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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

Costüms und ebenso prächtigen als reizenden Allegorieen des Gartenbaues, des Hanf- und Flachsbaues, des Frühlings, Sommers, Herbstes und Winters, des Wiesen- und Weinbaues, der Obstbaumzucht und endlich der Alpenwirthschaft oder „Käserei.“ Ich gestehe, daß dieser höchst gelungene und malerische Festzug, welcher in allen seinen individuellen Erscheinungen und Attributen den anziehenden Charakter des kräftigen und gemüthlichen Schweizervolkes als originelles Ganze mir vor Augen führte, auf mich einen herrlichen Eindruck machte und mir, ganz abgesehen von der vollständigen Befriedigung der Schaulust, ein historisches Interesse und Sympathieen für die Schweizer einflößte.

Von all’ seinem Interessanten erwähne ich in einem kleinen Bilde nur die, für weitere Kreise auch praktisch werthvolle, Alpenwirthschaft oder „Käserei“, deren allegorische Schlußgruppe auch von den vielen Tausenden der Zuschauer aus allen Theilen der Schweiz und den umliegenden Ländern am lebhaftesten applaudirt ward. Drei riesige Ochsen echter Alpenrace zogen den mit rothem Tuch drapirten und mit den verschiedenen Geräthen der Alpenwirthschaft ausgeschmückten Festwagen. Unter dem sinnig angebrachten „Käsekessel“ brodelte das Feuer und der kräftige „Käser“ zerrührte mit dem „Milchbrecher“ den zarten „Schluck“, indeß der „Ankenkübel“ im Schwunge den Rahm („Nidel“) in „Anken“ (Butter) verwandelte, welche ein anderer Schweizer in einer „Gebse“ zu Ballen knetete. Vorn auf dem Wagen handirten die jodelnden „Sennen“ mit den Milchgeräthschaften als „Hüttenknechte.“ Der Jubel der Zuschauer wollte nicht enden, als der gesottene „Käs“ mit dem „Kästuche“ aus dem Kessel gehoben und im „Järb“ (Käsereif) ausgeschlagen und gepreßt wurde.

Schweizer Schwinger.

Nachdem der Festzug sich durch die Hauptstraßen Berns bewegt hatte, wendete er sich zurück zu seinem Ausgangspunkte, der eine Viertelstunde vor der Stadt liegenden „Enge“, wo er sich in ein malerisch buntes Wogen auflöste. Jubel und Musik erschallten bis in die Nacht.

Kaum graute der nächste Morgen, als auch schon die geschäftigen Hände der Werkleute Zurüstungen zu einem neuen Festacte trafen. Auf dem Berner Schießstande ward ein weiter Circus aufgeschlagen, wo das berühmte „Schwingen“ und „Steinstoßen“ der Schweizer in großem Maßstabe dargestellt werden sollte. Am 5. October, dem Tage dieses „Schwingfestes“, lockte mich eine heitere Bewegung, welche wie ein elektrischer Strom bereits am frühen Morgen durch alle Theile der Bevölkerung ging, hinaus nach dem Schauplatze. Von einem sicheren Standpunkte aus sah ich in endlosem, malerischen Zuge Tausende von Menschen heranwogen. Jeder suchte sich eine gute Position zu erobern. In wenigen Minuten hatte sich um die Planken des Circus ein dichtgedrängter Ring von Köpfen gebildet und die umherstehenden Bäume füllten sich mit kühnen Kletterern, was sich nicht wenig komisch ausnahm, da auch ältere Männer, selbst hier und da eine verwegene Dirne, sich schlanke Aeste zu Schauorten auserkoren. Ungeheuere Heiterkeit durchdrang das Gewimmel, denn Alles freute sich lebhaft darauf, die renommirtesten „Schwinger“ der Eidgenossenschaft an diesem

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 13. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_013.jpg&oldid=- (Version vom 23.2.2020)