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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

dann eine Art Hinneigung. Sie war sehr groß und ersichtlich schwach; mit ihren jungen feinen Armen, die für ein zwanzigjähriges Mädchen etwas dünn waren, trug sie etwas vorgebeugt eine Platte mit Theetassen. Sie schien unter dieser leichten Last gebogen zu werden, wie eine Pappel beim Windeswehen. Sie lächelte über ihre Schwäche und schien sich zu entschuldigen.

Man fühlte sich versucht, sich zu entschuldigen, daß man sich von ihr bedienen ließ. Ihre Eleganz, ihre Sprache und ihre Schönheit, die bemerkenswerther war wegen der Linien, als wegen der Frische, ließen auf eine russische Fürstin schließen, die sich verkleidet hatte. Aber ihr reines Auge voll Güte und Zärtlichkeit besaß einen ganz anderen Zauber, den man in aristokratischen Ständen so leicht nicht findet.

Dieser Ausdruck der Güte, Sanftmuth und Willfährigkeit ermuthigte nur zu sehr zu ungehöriger Keckheit und war für das arme Kind Anlaß zu fortdauernder Verlegenheit. Die leichtfertigen jungen Männer, die Glücklichen der Welt, betrübten mit ihren indiscreten Verfolgungen dieses so gebrochene Herz. Sie war zärtlich, aber von einem Herzen, das rein und kalt war wie das Eis der Pole. In dieser Beziehung schien sie noch in dem Alter zu stehen, in dem sie entführt worden war.

Sie war gerne allein. Für sich, ohne geistlichen Einfluß, ging sie oft in die Kirche. Sie wäre sehr mystisch geworden, wenn sie mehr Bildung gehabt hätte. Wahrscheinlich in der Absicht, mehr allein zu sein, ungestört träumen und beten zu können, verließ sie ihre Stelle, wollte sie ihr Zimmer haben und verlegte sich auf’s Nähen. Eine schwierige Stellung in Paris, wo die Frauen so wenig verdienen. Wenn es ihr hier und da an Arbeit fehlte, so kehrte sie in den Dienst zurück. Aber so oft sie konnte, ging sie wieder in ihr einsames Stübchen, das über den Pariser Dächern ihr gestattete, immer an ihre heimathliche Einsamkeit und an ihre Familie zu denken. Ihre Beschützerinnen, die sie niemals aus den Augen verloren, riethen ihr oft zu heirathen. An Freiern fehlte es nicht. Sie schob es immer hinaus, sei es weil sie wie die melancholischen Herzen sich zu trösten fürchtete, sei es, daß die guten redlichen, aber etwas rohen Menschen, die sich um ihre Hand bewarben, ihren Zartsinn abschreckten und ihren unbestimmten poetischen Trieben wenig entsprachen. In guter oder übler Lage hat sie immer das Ansehen einer Dame, emer vornehmen Dame, voll Adel und Sanftmuth. Nichts Stolzes, nichts Serviles. Nur Eines erinnert an ihre Vergangenheik, daß sie nämlich, wenn sie die von ihr geliebten Damen besucht, ihnen nach orientalischer Weise demüthig die Hand küßt.

Das Alter kommt heran. Die schöne Catya steht am Ende der Vierzig. Sie hat sich zuletzt einer ehrwürdigen Person angeschlossen, die mit achtzig Jahren noch von ihrer Arbeit lebt. Madame Paul, eine arme Arbeiterin, die noch dazu das Unglück hat, ungestaltet und zwerghaft zu sein, theilt die Wohnung mit ihr. Ich weiß nicht, wie sie es machen, aber in ihrer großen Armuth finden sie noch Mittel, ihren armen Nachbarn Gutes zu erweisen.

Vor einigen Jahren erfuhr Catya’s Herz eine merkwürdige Prüfung. Sie begegnet auf der Straße einer bejahrten Dame, die sie zu kennen glaubt, die aber schlecht gekleidet ist und einen alten Shawl, einen alten Hut trägt, seltsamer Wechsel der Dinge! Es war ihre ehemalige Herrin, die nun ärmer geworden war, als sie. Catya tritt zu ihr, grüßt sie, küßt ihre Hand; die Andere, erstaunt und verwirrt, läßt aus ihrem übervollen Herzen einige Worte über ihr Unglück, über ihr äußerstes Elend entschlüpfen.

„Ach, Madame,“ rief sie, indem sie im Ueberströmen ihres guten Herzens sich wieder zur Leibeigenen machte, „Sie sind immer noch meine Gebieterin und was ich habe, gehört Ihnen!“

An demselben Tage hatte sie ihren Dienst verlassen und war bei Geld. Sie lief auf ihren Boden, der ganz in der Nähe war, und kehrte schnell mit ihren Ersparnissen zurück, welche sie in die Hände der Dame legte, die nur Thränen vergießen konnte. – Seit dieser Zeit habe ich sie nicht wieder gesehen.




Katechismus der deutschen Literaturgeschichte von Dr. P. Möbius. Auf dieses inhaltreiche in Leipzig erschienene Schriftchen machen wir die Leser der Gartenlaube um so lieber aufmerksam, als dasselbe seines Titels wegen vielleicht von Manchen nicht gehörig beachtet werden dürfte, indem die katechetische Form für derartige Bücher nicht ganz mit Unrecht in Mißcredit gerathen ist. Der Verfasser hat aber diese Form sehr gut zu besiegen gewußt, denn es erscheinen die Fragen nur als Ueberschriften der einzelnen Paragraphe, die durchaus nicht an Zersplitterung leiden. Das Büchelchen erhält dadurch noch einen ganz besonderen Werth, daß es bei jeder Gelegenheit die einschlagende Literatur sorgfältig namhaft macht und so dem Leser, welcher weiter eindringen will, die nachzulesenden Schriften bezeichnet.




Zur Beachtung. Schullehrern, Beamten und sonstigen Angestellten mit 200–400 Thalern Gehalt rathen wir allen Ernstes – Schneider zu werden. Wie Max Wirth in der neuesten Nummer seiner vortrefflichen Zeitschrift: „Der Arbeitsgeber“ erzählt, erhalten jetzt geschickte Zuschneider in Frankfurt 1000 bis 2000 Gulden Gehalt, und trotz alledem sind solche oft nicht einmal dafür zu bekommen. In London werden sie sogar bis 6000 Gulden bezahlt, d. h. mit dem Gehalt eines Ministers in einem kleinern Staate. Also Pädagogik, Diesterweg, Corpus juris etc. zum Fenster hinaus, und dafür Rockmaaß und Scheere zur Hand!




Schomburgk, der berühmte Reisende, ist seines Handwerks ursprünglich ein Handlungsdiener, in welcher Eigenschaft er längere Zeit auf einem Leipziger Comptoir gearbeitet hat. Aber von früher Jugend waren Reisen in ferne Länder seine Sehnsucht. Vor ungefähr sechzehn Jahren (also etwa 1842) bot sich die Gelegenheit dar, diese Sehnsucht zu stillen. Sächsische Schafe sollten nach Nordamerika verpflanzt werden; Schomburgk erbot sich zum Führer der Heerde, man nahm sein Anerbieten an, und er ging in die neue Welt!

Dort in den Vereinigten Staaten trieb er Handelsgeschäfte, und diese führten ihn nach Westindien, wo er ein selbstständiges Geschäft etablirte; aber er hatte kein sonderliches Glück, Verluste trafen ihn, die schwer zu ersetzen schienen; die Lust zum Handel verging ihm. Die Wunder der westindischen Tropenwelt umgaben ihn, er fing an, die Pracht der Pflanzen mit anderem Auge, als dem mercantilischen, zu betrachten; die Steine fingen an, sein Interesse in Anspruch zu nehmen; er lauschte den Erscheinungen des Wasser- und Luftoceans, er warf den Blick gen Himmel und verfolgte den Lauf der Gestirne; er verschaffte sich Bücher, um sich zu unterrichten, er verschaffte sich Instrumente, um das Firmament wegen der Lage terrestrischer Punkte zu befragen, um den Gang der atmosphärischen Erscheinungen zu verfolgen; er studirte mit dem anhaltendsten Fleiße, ohne Aufhören, ohne Unterlaß, und dazu in einem westindischen Klima. So ward Schomburgk ein Botaniker, ein Geolog, ein Physiker, ein Geograph, ein Hydrograph, und das Alles durch seine eigne Willenskraft, durch eigenes Studium, fern von all den literarischen Hülfsmitteln, die die alte Welt darbietet, ohne mündlichen Unterricht, nur dann und wann der Anleitung genießend, die ihm ein freundlich gesinnter Schiffscapitain in der Manipulation des Sextanten oder des Chronometers zu Theil werden ließ. Und doch ist Schomburgk ein würdiger Repräsentant wissenschaftlicher Bildung geworden; die britische Admiralität, die sich auf das geographische Handwerk doch wohl versteht, bat seine Vermessung von Anegada sanctionirt, die geographische Gesellschaft zu London hat ihn zu ihrem Sendling erkoren.


Allgemeiner Briefkasten.

O. S. in Gg. Freundlichen Dank für das Interesse, welches Sie an unserer Zeitschrift nehmen. Ihr Wunsch in Betreff einer Abbildung der Schiller-Goethe-Statue wird in einer der nächsten Nummern erfüllt werden; nur nimmt die Aufnahme, Ueberzeichnung und der Schnitt einige Wochen Zeit weg. Zu einer Copirung der Abbildung aus den Schiller-Jahrbüchern mochten wir nicht unsere Zuflucht nehmen.

G. in H. (Holstein). Die Geldsendung ist seiner Zeit richtig eingetroffen, und ganz Ihren Wünschen gemäß an die zwei Betheiligten vertheilt worden. Ausführliche Quittung werden Sie in einem der nächsten Briefkasten finden, und wenn Sie die Freundlichkeit bätten, uns Ihre Adresse so deutlich zu schreiben, daß wir sie lesen können, werden wir Ihnen auch gern die Originalquittungen zugehen lassen.

Gust. in Akb. Recht hübsch, daß Sie mit Ihrem Herrn Bruder eine Rheinreise gemacht, aber die Skizze aus Königswinter eignet sich doch nicht für die Gartenlaube. Geben Sie uns behufs Rücksendung des Manuskripts recht bald Ihre genaue Adresse an, da die Post den Ort A. auf keiner Landkarte zu finden weiß.

K. in Dipp. und R. G. in R. Gute Gesinnung, aber sehr schlechte Verse.

Rhde. in Dr. Bedauern sehr, die Aufnahme ablehnen zu müssen. Daß Sie uns außerdem zumuthen, ein in einem andern Journal bereits veröffentlichtes Gedicht nochmals abzudrucken, beweißt eine – kühne Selbstschätzung.

H. Rchtz. in W. Danken für Zusendung des Gedichts, das von tiefem Gefühl und gesunder Auffassung zeigt, aber in der Form doch noch zu schwach ist, als daß es abgedruckt werden könnte.

Math. Lp. in Schögn. Geburtstagsgedichte dürften im dortigen Wochenblatte mehr ihren Zweck erreichen.

G. G. in St. P. Wenn Sie eben so schlechte Pillen fertigen, wie Novellen, dann bedauern wir alle Kranken Ihres Viertels. Bitte, verschonen Sie uns in Zukunft mit Ihrem Unsinn.

G. K. in L. Sie wünschen in der Gartenlaube eine Abbildung der Zusammenkunft der beiden Kaiser in Stuttgart zu sehen und zwar, wie Sie sich auszudrücken belieben, „weil Sie von dieser Zusammenkunft große Resultate für Deutschland und namentlich bei der genialen Auffassungsweise des Kaisers Napoleon, die schnellste und beste Entscheidung der wichtigsten deutschen Fragen erwarten.“ Wir wissen in der That nicht, ob wir in Ihrer Zuschrift mehr die Dummheit oder mehr die Niederträchtigkeit Ihres darin ausgesprochenen Nationalgefühls bewundern sollen. Sie schämen sich also nicht, direct die Entscheidung eines fremden Potentaten in Fragen des Vaterlandes anzurufen, und scheuen sich nicht, das Heil Deutschlands, das sich nach Ihrer Meinung mithin nicht selbst helfen kann, in die Hände eines Mannes zu legen, der sein eigenes Land mit eiserner Hand niederhält, und dessen Lebensaufgabe es sein muß, unser schönes Vaterland zerrissen und schwach zu erhalten. Sie fühlen nicht, daß Sie durch Ihre Hoffnungen das Unglück, ja mehr noch die Schmach Deutschlands deutlich aussprechen, und haben des Ehrgefühls so wenig, daß Sie die Einmischung eines Fremden in unsere Angelegenheiten herbei wünschen, ja als ein Glück ansehen. Für eine solche Gesinnung haben wir allerdings keine Antwort, wir verbitten uns aber von jetzt ab Ihre Zuschriften, die wir mit Ekel zurückweisen müßten.



Nicht zu übersehen!

Mit dieser Nummer schließt das 3. Quartal, und ersuchen wir unsere geehrten Abonnenten, ihre Bestellungen auf das 4. Quartal schleunigst aufgeben zu wollen.


Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 540. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_540.jpg&oldid=- (Version vom 14.10.2022)