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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

hüten, an den Brunnen zu gehen und zu kochen? Das Alles ist aber möglich und sogar leicht möglich dadurch, daß man das fließende Wasser im Zimmer hat.

Siehst Du nun, wie praktisch der Amerikaner ist! Die Wasserleitung hat Millionen gekostet, aber nur allein hundertunddreißigtausend weibliche Dienstboten werden durch sie erspart! Und wie hoch, glaubst Du wohl, müsse man einen Dienstboten in Newyork anschlagen? Fünf Thaler im Monat baar ist der geringste Lohn, und unter zehn Thalern kannst Du ihn nicht nähren, thut monatlich fünfzehn Thaler und – bei hundertunddreißig Tausenden jährlich mehr als 20 Millionen Thaler! – Die ganze Wasserleitung macht sich somit, wenn nicht direct, doch indirect in einem Jahre bezahlt. – Freilich, mit der Poesie der Marktbrunnengeschwätze ist’s zu Ende; aber was will der Amerikaner von Poesie? praktisch muß man sein. Poesie trägt kein Geld ein.

Noch großartiger zeigt sich die Wirkung der Wasserleitung bei allen Fabrikgeschäften und Maschinenwerkstätten, bei den Bierbrauereien, bei den Gerbereien und Schlächtereien, bei allen großen Geschäften, wo Wasser nicht entbehrt werden kann. Nimm nur eine Bierbrauerei an. Wäre nicht – z. B. bei einem Pumpbrunnen – ein eigener Mann nöthig, um das Wasser aus der Tiefe heraufzuholen? Wäre nicht wieder ein Mann nöthig, um das Wasser in die Pfanne oder den Kessel zu tragen? Und dann das Putzen und Ausschwenken der Maischbütte, der Kühle, der vielen Fässer? Und wenn der Pumpbrunnen, wie so oft und viel geschieht, nicht ausreichte, müßte man nicht einspannen und das Wasser in großen Fässern von „laufenden“ Brunnen holen? – Und jetzt? Hast Du nicht das Wasser im Keller, das Wasser am Kessel, das Wasser an der Maischbütte? Kannst Du nicht an dem nächsten besten Hahne einen Schlauch anlegen, und das Wasser auf die „Kühle“ hinauf laufen lassen, oder wohin Du sonst willst? Drei Männer zum mindesten sind in einem nur mittelgroßen Geschäft erspart und was an Zeit erspart wird, das ist noch mehr werth. Freilich – gespart wird das Wasser nicht, das wird mit einer Verschwendung angewandt, als ob das Meer auszuschöpfen wäre. In jedem Geschäft, wo man vielleicht fast täglich mit zehn Eimern voll auskäme, wenn man es fahren oder pumpen müßte, braucht man nun fünfzig und hundert! Man hat’s ja! – Und trotz dieses immensen Wasserverbrauchs, trotz dieser Verschleuderung sogar, ja und trotz der oft wahnsinnigen Hitze, die Menschen und Vieh auf den Straßen umfallen macht, als wären es Fliegen, trotz alledem gab’s noch keinen Sommer in Newyork, wo – nicht etwa Wassermangel eingetreten wäre, nein, wo man nur hätte sparen müssen! Nur wenn einer der großen dicken Teichel, eine der Hauptröhren, die über die Highbridge führen, beschädigt wird, nur dann, wenn man denken muß, die Ausbesserung könnte einige Wochen in Anspruch nehmen, und die großen Reservoirs sich entleeren, nur dann wird den Leuten angesagt, mit dem Wasser ein wenig schonender umzugehen! Das Höchste, was vorkommen kann, ist, daß größere Geschäfte veranlaßt werden, ein oder zwei Mal in der Woche auszusetzen, bis die Reparatur vorüber ist. So vortrefflich aber ist das ganze Werk, die ganze Leitung, daß in den fünf Jahren, die ich in Newyork verlebte, nur einmal dieser Befehl erging.

Doch nicht blos nützlich und vortheilhaft ist die Wasserleitung für Newyork; sondern – Newyork hätte ohne sie gar nicht werden können, was es geworden ist.

Im Hafen von Newyork liegen täglich im Durchschnitt zweitausend Schiffe und Schiffchen. Hunderte kommen heute an und Hunderte gehen morgen ab. Es ist ein Wald von Masten, eine Stadt von Schiffen. Wie meinst Du nun, könnten diese Schiffe, die täglich auslaufen, mit Wasser versehen werden, wenn die Wasserleitung nicht wäre? Wie viel tausend Tonnen Wasser müssen täglich gefüllt werden, und wie viel Menschen, wie viel Pferde, wie viel Fuhren wären nöthig, um diese Wasserquantitäten vom Brunnen herbeizuschleppen? Jetzt, so wie es nun ist, dreht man den Hahn in den Wasserröhren des Docks, legt den Schlauch an und in wenigen Stunden sind alle Fässer voll und ist Alles geschehen, ohne daß auch nur mehr als ein Mann nöthig gewesen wäre, der Füllung beizustehen!

Es ist ein großartig Ding, diese Wasserleitung. Für die Frauen so bequem und händig, für die Gewerbe so nützlich und zeitsparend, für die Schifffahrt so unentbehrlich! – Wie nun aber erst für den Luxus!

„Das Wasser unentbehrlich für den Luxus?“ So fragst Du verwundert; denn wenn wir, Du und ich, Luxus treiben wollen, so trinken wir kein Wasser, sonder Champagner. Aber vom Trinken ist auch gar nicht die Rede; wohl aber vom Baden.

Wie viel Städte in Deutschland gibt’s nicht, wo auch nicht eine Badeanstalt existirt; von Dörfern und kleinen Städtchen gar nicht zu reden! Und wie weit entfernt ist nicht oft der nächste Fluß, der nächste See! Hunderte, ja Tausende kennen ein „Bad“ nur vom Hörensagen, und Zehntausende kommen in ihrem Leben blos einmal dazu, ein Bad benutzen zu können. Ja sogar in größeren Städten ist das Baden ein Luxusartikel; denn es gibt vielleicht nur eine, höchstens zwei Badeanstalten und diese sind theuer, ja sogar, wenigstens für den gewöhnlichen Mann, zu theuer! – Wie ganz anders in Newyork! Nicht blos hat man da die beiden großen Ströme, den Northriver und den Eastriver und die großartigen Badeanstalten an denselben; nicht blos bestehen in der Stadt selbst Hunderte von Badehäusern, von Barbieren errichtet und gehalten; nein, der Luxus wird viel weiter getrieben, denn jedes gentile Haus, jedes Privathaus ohne Unterschied, das nicht zu einer Arbeiterwohnungscaserne eingerichtet ist, hat seine eigene Badeanstalt. – Es ist gar weit, von manchem Punkt der Stadt aus, bis an den Fluß, und die Leute in Newyork haben nicht immer Zeit, einen halben Tag zu opfern, um ein Bad zu nehmen. Und umgekehrt, es ist gar leicht, in einem Hause eine Badeanstalt einzurichten, da man ja das fließende Wasser bis in’s oberste Stockwerk hinauf hat. Man darf ja nur eine Röhre aufschrauben an die Hauptwasserröhre und sie in einen Badzuber richten, so hat man wenigsten« ein – kaltes Bad. Und wie leicht ist’s nicht im Winter, wo doch im Kochofen den ganzen Tag gefeuert wird, weil er zugleich Stubenofen ist, einen blechernen Wassercylinder am Ofen anzubringen, der eine ganze Familie tagtäglich mit warmem Wasser zum Bade versorgt! und im Sommer, – nun ist da das Crotonwasser an sich schon nicht warm genug? Vielleicht nur zu warm! – So kann Jeder, der nur halbwegs ordentlich wohnt, sich seine eigene Badeanstalt mit ganz wenigen Kosten herrichten; der Vermögliche aber, der ein eigenes Haus oder Häuschen oder auch nur die Hälfte davon für sich allein bewohnt, der braucht sich auch nicht einmal die Mühe zu geben, denn es wird in Newyork kein Familienhaus gebaut, ohne daß zugleich ein Badecabinet darinnen eingerichtet wird. Die ganz Reichen haben deren drei oder vier: für Vater, Mutter, Kinder und die Gäste. Und wie sind diese eingerichtet! –

Aber auch der Arbeiter, der Arme entbehrt nicht des Bades. Die Barbierbadeanstalten sind ja so wohlfeil, daß sie fast Jeder benutzen kann; und wem diese noch zu theuer sind, der gehe in eine der Armengesellschaftsbadeanstalten, wo er für drei Cents denselben Comfort hat, als der Reiche in Deutschland für seinen halben Gulden. – Man hat’s ja, das Wasser!

Doch einen Hauptnutzen der Newyorker Wasserleitung hätten wir fast vergessen: wir meinen den Feuersbrunstlöschungsnutzen. Und wie groß ist dieser Nutzen!

Es gibt keine Stadt in der ganzen Welt, wo es so oft brennt, als in Newyork. Kein Tag vergeht, wo nicht zwei oder drei Mal Feuerallarm wäre! Viele, sehr viele Tage aber gibt’s, wo zehn oder zwölf Mal das Feuerzeichen gegeben wird; und um den ersten Mai herum geschieht’s oft dreißig Male und noch mehr. Und so sehr haben die Menschen dorten sich hieran gewöhnt, daß keine Seele nur daran denkt, vom Bett aufzustehen, wenn es nicht gerade im Nebenhause brennt. Ja, Viele sind so kaltblütig geworden, daß sie vorerst an die Wand fühlen, ob diese schon heiß ist, und erst, wenn dieses der Fall, bequemen sie sich dazu, sich anzukleiden.

Woher diese oftmaligen Feuersbrünste kommen, ist schwer, vielleicht aber auch nicht schwer zu sagen. Eine Ursache mag darin bestehen, daß gar viele Häuser noch von Holz, oder wenn auch äußerlich von Backstein, doch im Innern wie von Schwefelhölzern zusammengeflickt erscheinen. Wo’s da einmal Feuer gefangen hat, da brennt’s gleich lichterloh! Eine zweite Ursache mag im Leichtsinn liegen, wie mit dem Feuer umgegangen wird. Man geht allüberall mit dem brennenden Lichte hinein und denkt an keine Laterne. Man feuert das Jahr hindurch und keinem Menschen fällt es ein, auch nur einmal nach dem Schornsteinfeger zu senden. Man häuft brennbare, sich selbst entzündende Stoffe übereinander und von Vorsichtsmaßregeln ist keine Rede. Eine dritte und Haupt-

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 108. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_108.jpg&oldid=- (Version vom 23.2.2020)