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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

über diesen Verdacht verschaffen. Dazu wollte ich die Besuche bei ihr benutzen.“

„Ich bitte jetzt, mir diese Diebstähle zu erzählen.“

„Schon einige Wochen, nachdem die Heisterberg zu mir gekommen war, verschwanden mir öfters Kleinigkeiten, dann eine feine Scheere, dann ein seidenes Nadelkissen mit einer kunstvollen Stickerei, Taschentücher von besonders feiner Leinwand, Spitzenkragen und dergleichen. Sie hatten keinen großen Werth; aber jedes einzelne Stück hatte etwas Besonderes, durch das es sich auszeichnete, durch seine Seltenheit, Feinheit, kunstvolle Bearbeitung oder Anderes. Auf die Heisterberg warf ich damals noch keinen Verdacht.“

„Hatten Sie Jemand Anderes in Verdacht?“ unterbrach ich die Dame.

„Im Grunde nicht. Ich dachte, die Sachen könnten verloren, zerbrochen oder zerrissen sein und man habe sie deshalb ganz beseitigt und leugne nun, von ihnen zu wissen. Die Putz- und Wäschgegenstände konnten die Wäscherinnen und Näherinnen verloren, verdorben, am Ende auch unterschlagen haben.“

„Hatten Sie schon früher, vor der Anwesenheit der Angeschuldigten, ähnliche Verluste gehabt?“

„Mitunter. Sie kamen immer vor; nur waren sie nicht so häufig gewesen.“

„Aus welchen Personen bestand Ihr Haushalt, während die Angeschuldigte bei Ihnen war?“

„Außer ihr selbst hatte ich einen Kutscher, einen Bedienten, eine Kammerjungfer und eine Köchin. Sie sind noch jetzt sämmtlich in meinen Diensten.“

„Dieselben Personen?“

„Dieselben Personen.“

„Schon seit längerer Zeit?“

„Der Kutscher und der Bediente waren schon im Dienste meines verstorbenen Mannes; die Kammerjungfer ist schon seit zwei Jahren bei mir; die Köchin seit beinahe einem Jahre.“

„Halten Sie Ihre Dienstboten für treu und redlich?“

„Ich habe nie eine Untreue oder Unredlichkeit an ihnen bemerkt; sie würden sonst nicht mehr bei mir sein.“

„Sie sprachen so eben selbst von Ableugnen, sogar von kleinen Unterschlagungen?“

„Ich sprach nur Vermuthungen aus, und auch diese nur meist gegen Leute außerhalb meines Hauses, Wäscherinnen und so weiter.“

„Ich bitte, fortzufahren.“

„Einen bedeutenden Diebstahl,“ fuhr die Dame fort, „entdeckte ich erst kurz vorher, ehe die Heisterberg mein Haus verließ. Durch ihn wurde zugleich mein Verdacht über die früheren Diebstähle gegen sie rege gemacht. Ich war vor sechs Wochen nach Louisenhof verreist, wo sich damals der Hof aufhielt.

„Ich hatte die Heisterberg mit der Köchin allein in meiner Wohnung zurückgelassen. Ich hatte ihr die Schlüssel zu der ganzen Wohnung anvertraut, auch zu den Schränken, mit Ausnahme derjenigen in meinem Wohnzimmer und in meiner Schlafstube, in denen ich mein Geld, meine Kostbarkeiten und die bessere, nicht im täglichen Gebrauche befindliche Leinwand verwahrte. Unter diesen Schränken befand sich ein Wandspinde in einer Ecke meiner Schlafstube. Ich verwahrte darin mein Silberzeug, meine Juwelen, und mein nicht für laufende Ausgaben bestimmtes Geld. Meine Juwelen und mein Silberzeug nahm ich nach Louisenhof mit mir. Das Geld aber ließ ich zurück, und zwar in folgender Art. Das unterste Schubfach des Spindes hatte in seinem Boden ein Loch, durch welches man in den darunter befindlichen Boden des Spindes selbst hineinreichen konnte. Durch das Loch nun versteckte ich einen Beutel mit 180 oder, was ich nicht genau mehr weiß, mit 200 Gulden in Kronenthalern, dergestalt, daß der Beutel zwischen dem Boden des Faches und dem des Spindes verborgen war; ein Dieb mithin, wenn er auch das Spinde geöffnet hätte, so leicht das Geld nicht hätte entdecken können. Das Spinde verschloß ich sorgfältig, den Schlüssel nahm ich mit den übrigen der Heisterberg nicht anvertrauten Schlüsseln mit mir. Nach acht Tagen kehrte ich zurück. Ich fand im Hause Alles in Ordnung. Nirgends fehlte mir etwas. Nur an das Spinde hatte ich in den ersten Tagen nicht gedacht. Als ich es nach acht Tagen öffnete und nach dem Beutel mit dem Gelde suchte, war er verschwunden. Aeußerliche Spuren von Gewalt oder sonst des stattgehabten Diebstahls waren weder an noch in dem Spinde zu bemerken. Ich hatte es verschlossen und bis auf den Verlust des Geldes Alles darin in derselben Ordnung gefunden, wie ich es bei meiner Abreise verlassen hatte.

„Der Diebstahl war mir ein Räthsel. Von einem Fremden konnte er nicht verübt sein. Die zurückgebliebenen Bewohner des Hauses hätten in irgend einer Weise bemerken müssen, daß ein Dieb dagewesen sei. Er konnte also nur von einem dieser Bewohner herrühren, mithin entweder nur von meiner Gesellschafterin oder von der Köchin verübt sein. Von welcher von Beiden? Die Köchin war seit zehn Monaten bei mir, und hatte sich immer treu bewährt. Die Gesellschafterin? Sie war eine gebildete Dame; sie hatte, wenn sie auch in Betreff ihrer Herkunft nicht immer bei der Wahrheit geblieben sein mochte, doch jedenfalls in der höheren Gesellschaft bisher gelebt. Konnte ich sie eines so gemeinen Verbrechens fähig halten? Und dennoch! Gerade jene Uebertreibungen und Heimlichkeiten über ihr früheres Leben, konnten sie mich nicht am Ende zu dem Schlusse berechtigen, daß ich eine Abenteurerin bei mir aufgenommen habe? Und andererseits waren seit der Anwesenheit der Heisterberg jene vielen, wenn auch immer nur unbedeutenden Gegenstände mir entkommen. Ich leugne nicht, mein Verdacht fiel auf sie. Aber ich hatte keinen Beweis. Ich äußerte, wie ich überhaupt den Diebstahl verschwieg, meinen Verdacht auch gegen Niemanden. Ich suchte manchmal sogar mich seiner ganz zu erwehren. Doch beobachtete ich sie. Ich entdeckte nun zwar nichts, was meinen Verdacht hätte vermehren oder nur bestätigen können. Allein er mochte dazu beitragen, daß ich ihr Benehmen im Ganzen mit ungünstigern Augen ansah, als bisher, und so entließ ich sie. Ich setzte ein äußerlich freundschaftliches Verhältniß mit ihr fort, um sie fortwährend beobachten zu können. Ich entdeckte jedoch auch jetzt nichts, was sie mehr hätte verdächtigen können. Nur fand ich einmal, als ich sie in ihrer jetzigen Wohnung besuchte, in ihrem Nähtische zufällig eine jener früher vermißten Kleinigkeiten wieder, ein Scheerchen, das ich bei meinen Stickereien gebraucht hatte.

„So blieb der Stand der Sache bis gestern.

„Am gestrigen Vormittage war die Heisterberg zu mir gekommen. Ich ladete sie ein, zu Mittag bei mir zu bleiben und mir Gesellschaft zu leisten, bis ich zum Besuch bei einer Freundin auf dem Lande ausfahren werde. Sie that das. Um drei Uhr Nachmittags fuhr ich aus, um gegen acht Uhr Abends zurückzukehren. Meiner Kammerjungfer theilte ich diese Zeit meiner Rückkehr mit und zwar in Gegenwart der Heisterberg, die sich gleichzeitig, von mir verabschiedete. Kurz vor acht Uhr Abends kehrte ich zurück. Unterdeß hatte sich Folgendes bei mir zugetragen:

„In meiner Wohnung waren die Kammerjungfer, der Bediente und die Köchin zurückgeblieben.

„Meine Wohnung liegt im ersten Stock des Hauses. Sie hat einen doppelten Ausgang; nach vorn durch einen Flur, der stets verschlossen gehalten wird; nach hinten durch die gleichfalls immer verschlossene Thür der Küche. An jenem Flur liegt gleich rechts von der Eingangsthür die Stube des Bedienten, mit einem Fenster, das auf den Hof führt. Am Ende des Flurs befindet sich die Thür zu meinem Wohnzimmer, mit den Fenstern nach der Straße hin. Unmittelbar an das Wohnzimmer, gleichfalls nach der Straße hin, stößt meine Schlafstube.

„Die Köchin war während meiner Abwesenheit in der Küche beschäftigt gewesen, und hatte diese nicht verlassen. Die Kammerjungfer hatte sich in der Bedientenstube bei dem Diener aufgehalten. Beide waren mit Arbeiten beschäftigt gewesen, und hatten sich dabei unterhalten.

„In ihrer Arbeit und Unterhaltung werden sie plötzlich durch ein lautes Geräusch gestört. Sie hören deutlich, wie die Flurthür stark zugeworfen wird. Es mußte ihnen dies unbegreiflich vorkommen. Die Flurthür, außer jener Küchenthür die einzige Thür, durch die man in die Wohnung gelangen kann, wird zwar, wie gesagt, immer verschlossen gehalten, aber, wenn Jemand im Hause ist, des Tages über nur durch das neben dem Hauptschlosse befindliche sogenannte Drückerschloß. Dieses Schloß wird von innen ohne Schlüssel, blos durch Aufheben der Klinke geöffnet, von außen aber mit dem sogenannten Drücker, einem Schlüssel ohne Bart. Dieser Drücker ist blos zum Aufheben jener Klinke, mithin nur zum Oeffnen bestimmt. Jemand also, der die Wohnung verläßt, kann die Thür nur durch Zuwerfen, und zwar durch ziemlich starkes Zuwerfen, wieder in Verschluß bringen.

„Nun existirte, wenigstens nach dem Wissen des ganzen Hauses, zu jener Thür nur ein einziger Drücker, und diesen trug damals

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 99. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_099.jpg&oldid=- (Version vom 23.2.2020)