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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

von ihm gefunden, lebte er noch in jüngeren Zeiten; an der Mosel, Maas, Yssel, Lippe, Weser, Aller etc., so wie im Lüneburgischen muß er gleichfalls häufig gewesen sein, eben so östlich von den letzteren Gegenden, besonders an der Elbe, Oder, Havel, Weichsel u. s. w., wo man ihn, wie auch an der Donau, einzeln noch jetzt finden kann. Im hohen Norden und Nordosten kommt er häufiger vor, besonders in Rußland zwischen der Dwina und dem Ural, an der Petschora, aber auch südlicher in Litthauen, dem Gouvernement Minsk, wo einige Dörfer danach benannt sind, sodann in Finnland, um den bottnischen Meerbusen, in Schweden und Norwegen. Reich an Bibern ist das asiatische Rußland und da wieder die unwirklichen Gegenden Sibiriens, am Ob und dessen Nebenflüssen, besonders im Beresowschen Gebiete, dann weiter südlich in den vom Ob und Irtisch bewässerten Strecken bis zur Issimschen Steppe, in den finstern Wäldern bei Tara, Tobolsk und Surgut, längs der Samara, dem Kinel und mehreren Steppenflüssen. Am Tas und Jenisei gehen sie bis zum 67° n. Br. hinauf. Ihre südlichste Grenze mag in Asien bis etwa zum 38° n. Br. gehen, indem sie sich vom caspischen See bis zu den wasserreichen, waldigen Gegenden der großen freien Tatarei hinziehen. Vor Allem aber ist Nordamerika der Erdtheil, in welchem die Biber in unerhörter Menge lebten, und stellenweise noch anzutreffen sind, vom mexicanischen Meerbusen und Louisiana an bis nach Pennsylvanien. Ihr Lieblingsaufenthalt scheint um die Hudsonsbay zu sein, wo noch heut zu Tage die meisten erlegt werden. In wilden Gegenden, um den Michigan-, Erie-, Ontario-, Sclaven- und Arathapeskow-See sind sie in solcher Menge anzutreffen, daß an letzterem sogar ein Stamm der Eingebornen den Namen „Biber-Indianer“ erhalten hat. Eben so häufig sind sie östlich und südöstlich von der Hudsonsbay, in Labrador und Canada. Hört man indeß von den vielen Tausenden von Fellen, die alljährlich in den Handel kommen, so steht zu befürchten, daß auch für die Biber eine Zeit eintreten wird, wo sie wie Auerochsen, Steinböcke und Gemsen durch die strengsten Jagdgesetze geschützt werden müssen, um nicht im Dienste des Menschen vollständig aus der Schöpfung zu verschwinden.




Garnison- und Parade-Bilder.
I. Der Doppelgänger.

„Adjutant!“ hörte ich auf dem Casernenhofe rufen.

„Der Adjutant zum Herrn Oberstlieutenant, gleich!“ war das Echo von einem halben Dutzend dienstbeflissener Stimmen.

Aber kein Adjutant ließ sich sehen.

„’s is weeß Gott wahr,“ brummte der Oberstlieutenant, „Allens muß man ooch selber machen. Die Feldwebel!“

„Feldwebel zur Befehlsausgabe!“ lautete das Echo.

Sie standen bald im Kreise um den Alten, der – den Zeigefinger an der Nase – sich anschickte, ihnen den Tagesbefehl zum kommenden Morgen selbst in die Feder zu dictiren.

„Bataillonsbefehl zum 17. Mai, eintausend achthundert und …, haben Sie’s?“ fragte er.

„Sehr wohl, Herr Oberstlieutenant,“ war die Antwort, und um die Mundwinkel der also Befragten zuckte leise und schnell, wie der Blitz, ein fast unmerkliches Lächeln.

„Der Herr Oberstlieutenant halten zu Gnaden,“ bemerkte einer der Nachschreibenden, ein junger Mensch mit aufgewecktem Gesicht, das ein pechschwarzer Schnurr- und Backenbart einrahmte, „wir haben aber morgen den 18. Mai.“

„Weeß Gott, Feldwebel, wissen Sie das gewiß?“

Es wurde ihm von allen übrigen bestätigt.

„Na, lassen Sie man einstweilen den Datum aus und sehen Sie zu Hause nach, ich weeß es Gott – nich aus dem Kopfe. Also, – Bataillonsbefehl zum … Mai eintausend achthundert und …: das Bataillon steht morgen früh – im besten Anzug – mit vollständigem Gepäck – in Compagniecolonnen rechts formirt – formirt, zum Ausrücken bereit – bereit; haben Sie’s?“

„Um welche Zeit befehlen der Herr Oberstlieutenant?“ fragte der Nämliche wieder.

„Weeß Gott, Feldwebel, Dummerjan, passen Sie besser auf. Um 1/2 6 Uhr. – Lesen Sie den Befehl noch einmal vor.“

Es geschah wie er verlangt hatte.

„Na, nun haben Sie Alles, geben Sie es man an die Compagnie aus.“

„Der Herr Oberstlieutenant halten zu Gnaden,“ bemerkte ein Anderer, den neben ihm Stehenden leise mit dem Aermel anstoßend, „aber soll das Bataillon im Casernenhofe oder auf dem Exercierplatze stehen?“

„Unterbrechen Sie mich doch nicht ewig, Feldwebel, Mensch dummer, ’s is weeß Gott wahr, wenn man ooch Allens selber machen muß. – Aber wo zum Teufel stecken Sie denn ooch, Herre?“ schnauzte der Alte den Adjutanten an, der so eben herbeigeholt und in den Kreis der Schreibenden getreten war, seinem Commandanten das Honneur machend. „Geben Sie den Befehl vollends aus; wenn ich Allens selber machen soll, da brauche ich weeß Gott gar keenen Adjutanten!“

Der Befehl ward schnell vervollständigt, dem Alten dann zur Genehmigung vorgelesen und von diesem brummend und mit unverkennbaren Zeichen von schlechter Laune approubirt.

„Und sagen Sie dem Capitain W., daß er mir morgen seinen Hund einsperrt und die Canaille von einem Affen dazu; ich mag keenen Scandal im Bataillone haben!“

„Sehr wohl,“ erwiderte der Adjutant, die Hand an den Hut legend und den Befehl sofort dem fraglichen Capitaine übersetzend, der, etwa drei Schritt davonstehend, ihn bereits Wort für Wort in seiner primitiven Fassung vernommen hatte.

Dieser Capitain W., ein drolliger Kauz voller Witz und Laune, hatte nämlich schon seit Jahren einen schönen weißen Pudel, der Rammi hieß und den er zärtlich liebte. Einige Monate vor der Begebenheit, die ich im Begriff bin zu erzählen, hatte er einen Affen zum Geschenk erhalten, und sein erster Gedanke, als das geschwänzte Thier bei ihm eintraf, war, dasselbe auf den Pudel zu setzen. Der Pudel hatte sich diesem Experimente nur mit Widerwillen, herabhängenden Ohren, eingezogener Ruthe und mit allen sonstigen unter seines Gleichen gebräuchlichen Zeichen des Mißbehagens gefügt und war dann, sich aus Leibeskräften schüttelnd, mit langen Sprüngen davongeeilt. Aber er mochte schnell wie ein Pfeil über den weiten Exercierplatz schießen oder sich auf dem Boden wälzen oder sonst thun was ihm beliebte, der Affe war nicht aus dem Sattel zu heben, sondern behauptete unerschütterlich seinen Sitz, sich nur um so fester an das wollige Haar seines Begleiters klammernd, natürlich zum größten Jubel der zuschauenden Compagnie, die dem Ausgange mit Spannung entgegensah. Endlich war mein Pudel, zum letzten Mittel schreitend, über Hals und Kopf in den nahen Teich gesprungen, aus dem bald nichts mehr als sein behaarter Kopf hervorragte. Aber auf diesem Kopfe, mit anerkennenswerther Geschicklichkeit, balancirte auch der Affe und langte wohlbehalten und ohne sich auch nur soviel als die Pfoten naß gemacht zu haben, mit seinem Reitpferde am andern Ufer an, sogleich wieder seinen schulgerechten Sitz auf dem Rücken desselben einnehmend. Sei es nun, daß der Pudel sich in das Unabänderliche mit Resignation fügte oder daß seine Antipathie wirklich nachgelassen hatte, kurz von diesem Tage an waren Beide – Hund und Affe – unzertrennliche Freunde und begleiteten die Compagnie auf ihren Märschen, im Cantonnement, auf den Exercierplatz, ja selbst zur Wachparade, bis ein rügender Bataillonsbefehl unseres Alten, der namentlich den Affen nicht leiden konnte, wenigstens diese beiden letzteren – ernsthaften – Uebelstände abstellte, zum großen Leidwesen der betreffenden Compagnie, der Pferd und Reiter eine unerschöpfliche Quelle immer neuer Erheiterung darbot. Der Compagnieschneider, der außer diesem officiellen Amte noch das private eines Compagniespaßmachers bekleidete, hatte dem Affen aus seinem disponibeln Vorrathe von Tuch und Tressenabwurf eine rothe Uniform mit gelben Aufschlägen verfertigt; ein Anderer hatte ihm einen dreieckigen Uniformshut

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 69. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_069.jpg&oldid=- (Version vom 23.2.2020)