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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

Vertheidigung meiner Hacienda und meine Geschicklichkeit in der edlen Feuerwerkskunst ebenfalls in großem Ansehen und werde häufig gebeten, ihnen Feuerwerke zu veranstalten, was ich der guten Nachbarschaft wegen – sieben deutsche Meilen gelten hier wie schon bemerkt als keine Entfernung – auch stets bereitwillig thue. So habe ich denn wirklich jetzt keinen geringen Nutzen davon gehabt, daß ich als preußischer Artillerie-Fähndrich und Lieutenant mich auch in der Feuerwerkskunst möglichst zu unterrichten gesucht habe.

Im Uebrigen ist mein Leben hier sehr einfach, aber gesund und sagt mir zu. Ich bin ein reiner Viehzüchter geworden und treibe Acker- und Gartenbau nur so viel, um die geringen Bedürfnisse meines eigenen Haushaltes mit dem gewonnenen Ertrage zu bestreiten. Alle meine Einnahmen bestehen aus dem Erlöse von verkauften Fellen, Talg, getrocknetem Fleisch, Hörnern und von 50–60 jungen Pferden, die ich durchschnittlich zum Preise von acht preußischen Thalern das Stück in Mendoza verkaufe, während die älteren Hengste und Mutterstuten, die nicht mehr tragen wollen, sogleich getödtet werden, worauf ihre Haut benutzt und ihr Fett in den Talgkessel geworfen wird. An Rindern aller Art werden auf der Hacienda jährlich gegen 500 Stück geschlachtet, die Felle, Hörner, Talg und etwas getrocknetes Fleisch wird verkauft, sehr viel frisches Fleisch selbst verzehrt, denn die Gauchos leben fast nur von gebratenem Fleisch, das Uebrige verzehren die Hunde oder auch die zahllosen Geier oder anderen Raubvogel. Diese Schlachterei ist zwar kein angenehmes Geschäft, und ich ziehe mich möglichst davon zurück und überlasse die Aufsicht im Schlachthause, das ich eine Viertelstunde von meinem Wohnhause entfernt habe aufbauen lassen, einem eingebornen Gaucho, allein sie ist nothwendig, denn ich könnte sonst meine Producte gar nicht verwerthen. Alle Jahre werden zwei Mal Häute, Hörner und Talg in großen Ochsenkarren, von denen jeder mit sechs bis acht starken Ochsen bespannt ist, nach Buenos-Ayres geschickt und dafür Stoffe zur Bekleidung, europäische Waaren, Weine, Zucker und andere Luxusartikel wieder eingehandelt. Da das Fahren mit diesen Ochsenkarren nur sehr langsam von statten geht, so dauert solche Reise hin und zurück stets an drei Monate und ist daher eine langweilig Sache. Gewöhnlich vereinigen sich die Karren von mehreren Ansiedlungen zu einer solchen Fahrt, so daß zwanzig bis dreißig Ochsenkarren zusammenkommen und die Führer dadurch im Stande sind, sich gegenseitig gegen umherschweifende Indianerbanden zu schützen. Ich selbst bin vor sechs Monaten einige Tage in Buenos-Ayres gewesen, um mehrfache Geschäfte dort zu besorgen, und werde jetzt wieder dahin reiten und bei dieser Gelegenheit auch dies Briefpaquet nach Europa spediren. Ich mache die Reise stets zu Pferde, da man auf den Poststationen, wo die Regierungscouriere ihre Pferde wechseln, Reitpferde und einen Gaucho als Führer bekommen kann. Da ich auf diese Weise täglich zwanzig bis vierundzwanzig Meilen zurücklege, so währte meine letzte Abwesenheit im Ganzen nur einige Wochen.

Buenos-Ayres als Stadt gefällt mir nicht sonderlich, und obgleich dieselbe als Handelsplatz, der größeren Nähe von Europa wegen, mannichfache Vortheile hat, so möchte ich doch weit lieber in Valparaiso leben. In Buenos-Ayres halten sich übrigens viele Deutsche auf, und die meisten derselben, die ich sah, schienen in ganz sorgenfreien Verhältnissen zu leben. Ich selbst nahm bei meiner letzten Anwesenheit zwei Deutsche in Dienst, von denen der eine ein Schmiedegesell ist, der eine Schmiede bei mir eingerichtet hat, der andere aber ein Ackerknecht, der mir Waizen bauen soll, und wenn ich jetzt wieder hinkomme, so will ich sehen, daß ich noch vier bis fünf tüchtige deutsche Arbeiter bekommen kann. Wenn die Leute nur einigermaßen arbeiten wollen, so kann ich denselben eine sorgenfreie Existenz und später immerhin auch etwas Feld zum Ackerbau verschaffen. Mein Haushofmeister bleibt aber immer mein treuer Hansen, der mir folglich immer unentbehrlicher wird, und die nützlichsten Dienste aller Art leistet. Ich hoffte immer, er solle sich bald verheirathen, der alte Bursche scheint aber ein ständiger Junggeselle bleiben zu wollen.

Dies sind denn in kurzen Umrissen meine mannichfachen Erlebnisse, seit wir uns im Winter 1850 von einander trennten. Hart habe ich zwar arbeiten und manche schweren Entbehrungen ertragen müssen, aber mit Gottes gnädigem Beistand ist es mir bisher doch gut ergangen; ich habe eine Familie, die ich über Alles liebe, ein Eigenthum und die sichere Hoffnung, mir und den Meinigen eine sorgenfreie Existenz zu gründen. Bin ich nur erst mehr aus dem Groben heraus, so will ich es mir schon von Jahr zu Jahr behaglicher einrichten, und in zehn Jahren hoffe ich schon ein Landhaus zu besitzen, welches man auch in Deutschland mit Anstand bewohnen könnte. Jetzt freilich sieht es noch gar wild bei mir aus, und mein Schreibtisch ist ein Bret, welches zwei alte Tonnen als Füße hat. So rasch wie in Nordamerika kann man zwar hier nicht reich werden, denn die Viehzucht wird in den entlegeneren Provinzen stets unsere Hauptbeschäftigung bleiben müssen; aber es geht hier sicherer vorwärts – und was die Hauptsache ist, ich bin vollkommen zufrieden. Schreibe mir bald und viel, besonders aber die persönlichen Verhältnisse von allen Freunden, jede Kleinigkeit hierin wird von großem Interesse für mich sein.




Die Pulver-Explosion in Mainz.
(Schluß.)

In dem Augenblicke der Explosion passirten drei Fuhrwerke die Gauthorbrücke; sie wurden in den Graben hinabgeschleudert, wo man die vier Pferde und zwei Fuhrleute in einer großen Blutlache wiederfand; der dritte – der Vater der beiden andern nämlich – kam mit schweren Wunden davon.

In nächster Nähe der Explosion war das Wohnhaus des Dachdeckermeisters Schumann. Dieser Unglückliche befand sich mit zweien seiner Söhne zu Hause und alle drei wurden unter den Trümmern begraben, während seine Frau mit einigen Kindern abwesend war. Wir sahen den heimkehrenden jungen Schumann seine zwei Brüder und andern Tags auch seinen Vaier aus dem Schutte ausgraben. Neben diesem wohnte, ein braver und thätiger Familienvater, Klingelschmitt mlt Namen, der sammt Frau und drei Kindern unter dem Schutte seines Hauses begraben wurde und erstickte, und sechs Tage später zog man ein noch vermißtes Dienstmädchen unter demselben Schutthaufen hervor. Nur zwei Kinder sind von dieser Familie noch übrig, da eines in der Schule war und der älteste Sohn beim Militär in Darmstadt steht. Letzterer eilte bei der Nachricht des ihn betroffenen Unglückes hierher, um noch einmal die sterblichen Ueberreste seiner Angehörigem zu sehen. Diese Scene zu beschreiben bin ich nicht im Stande.

Der ferner in unmittelbarer Nähe wohnende Privatdiener St., welcher, um bei einer Tafel serviren zu müssen, sich zur Stunde des Unglücks nach Hause begab, sich umzukleiden, fand seinen Tod, so wie in einem anderen naheliegenden Hause einem in der Wiege liegenden 21/4 Jahre alten Kinde, dem Tüncher C. angehörig, der Kopf zerschmettert wurde. Ergreifend ist’s, wie eine unter dem Schutte hervorgegrabene Frau fast sieben Stunden mit vollem Bewußtsein unter demselben das Schrecklichste zu befürchten hatte. In knieender Stellung lag sie, rufend und betend, halb durch eine Vertiefung in der Wand, halb durch ihren vorliegenden Arm vor dem Erstickungstode geschützt, aber unfähig, sich zu bewegen, in diesem entsetzlichen Grabe. Anfangs hatte sie, nach ihrer eigenen Aussage, noch etwas Raum über ihrem Kopfe, allein nachrieselnder Schutt verengte ihn immer mehr, zuletzt konnte sie nur noch, bei jedem Athemzugs Staub verschluckend, mit Mühe athmen. Endlich gelang es den wackeren Gräbern, mit Vorsicht eine Oeffnung an diesem Orte zu erlangen und so die Arme verletzt hervorzuziehen, während nur einige Schritte von ihr ihr Mann, St., ohne daß sie es wußte, den schmählichen Tod gefunden: als der edle Soldat, der unermüdlich bei der Arbeit ausgehalten hatte, die Gerettete hervorzog, sahen wir ihn vor Freude ohnmächtig niedersinken.

Zwei junge Bildhauer wurden in ihrer Werkstätte erschlagen; einen in der Stadt allbekannten Kellner ereilte auf einem Spaziergange ganz in der Nähe der Unglücksstätte der Tod. Einem

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verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 719. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_719.jpg&oldid=- (Version vom 27.12.2022)