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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

auf der Stirn, die Warze an der Nase, die scharfen Linien an den Mundwinkeln weglassen würde.

Die gute Stadt Harlem war am 12. Juni des Jahres 1534 in großer Bewegung. Hohe und Niedere hatten sich vereint, ein Fest zu geben zu Ehren eines ihrer Mitbürger, des vielgerühmten Meister Martin von Hemskerk, der dazumal eben erst aus Rom heimgekehrt war, um sich in seiner Lieblingsstadt niederzulassen. Die Harlemer waren stolz auf den Vorzug, den er ihrer guten Stadt gab, und wollten sich ihm dankbar erweisen. War doch der Genannte der beste Schüler des großen Meisters Johannes von Schoreel, dieses strahlenden Nachfolgers der Geschwister van Eyck; hatte er doch von ihm die Anmuth und Wahrheit der Gestalten entlehnt, und sein zartes Colorit sich in einer Weise angeeignet, daß man in der That oft Mühe hatte, die Arbeiten des Schülers von denen seines Lehrmeisters zu unterscheiden. Eigentlich war Martin von Hemskerk kein Harlemer Kind, sondern in Hemskerk, einem kleinen Dorfe unfern der Stadt, im Jahre 1498 geboren. Sein Vater hieß Jacob Willems van Veen, und war ein gewöhnlicher Bauer.

Wie denn aber in jener Zeit jedes Auge gar achtsam war auf eine etwaige Aeußerung eines Talentes für die hochgefeierte Kunst der Malerei, so hatte auch van Veen bald in den Verzierungen der Wände, die sein Sohn mit schwarzer Kohle auszuführen pflegte, den künftigen Maler gewittert, und brachte seinen Martin nach Harlem in die Lehre zu einem Maler, Cornelis Willems. Wußte er doch, daß die Bilder eines Meisters mit schwerem Gelde bezahlt wurden, und daß aus seinem derben Burschen ein Meister werden müsse, daran zweifelte er keinen Augenblick. Vergnügt überlegte er alle Tage, was er mit dem erworbenen Gelde seines Sohnes anfangen wollte, und wie er dann mit der Pfeife im Munde vom Morgen bis zum Abend vor der Thür sitzen und nichts thun könnte. Wagte dann wohl die Mutter zu sagen, daß sie Beide doch keinerlei Anrecht an das Erworbene des Kindes hätten, so fuhr er ganz wild auf und vermaß sich hoch und theuer, daß der Martin keinen Heller bekommen solle, bis er groß geworden sei. Denn daß der Martin Bilder malen lerne, könne gar nicht lange dauern, und wie sollte ein vernünftiger Vater solch blutjungem Gesellen die Taschen voll Geldes lassen!

Jeden Sonnabend, wenn er mit seinen Gänsen und Eiern nach Harlem zu Markte zog, sah er nach, ob sein Martin noch nicht auf dem directen Wege zum Meister sei, und immer schmollte und brummte er mit ihm, daß er noch kein großes Bild male.

Alldieweil nun aber, selbst in der damaligen reichen Zeit, die wirklichen Meister nicht vom Himmel fielen, sondern insgesammt harte Lehrjahre durchmachen mußten, so rieb auch der Martin Wochen lang nur Farben in der Werkstatt des Cornelis Willems, zeichnete, was ihm sein Lehrherr zu zeichnen befahl, und bemalte einstweilen nur noch mit größter Seelenruhe seine eigene Haut und seine Kleider. Van Veen wurde von Woche zu Woche mißvergnügter, und seine arme Frau hatte zu Hause schwere Zeit mit ihm.

Eines Tages erklärte er denn auch seinem erschreckten Sohne, daß er ihn binnen einem Monat wieder zurücknehmen würde in sein Dorf und Haus, wenn er nicht bis dahin ein ordentliches thürenhohes Bild zu Stande gebracht, das man verkaufen könne.

„Sein Knecht koste ihm ohnedies so gewaltig viel an Essen, Trinken und Lohn, und nun müsse er gar noch Lehrgeld für den Sohn zahlen, der doch nichts lerne, er könne und wolle das nicht länger ruhig ansehen,“ sagte er.

Und als der Monat vergangen und kein Bild fertig geworden war, mußte der arme Bursche, trotz alles Einredens seines Lehrherrn, mit dem unerbittlichen Vater wieder zurück hinter den Pflug und in den Kuhstall. War der Martin vorher aber schon ein Tolpatsch gewesen, so griff er jetzt Alles doppelt ungeschickt und verkehrt an, und der Vater hatte, trotz der derben Fäuste des Sohnes, keinerlei Nutzen, wohl aber viel Schaden von ihm. Des Scheltens, der Püffe, Stöße und Spottreden war von früh bis in die Nacht kein Ende im Hause des van Veen. Die Mutter freilich hatte großes Mitleiden mit ihm, und half ihm, wo sie nur konnte, denn eine echte Mutter breitet ihre Flügel über ihr Kind und vertheidigt es, und wenn der Habicht, der auf ihr Küchlein stoßen will, ihr eigener Ehemann wäre. – Sie war es denn am Ende auch, die ihm eines Tages den Rath gab, auf und davon zu gehen, und sein Heil in der Fremde als Schüler irgend eines Meisters noch einmal zu versuchen. Allerlei Wunderbares hatte sie ja von ihrem Martin geträumt und glaubte fest, daß er zu etwas ganz besonders Großem bestimmt sei.

Einen wohlgefüllten Schnappsack schenkte sie ihm, auch einiges Reisegeld dazu, das sie sich schon lange heimlich erspart durch allerlei Entbehrungen am Munde, küßte und segnete ihn mit reichlichen Thränen, hing ihm das Bildniß seines Schutzheiligen um den Hals, und er ließ sich’s nicht zweimal sagen, und wanderte fürbaß.

Der Vater durfte nichts merken, deshalb mußte Martin in stockfinsterer Nacht aufbrechen. Die Mutter gab ihm bis an die Hofthür das Geleit, er hätte sie gern noch weiter mitgenommen. Es war ihm gar zu übel und wehe zu Muth, so ganz allein in die weite Welt hinauspilgern zu müssen. Er war eben sein Lebtag kein Held gewesen, und fürchtete sich insbesondere ganz erschrecklich vor drei Dingen: vor großen Hunden, vor Räubern mit Schießgewehr, auch vor Schießgewehren allein, und – vor Weibern und Mädchen. Woher ihm diese letztere Furcht angeflogen, wußte kein Mensch – er selber am allerwenigsten, aber die Furcht war eben da; er ging jeder Gestalt, so einen Weiberrock und Schürze trug, aus dem Wege, so weit er konnte, und blinzelte nicht einmal nach dem Angesicht solcher Gestalt.

Als er an jenem Abend sein väterliches Haus verließ, hörte er immerfort, bald neben, bald hinter, bald vor sich fernes Hundegebell; es knallte bald hier, bald dort, und in den Bäumen flüsterte es, wie lauter Weiberstimmen. Für sein Leben gern wäre er schon in der ersten Viertelstunde wieder umgekehrt, wenn er sich vor einem Dinge nicht am allermeisten gefürchtet: vor seines Vaters dickem Knittel nämlich.

Die böse Nacht ging auch vorüber; er schlich sich vorsichtig durch Harlem bis nach Delft, allwo er in der Werkstatt eines Malers, Namens Johann Lukas, die beste Aufnahme fand.

Der Meister war unverehelicht, und das gefiel dem Mariin ganz besonders. Beide gewöhnten sich auch recht bald an einander, und der junge Bursche lernte so tüchtig, daß der Alte recht seine Freude an ihm hatte.

Mehrere Jahre blieb er da, bis der hochberühmte Johannes Schoreel nach Harlem zog, und seine Werkstatt Lehrlingen eröffnete. Da schied denn Martin von Hemskerken von seinem alten Lehrer und siedelte zu dem neuen über, der ja auch unbeweibt war und unbeweibt blieb. – Hier ging nun dem Martin eine wahrhafte Sonne auf in des vielgepriesenen Meisters gründlicher Unterweisung, und seine Fortschritte in der Malerei waren erstaunenswerth. Johannes Schoreel selbst rühmte seinen Schüler aller Orten, und freute sich seines tiefen Blicks für die Natur, so wie seiner äußerst zarten und doch schwungvollen Pinselführung.

Schon fing man an, auch um des Schülers willen die Werkstatt des Meisters aufzusuchen, als zum allgemeinen Erstaunen plötzlich Martin von Hemskerk sich von Johannes von Schoreel zurückzog, dessen Haus verließ, eine eigene Werkstatt einrichtete, und für sich allein zu arbeiten anfing. Man schüttelte die Köpfe über diese Trennung, und Uebelwollende redeten schon allerlei von dem Neid des großen Meisters wegen der Fortschritte des Schülers, man munkelte dies und jenes, das Rechte erfuhren nur Wenige.

Ein reicher Kunstliebhaber hatte nämlich für ein kleines Miniaturbild in einem Gebetbüchlein, das ihm Johannes Schoreel gemalt, dem Meister einen prachtvollen großen Hund geschenkt, von seltener Race. Das riesenhafte Thier hatte sich so schnell an seinen neuen Herrn gewöhnt, daß es ihm überall hin folgte und auch in seiner Werkstatt allezeit bei ihm blieb. Gegen jeden Andern war aber der Hund unfreundlich und zeigte häufig die Zähne, und dem Martin von Hemskerk war er gar einmal in die Beine gefahren. Das war mehr, als der Schüler Schoreel’s ertragen konnte.

Da sich der Meister nicht entschließen wollte, den Hund zu verbannen, so packte Martin seine Sachen und verließ die Werkstatt für immer. Er zog in eine ganz entfernte Straße, in das Haus eines Goldschmieds, Jan Fopsen genannt, Oheim eines seiner Mitlehrlinge, und stattlicher Junggeselle. Martin fühlte sich ganz wohl und zufrieden in seinem neuen Asyle, allwo es weder Hunde, noch Schießgewehre, noch Weiber gab.

Als nach kurzer Zeit Jan Fopsen ihn bat, ihm doch seine große Bettstelle in der Hinterstube durch seinen geschickten Pinsel zu verzieren, that er es mit Freuden, und ließ sich den Wein, den ihm der Goldschmied während der Arbeit reichlich schenkte, gar trefflich schmecken. Er malte ihm in Lebensgröße Sol und Luna,

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verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 526. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_526.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)