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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

kranke Civilisation nicht umsonst ihre schmerzenden, siechen Glieder trägt, um sie in den Umarmungen Amphitrite’s wieder erstarken zu lassen. Sie kamen und mühten sich ab, bis es ihnen gelang, das völlig unversehrt gebliebene Bild aus goldschimmernder Bronze glücklich den Wogen zu entreißen.

Die Nachricht von der unerwarteten Rettung der schon verloren gegebenen Königsstatue ward in Schweden mit großer Freude vernommen. Man wollte sich wieder in deren Besitz setzen, und trat mit den Rathleuten der Insulaner in Unterhandlung wegen des zu bezahlenden Bergelohnes. Hier nun stieß aber die schwedische Regierung auf ein nicht voraus berechnetes Hinderniß. Die Summe, welche die Helgoländer für die Statue verlangten, [1] die nach den eigenthümlichen Gesetzen des sogenannten Strandrechtes jetzt ihnen zu eigen gehörte, war so hoch gegriffen, daß sich Schweden mit gutem Rechte weigerte, um solchen Preis das Erzbild sich wieder zu erkaufen. Helgolands bisweilen außerordentlich eigensinnige Söhne ließen aber nicht mit sich handeln. Sie beharrten fest auf ihrer Forderung, und da ihnen diese von Seiten Schwedens nicht bewilligt ward, befanden sie sich plötzlich im Besitz eines Kunstwerkes, dessen Werth sie großentheils wohl nicht völlig zu würdigen wußten. Die meisterhaft gelungene Statue hätte sich zwar auf der einsamen Klippe in der stürmischen Nordsee wohl aufstellen lassen, und würde sich dort wahrscheinlich gar nicht übel ausgenommen haben, vielleicht sogar auch ein Magnet geworden sein, welcher zahlreiche Fremde dem Eilande zugeführt hätte. Indeß die Helgoländer beabsichtigten lieber, einen guten Handel mit dem vom Schicksal ihnen zugeworfenen Funde zu machen. Um einen bedeutend ermäßigten Preis boten die Insulaner die Gustav-Adolphs-Statue der Stadt Hamburg an. Weshalb die Bürger dieser Stadt das Anerbieten von der Hand wiesen, wissen wir nicht; genug, man lehnte es ab.

Der Zufall führte bald darauf einige kunstliebende und reichbegüterte Bremer Kaufleute nach Helgoland. Sie sahen die herrliche Statue und die Lust, dieselbe ihrer Vaterstadt zu erwerben, ward in den patriotischen Bremern lebendig. Das Schiffer- und Lootsen-Völkchen der rothen Klippe war inzwischen zu der Ansicht gekommen, daß es hohe Zeit sei, sich billig zu zeigen, wenn überhaupt Erz sich in Gold verwandeln solle. Schweden, von der Forderung der Helgoländer unangenehm berührt, hatte bereits Anstalten getroffen, sich eine andere Statue gießen zu lassen, die indeß bei Weitem nicht so trefflich gelungen sein soll, wie die bei Helgoland gescheiterte. Das Gebot der Bremer ward daher nach kurzer Unterhandlung von den Insulanern angenommen. Die kunstsinnigen Handelsherren bezahlten einige tausend Thaler, und machten das so erworbene Standbild, eins der herrlichsten, welche Deutschland überhaupt besitzt, ihrer Stadt zum Geschenk.

Anfang September 1856, als eben der Gustav-Adolfs-Verein seine jährliche Hauptversammlung in Bremen hielt, ward das eherne Bild auf dem unregelmäßigen Platze „Domshaide“ aufgestellt, ohne daß sich eine großartige Enthüllungsfeierlichkeit mit dieser Aufstellung verknüpfte. Was bei dieser Gelegenheit der Staat nicht für zweckmäßig erachtete, holte der genannte Verein nach. Die Repräsentanten desselben begaben sich am Tage der Aufstellung nach der Domshaide, und nachdem man das kräftige, zum Herzen dringende Lied Luthers: „Allein Gott in der Höh’ sei Ehr'“ gesungen hatte, hielt Dr. Mallet, Pastor zu St. Stephani, eine ansprechende, alle Zuhörer befriedigende Rede, nach deren Beendigung der Gesang: „Lobet den Herrn, den mächtigen König der Ehren" die kurze Feierlichkeit schloß.

Die Gustav-Adolphs-Statue erhebt sich auf einem Sockel schön polirten Gabbro's, der aus einem einzigen Stück im Gewicht von 23,000 Pfund besteht, und auf dem Harzgebirge gebrochen wurde. Das Erzbild hat eine Hohe von 25 Fuß. Die Stellung, welche der schwedische Künstler der Statue gegeben, ist würdevoll und doch völlig ungezwungen. Der linke Fuß schreitet vor, die linke Hand ruht über dem Knauf des breiten Schwertes, und während das edle, frei blickende Antlitz nach links sieht, deutet die Rechte nach der andern Seite, als wolle sie die Aufmerksamkeit des Beschauers dahin lenken. Der Zufall wollte es, daß diese Rechte des ehernen Bildes, das uns den protestantischen König, Held und Sieger in solcher Vollendung vor Augen führt, gerade nach dem uralten, ehrwürdigen Dome Bremens, der Hauptkirche der Protestanten jener Stadt, hinweist. Und so scheint denn dieser eherne Zeigefinger der schwedischen Königsstatue allen Verehrern und Angehörigen Luthers immer und immer zuzurufen: „Hier lasset uns Hütten bauen", und diesem Zuruf das Feldgeschrei des Siegers in mancher heißen Schlacht noch hinzuzufügen: „Gott mit uns!"




Amerikanische Skizzen.
Von B. Dalei.
II. Ein Kinder Friedhof.

Schon in der Zeit meines Aufenthalts in New-York wurde mir da und dort, wenn von Lustpartieen in’s Freie, Ausflügen in die schönsten Umgebungen New-Yorks die Rede war, der Name „Greenwood“ (wie die gewöhnliche Abkürzung lautet) mit besonderer Auszeichnung genannt, und die meisten, die den Ort von eigener Anschauung kannten, sprachen mit wahrer Begeisterung von dessen Herrlichkeiten. Kein Wunder daher, wenn sowohl der denkende Naturfreund, wie der bloße Müßiggänger, gleich lüstern gemacht wurden, und in überraschend verstärktem Grade, wenn sie auf einmal vernehmen mußten, der in Rede stehende Ort sei im Grunde kein Lustgarten, sondern ein – Kirchhof.

Selbst die Urtheile viel- und weitgereister Personen, Schriftsteller und Künstler, die auch die Begräbnißstätten fremder Länder gesehen, wo der Todtencultus sich als ein wichtiger Theil der Volksreligion entfaltet und die Gräberpoesie einheimisch ist, stimmen sämmtlich darin überein, daß an harmonischer Einheit des Planes wie in der Großartigkeit der Ausführung das amerikanische Greenwood nicht seines Gleichen habe.

Weil der Zutritt in Greenwood kein unbedingt freier ist, so hat sich Jeder, der die Partie zu machen gedenkt, vorerst nach einem sogenannten „Ticket“ (Karte) umzusehen, oder an eine Familie anzuschließen, die in Greenwood bereits eine Art Heimathsrecht, d. h. ein einzelnes Grab oder einen ganzen Familienbegräbnißplatz eigenthümlich besitzt, und sich durch ein förmliches Zeugniß als solche auszuweisen im Stande ist. Wer eine solche Familie nicht kennt, die ihm die Karte borgt oder mit welcher er zugleich den Spaziergang machen kann, der verschafft sich ein Ticket gewöhnlich erst in Brooklyn (das am Wege liegt), und zwar einfach dadurch, daß er in den nächsten besten Sargladen an der Straße tritt, und für so und so viele Personen sich eine Karte erbittet, die er gewöhnlich unentgeltlich und zuvorkommend erhält, weil er ja möglicherweise durch diese Gelegenheit einmal selbst ein Kunde für den Sarghändler werden, oder eine andere Kundschaft ihm zusenden kann. Die Kärtchen, die blos die Gültigkeit des Besuches für so und so viele Personen, ohne Namen enthalten, sind alle von grauer Farbe, und müssen in Greenwood an den Thorhüter abgeliefert werden.

Der deutschen Familie R. war im Winter 1853 ein gar liebliches, kaum einjähriges Knäblein gestorben, das der Vater und etliche Bekannte bei Regen und Schnee in einer eigenen Miethkutsche nach Greenwood gebracht und dort beigesetzt hatten. Das Kind war ein Liebling der Mutter, die zur Zeit durch Krankheit gehindert war, es zur Ruhestätte zu begleiten. Sie sprach darum öfter davon, im nächsten Frühling an einem schönen Maitag das Grab des Kindes besuchen zu wollen, um ihm vorläufig, bis ein passendes Denkmal gefertigt sei, ein Rosenstöckchen zu pflanzen. Dies gab mir die beste Gelegenheit, dem Ziel eines lange genährten Wunsches nahe zu kommen, und im Interesse des Lesers beginne ich mit der Abfahrt von New-York.

Der berühmte Friedhof liegt weit außerhalb der Stadt über dem Hudson, etliche Meilen hinter Brooklyn, auf der Insel Long-Island, und um dahin zu gelangen, muß man über’s Wasser, wozu man sich beliebig der Fultonfähre, oder jener an der sogenannten

  1. Irren wir nicht, so waren es 30,000 Bankthaler.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 181. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_181.jpg&oldid=- (Version vom 4.5.2023)