sonst nicht etwa auffällige Parfümerien an sich hat, oder schnell athmet, ganz unangefochten passiren lassen. Zur Schwarmzeit nur stechen die Bienen auch außerhalb ihres Domicils, wenn ihnen störende Elemente in den Weg kommen. Ihr Stich ist wegen des aufgeregten Zustandes um so gefährlicher, und die Beispiele sind gar nicht selten, daß die erbitterten Thierchen Menschen und Thiere, z. B. einmal ein Pferdegespann, das nicht schnell genug befreit werden konnte, zu Tode stachen. Außer der Arbeitsbiene ist nur noch die Königin bewaffnet, die jedoch nur selten von ihrem Stachel Gebrauch macht.

Für einen rationellen Betrieb der Bienenzucht sind im Laufe der Zeit mancherlei Methoden aufgetaucht, von denen diejenige immer den Vorzug verdiente, welche auf eine richtige, naturgemäße Behandlung der Bienen, auf genaue Kenntniß ihrer Natur, ihrer Vermehrung, ihrer Triebe, Fähigkeiten und Bedürfnisse basirt war. Je einfacher, natürlicher und wohlfeiler die Methode war, desto besser. Noch vor etwa acht Jahren machte die Lüftungsmethode des Engländers Nutt viel Aufsehen; sie fand aber keine weitere Verbreitung, weil sie viel zu künstlich und kostspielig war, ein leerer Kasten dazu kostete allein 10 Thaler.

Dagegen ist die Bienenbehandlung à la Dzierzon gegenwärtig überall gang und gäbe geworden, weil sie einfach und wohlfeil ist. Bemerken wir noch Einiges darüber. Es beruht diese bekannte Methode des Pfarrers Dzierzon im Grunde darauf, daß der Bienenzüchter mit sorgfältiger Berücksichtigung der Bienennatur eine vollständige Herrschaft über seine Bienenvölker ausübt, und durch verschiedene künstliche Operationen ihren Instinct so benutzt, daß er sie vollständig in seine Gewalt bekommt.

Schon die Construction der Dzierzon’schen Bienenwohnungen ist darauf berechnet. Weil die Bienen ihren Bau von oben anfangen, und weil der Querbau der zweckmäßigste ist, hat Dzierzon die Decke seiner Bienenwohnungen mit regelmäßigen, wegnehmbaren zahlreichen Querhölzern versehen, die in der Breite einer Wachstafel von einander liegen. Dadurch schreibt er schon den Bienen ihre Bauart vor, und er hat das Bequeme, wenn er den obern Deckel öffnet, beliebig einzelne Honig- oder Bruttafeln wegnehmen zu können, um sie z. B. einem andern Stocke, der gerade Honig oder Brut braucht, einzusetzen. Zu diesem Zwecke müssen die Dzierzonstöcke nach gleichem Maße gearbeitet sein.

Mit Hülfe dieser wohlfeilen und einfach aus Holzbohlen zusammengesetzten Bienenwohnungen kann die Bienenzucht sehr vervollkommnet werden. So braucht man z. B. nicht zu warten, bis es den Bienen gefällig ist, zu schwärmen, was oft zu spät nach Ausgang der Tracht erfolgt, sondern es wird eine einfache Theilung des volkreichen Stockes zeitig vorgenommen, indem durch Trommeln der größte Theil des Volkes mit der Königin in eine neue mit Honig und Wachstafeln besetzte Wohnung getrieben wird, wo sie sofort ihren Neubau beginnen, während das zurückgebliebene Volk sich aus den vorhandenen Eiern eine neue Königin erzeugt. Wer die Fatalitäten kennt, welche beim Schwärmen durch Fortfliegen oder Zusammenfliegen der Bienenvölker eintreten können, der wird den Werth dieser künstlichen Vermehrung wohl zu schätzen wissen. Im Einzelnen kann man nun noch verschieden nachhelfen, um die Bienenökonomie zu fördern. Ist im Herbste ein Stock nicht mit hinreichendem Wintervorrath versehen, so setzt man einige Honigtafeln ein, welche der stärkere entbehren kann; zeigt es sich, daß ein Stock die Königin verloren hat, so erhält er eine Tafel mit frischgelegten Eiern, und er wird sich bald eine neue Königin herstellen. Weil die Bienen ihr Honigmagazin gern nach oben anlegen, so ist die Dzierzon’sche Bienenwohnung mit einem besondern Aufsatze versehen, in welchem die Bienen den reinen Honig ablegen. Dieser Honigaufsatz ist so appetitlich, daß er ohne Weiteres abgenommen und als Dessertschüssel auf die Tafel gesetzt werden kann.

Da bei dieser Behandlungsweise stets Bienenköniginnen als Reserve in einem eigenen Kästchen bereit gehalten werden, so kann man fast allen Eventualitäten begegnen, die in der Bienenwirthschaft vorkommen. Liegen z. B. Arbeitsbienen an den Stöcken zur Trachtzeit nutzlos vor, so werden sie nach Dzierzon ohne Weiteres in einen neuen Bienenkorb gekehrt, der vorher mit einer Königin und einigen Wachs- und Honigtafeln versehen war. Das zusammengepreßte Volk mit der octroyirten Königin stutzt zwar anfänglich; nachdem man es aber 24 Stunden lang an einem dunklen kühlen Orte stehen ließ, beginnt es schon seine neue Thätigkeit. Der aufmerksame Bienenvater erkennt sogleich, was in der Oekonomie seiner Bienenvölker künstlich zu ändern wäre; mit seinen Dzierzonstöcken kann er ihnen von allen Seiten beikommen und so seine Operationen auf das Vortheilhafteste auf Vermehrung der Bienenvölker wie des Honig- und Wachsvorrathes richten.

Diese Bienenbehandlung ist auch dem Städter zugänglich, selbst dem, der keinen Garten besitzt, wenn seine Wohnung nur nicht ganz inmitten großer Häusermassen liegt, sondern wenigstens einen freien Ausflug nach Gärten und Feldern gewährt. Ein trocknes Plätzchen

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verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 459. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_459.jpg&oldid=- (Version vom 12.9.2023)