Seite:Die Gartenlaube (1858) 044.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

auf Gnade und Ungnade zu verlangen, worauf meistens keine Antwort erfolgt. Das auf diese Weise inhaftirte Paar hat nun Zeit, sich über seine gegenseitigen Gefühle klar zu werden, denn bevor das Tagesgestirn dem Meere entsteigt, ist Niemand befugt, in das Haus einzudringen, es sei denn, daß die Bewohner desselben freiwillig die Thür öffneten. Dies geschieht aber selten und die Sittenrichter harren bei Gesang und Trank bis zum kommenden Morgen. Kaum ist dieser angebrochen, so wird da draußen Ernst gemacht. Man verstopft die Schornsteine mit Schnee oder allerlei Unrath, so daß man im Hause vor Rauch umkommen muß, man versucht Fenster zu öffnen oder Thüren zu sprengen und will das Alles nicht gelingen, so nimmt man die Ziegel vom Dache und steigt auf diese Weise in’s Haus. Aber dann findet man meistens das Mädchen allein. Die nun stattfindende Haussuchung wird so genau und vollkommen vorgenommen, als wenn Alle ausgelernte Polizisten wären: das Unterste wird zu oben gekehrt und kein Plätzchen undurchsucht gelassen, bis man endlich den Verliebten aus seinem Versteck hervorzieht. Ein lautes Hurrahgeschrei kündet den Fund an. Man richtet an den jungen Mann die Frage, ob er mit dem Mädchen verlobt sei? Bejaht er solche, so wünscht man dem Paare Glück, bringt ihnen ein Hoch und verkündet, den Bräutigam in ihrer Mitte mit sich fortziehend, der ganzen Insel das frohe Ereigniß einer neuen Verlobung. Erfolgt indeß auf jene Frage ein „Nein“, so wird dem Liebhaber ein Tau um den Leib gebunden und er, alles Sträubens ungeachtet, durch das Lynchgesetz verurtheilt, zur Abkühlung seines Liebesfiebers drei Mal hin und zurück, durch ein dazu bestimmtes Gewässer geschleift zu werden. Gesteht er während dieser Procedur seine Verlobung ein, so wird dadurch sein Strafmaß selbstredend abgekürzt. Im Winter wird, wie es noch im vergangenen stattfand, eine Passage durch das Eis hergestellt und dann der Schuldige der Wassertaufe übergeben. Daß die ganze Bevölkerung diesem tragikomischen Schauspiele beiwohnt und daß der auf solche Weise zum Baptist Gewordene Jahre lang ein Spott seiner Cameraden bleibt, läßt sich denken. Es vergeht daher oft manches Jahr, wo sich Keiner ertappen läßt; so war in den letzten zehn Jahren kein Sünder diesem Sittengerichte verfallen, aber der vergangene Winter forderte endlich wieder eine Wassertaufe.

H. M.


Originelles Grabmonument. Auf dem Friedhofe zu Thierfeld bei Hartenstein im sächsischen Erzgebirge steht das nebenbei abgebildete ganz hübsche Monument, auf dessen Vorder- und Hinterseite folgende Grabschrift angebracht ist:

Vorderseite:

Der hochwohlgeb. Herr Herr Patricius von Flemming, ein Irländischer Baron und tapfer Krieges Officier, welcher nach 15 Feldzügen, 7 Belagerungen, und 13 hitzig Actione, als Köngl. Poln. und Churfrst. Sächs. Capitain den 7. Sept. 1735 in 63. Jahr seines Alters, allhier zu seiner Ruhe eingegangen, wurde mit diesen Denkstein beehrt von M. Chr. Aug. Schützen, Hochgräfl. Schönburg. Hartensteinischen Inspector und Hof Prediger.

Rückseite:

In Irland fing ich an zu leben, doch nicht von Irland, andere Länder sahen und brauchten mich.

England als Fähnrich 3 Jahr zu meinen Unglück, Frankreich als Garde du Corps 4 Jahr, Lothringen unter den Chevaux Legers 7 Jahr, Holland als Leutnant v. Dragonern 6 Jahr, Pohlen und Chur Sachsen als Capitain Leutnant, und Capitain von den Dragonern 20 Jahr.

Ich half Festungen bestürmen, Londonderry, Limerick, Douay, Bethune, Aire, Bouchain, und Stralsund sind 7 Zeugen.

Ich war mitten in den schärfsten Treffen bei Bain, Agrim, Kempten etc. und brachte Leben, Ehre und Ruhm davon. Als aber Krankheit meinen Leib bestürmte, und es zum Treffen mit den Tode kam, ging alles verloren bis auf die Seele, welche der Himmel in seine Bedeckung nahm.

 Hierüber merke Wanderer:

 Daß Sterbliche nicht können wissen
 Wie, wann, und wo sie sterben müssen.
Den Irland, Engeland, den Frankreich, Niederland,
Den auch Sardinien als tapfern Held gekannt,
Der ist in dieser Gruft mit Schild und Helm begraben.

Durch Einsinken des Leichensteines sind die folgenden letzten Zeilen nicht zu lesen.




Der amerikanische Spottvogel ist sowohl durch die Mannichfaltigkeit seiner Töne, wie durch den außerordentlichen Umfang und die Zartheit seiner Stimme, vorzüglich aber durch seine hervorstechende Gabe, die Töne und das Geschrei anderer Vögel und vierfüßiger Thiere nachzuahmen, berühmt. Dieser Vogel soll zugleich seinen Gesang mit einem dazu passenden Gebehrdenspiel begleiten. Wenn er zu singen anfängt, erhebt er sich langsam mit ausgebreiteten Flügeln, und sinkt dann mit herabhängendem Kopfe auf dieselbe Stelle wieder zurück, wie dies die Lerche bisweilen auch thut. Ist er in seinem Gesange weiter fortgeschritten, so schwebt er in schraubenförmigen Windungen auf und nieder, und wenn seine Töne munter und lebhaft sind, beschreibt er in der Luft Kreise, die sich in allen Richtungen durchkreuzen. Werden die Töne laut und folgen sie sehr schnell auf einander, so schlägt er die Flügel mit verhältnißmäßiger Schnelligkeit zusammen. Wenn aber die Töne ungleich sind, so schwingt und flattert er, jener Ungleichheit entsprechend, hin und her. Da er aber in seinen Anstrengungen endlich ermüdet, so werden seine Töne nach und nach sanfter, verschmelzen in sanfte Accorde und enden mit einer Pause, die eine besonders schöne Wirkung hervorbringt, während zu gleicher Zeit seine Bewegungen langsamer werden. Langsam und sanft gleitet er über den Baum, worauf er seinen Sitz hat, bis die Schwingungen seiner Flügel unmerklich werden und zuletzt ganz aufhören, und der kleine Musikus regungslos in der Luft schwebt, gleich dem Thurmfalken, wenn er auf Beute lauert. Man erstaunt, in einem so kleinen Vogel den König aller derjenigen Singvögel zu sehen, die nur einer Stimme oder eines Tones mächtig sind. Er ist nicht stärker als ein Staar, unten weiß, oben braun, mit einigen untermischten schwarzen und weißen Federn, vorzüglich zunächst dem Schwanze und um den Kopf herum, welcher letztere mit einer Art silberner Krone umgeben ist. Als sehr große Seltenheit oder vielmehr als eins der reizenden Wunder der Natur wird er in Europa im Käfig gehalten, wo er durch seine herrliche Stimme Herz und Ohr ergötzt. Er übertrifft alle Vögel an Anmuth und Mannichfaltigkeit des Gesanges und in vollkommener Beherrschung der Stimme; er ahmt die Töne eines jeden andern Vogels nach, und sticht den, welchen er nachahmt, sogar aus; selbst unsere europäische Nachtigall läßt er weit hinter sich zurück.

Im Ganzen genommen scheint dieser Vogel ein Vergnügen daran zu finden, wenn er seine befiederten Freunde irre führen kann. Bisweilen lockt er die kleinen Vögel mit dem Lockruf ihrer Gatten zu sich und erschreckt sie, wenn sie sich ihm genähert haben, mit dem Geschrei des Adlers. Sein natürlicher Gesang ist und bleibt jedoch der beste. Gewöhnlich besucht er die Dächer der Pflanzerhäuser, von wo er die ganze Nacht hindurch, auf einem Schornsteine sitzend, die süßesten mannichfaltigsten Töne aller mir denkbaren Vögel erschallen läßt. Sein Gesang macht ihn nicht müde, vielmehr begleitet er denselben noch mit Tanzen, und da er ohne Unterschied bei Tag und Nacht zwischen eigenem Lied und der Nachahmung Anderer abwechselnd singt, so sollen ihn auch die Amerikaner für heilig und übernatürlich halten.

Es ist ein Lieblingsthema der amerikanischen Schriftsteller, den Gesang des Spottvogels mit dem der Nachtigall, den viele Amerikaner gar nicht kennen, zu vergleichen. Audubon vergleicht die Nachtigall mit einer Soubrette, die, wenn sie sich unter einem Mozart ausbilden könnte, vielleicht mit der Zeit sehr anziehend werden dürfte. Dem Spottvogel hingegen erkennt er vollendete Virtuosität zu.

Merkwürdig bleibt, daß der Spottvogel die menschliche Stimme nicht nachahmen lernt.



Mit dem 1. Januar begann ein neuer Jahrgang der bei Ernst Keil in Leipzig erscheinenden Zeitschrift:

„Aus der Fremde,“
Wochenschrift für Natur- und Menschenkunde der außereuropäischen Welt,
redigirt von A. Diezmann.
Wöchentlich ein Bogen mit und ohne Illustrationen. Vierteljährlich 16 Ngr.

Unsere Zeitschrift beschäftigt sich mit Land und Leuten weit und breit, aus dem ganzen Erdenrunde. Sie gibt nicht Erdichtetes, sondern Wahrheit, aber, was sie erzählt, bestätigt gar oft den altbewährten Spruch: „Wirklichkeit ist seltsamer als Dichtung.“ Sie gibt nicht trockne Reiseberichte; sie beschreibt vielmehr Erlebnisse in der pikantesten und kleidet ihre Schilderungen in die eleganteste und anmuthigste Form; denn, was gelesen zu werden verdient, soll auch angenehm zu lesen sein. Ihr Feuilleton ist stets reich und neu. – Die große Verbreitung, welche die Fremde seit ihrem kurzen Bestehen gefunden hat, beweist am besten die Gediegenheit des Blattes.

Alle Buchhandlungen und Postämter nehmen Bestellungen an.

Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 44. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_044.jpg&oldid=- (Version vom 23.2.2020)