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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

sein. Wir werden wohl nicht mehr rechnen dürfen, weil das Schiff als Dampfer die Reise in ungewöhnlich kurzer Zeit zurücklegen konnte. Es bleiben also 2000 Neger zum Verkaufe. Der Preis für das Stück ist im Durchschnitt zum Mindesten 750 Dollars, eher mehr als weniger. Die ganze Erlössumme beträgt also 1,500,000 Dollars. Ziehen wir nun hiervon das Anlagecapital ab, so blieben als Reinprofit immerhin noch 1,200,000 Dollars, wenn (woran nicht zu zweifeln Alles glücklich ablief. Ist um solchen Preis nicht schon Etwas zu wagen? Im Durchschnitt berechnet man, daß die 4 Millionen Dollars, welche jährlich von Nordamerikanern im Sclavenhandel angelegt werden, die hübsche Summe von 11 Millionen eintragen, und schon mancher Kaufmann ist, nachdem er ein paar Jahre Sklavenhandel getrieben, so immens reich geworden, daß er das Geschäft als Millionär aufgeben konnte. Hat Einer aber einmal in Amerika des Geldes genug erworben, so fragt kein Mensch danach, wie er es erworben hat; der Mann steht im Gegentheil im höchsten Ansehen, weil er so viel erworben hat! Läßt er sich sodann etwa noch herbei, einen Theil dieses Blutgeldes, nur wenige tausend Thaler, davon, zu einer milden Stiftung, oder noch besser zu einem Kirchenbau oder dergleichen zu verwenden, so steigt sein Ansehen so sehr, daß er ohne allen Zweifel unter die Heiligen versetzt würde, wenn er nicht zufälligerweise Akatholik wäre.

Wegen des Absatzes der Waare darf ein Sclavenhändler nie in Verlegenheit sein. Dieser Artikel ist immer gesucht und sogar so gesucht, daß man die Nachfrage darnach nie ganz befriedigen kann. Man darf nie wie bei andern Waaren in Furcht sein, die Concurrenz möchte die Preise herabdrücken; im Gegentheil, die Preise steigern sich mit jedem Jahr, je mehr die Zuckerplantagen sich ausdehnen. Die Hauptabsatzquelle ist Cuba, die Perle der Antillen, wie sie gewöhnlich genannt wird. Sie steht allerdings unter spanischer Herrschaft (nicht unter nordamerikanischer); aber nur um so leichter ist es eben deswegen, die Sclavenwaare dort zu landen. Denn die Generalcapitäne, d. i. die Gouverneure von Cuba, nebst der sämmtlichen übrigen Beamtenwelt, drücken gegen eine bestimmte Summe Geldes recht gern ein Auge, oder vielmehr beide Augen zu. Der Generalcapitän besitzt vielleicht so viel Schicklichkeitssinn, die Bestechungssumme nicht selbst in eigener Person in Empfang zu nehmen, um so sicherer aber thut’s sein Secretär, sein geheimes Factotum, und dem Handel wird demnach keinerlei wirkliches Hinderniß in den Weg gelegt. Alles, was dagegen geschieht, ist nur zum Schein, nur um die Wachsamkeit der Engländer zu täuschen. Darin liegt auch der Grund, warum noch jeder Generalcapitän von Cuba nach wenigen Jahren ein reicher Mann geworden ist! Die Hauptlandungsplätze auf Cuba sind übrigens nicht Havanna, die Hauptstadt der Insel und deren erster Seehafen, denn hier liegen immer fremde (englische und französische) Kriegs-Schiffe, – sondern ein Paar entferntere Buchten: Sierra Morena und Sagua la Grande. Hier können Kriegsschiffe, die immer einen ziemlichen Tiefgang haben, nicht landen. – Das Handlungshaus, dem das Sklavenschiff gehört, hat natürlich seinen Agenten am Lande. Dieser steht mit den hauptsächlichsten Landsclavenhändlern der Insel in genauester Verbindung, Dem sich nähernden Schiffe wird durch Feuer und Raketen ein Zeichen gegeben, wann es sich ungefährdet in die Bucht wagen darf. Die Neger werden im Augenblick der Landung ausgeschifft. Der Händler ist parat und zahlt baar aus, oder in guten Wechseln. Eine Stunde darauf sind die Schwarzen schon ins Innere transportirt und auf ein paar großen Plantagen untergebracht, denn die Plantagen-Besitzer stehen alle mit den Händlern im Bunde, weil ihnen daran liegen muß, immer neue, frische Waare zu bekommen. Er hält dann ein englischer Kreuzer auch Wind davon, daß ein Sklavenschiff gelandet sei, so bleibt ihm nichts, als das Nachsehen, denn die Neger sind verschwunden und können nicht mehr aufgefunden werden. In unglaublich kurzer Zeit haben sich für Alle, junge wie alte, männliche wie weibliche, stabile Herren gefunden. Das Bedürfniß nach kräftigem Menschenfleisch ist auf jeder Plantage groß und die Händler haben immer schon vor der Ankunft eines Schiffes Auftrag zum Ankauf von so und so viel Rekruten.

Uebrigens ist nicht blos Cuba der Zielpunkt des Sclavenschmugglers. In die Union oder vielmehr die südlichen Staaten derselben werden ebenso gut afrikanische Neger importirt, und man berechnet die jährliche Einfuhr dahin von Afrika aus auf mehr denn 15,000 Stück. Die Hauptstapelplätze sind Florida, das wegen der Nähe der gegenüber liegenden Insel Cuba besonders gut geeignet ist (denn es gehört nur eine Fahrt von wenigen Tagen dazu, um Sclaven aus einem Hafen von Cuba herüberzubringen), und Louisiana, d. i. jener Theil der Küste, welcher westlich von Neworleans an dem Ausfluß der Sabina sich hindehnt. Auch die Mündung des Pearlflusses im Staate Mississippi wird von Sclavenschiffen oft besucht, und nicht selten zeigen dies die Zeitungen ganz offen und ungenirt an. Früher, vor 1845, als Texas noch nicht zu den Vereinigten Staaten gehörte, wurde der Handel noch viel schwunghafter betrieben, da die Bucht an der Grenzscheide von Texas und Louisiana besonders einladend zur Einfahrt für Sclavenschiffe lag. Damals brachte der Import fast gar keine Gefahr, da die Schmuggler in dem unabhängigen Texas stets eine sichere Zuflucht fanden. Aber auch jetzt noch sieht die Sache ernster und gefährlicher aus, als sie wirklich ist; denn wenn anders die Plantagenbesitzer mit den Händlern einverstanden sind und daran ist fast nie zu zweifeln, weil die „frische" Waare wohlfeiler gegeben werden kann, als die im Lande gezogene), so ist an eine Abfassung, eine Einfangung eines Sclavenschiffes mit seinem Inhalt kaum zu denken. Dem Auslande gegenüber behaupten allerdings die Nordamerikaner, daß der Handel mit importirten Sclaven gänzlich aufgehört habe, allein es bedarf blos einer kurzen Reise in die südlichen Staaten und nur einiger Beobachtungsgabe, um die Unwahrheit dieser Behauptung sogleich einzusehen; denn man heißt im Süden ganz allgemein die frisch importirte Waare: „Guineanigger“ zum Unterschied von der im Inlande gezogenen, und in Mississippi, Alabama, Louisiana u. s. w. ist fast keine Plantage, wo nicht wenigstens einige Guineanigger anzutreffen wären. Die Bewohner des „rothen Flusses" wissen vielleicht hiervon noch mehr zu erzählen!

Die Berliner Charité.

Am 1. Januar 1727 wurde von Friedrich Wilhelm I. ein Lazareth eröffnet, welches „als ein öffentliches Werk der christlichen Liebe, Gutthat und Mildthätigkeit“, wie es in der alten Urkunde heißt, den Namen Charité bekam, und seitdem auch beibehielt. Der damalige erste Arzt, Professor Dr. Eller, faßte bereits die höhere, wissenschaftliche Aufgabe der Anstalt folgendermaßen auf: „daß nach dem Beispiele von Paris, London und Amsterdam auch in der Charité allen Medicis und Chirurgis hinlängliche Gelegenheit gegeben werde, sowohl die innerlichen als äußerlichen Curen zu sehen und zu begreifen.“ Dieser doppelten, segensreichen Bestimmung ist das Institut bis zum heutigen Tage treu geblieben, indem es als Heil- und Lehranstalt seinen vorzüglichen Rang behauptet hat.

Die Charité nimmt mit den dazu gehörigen Gebäuden, Gärten und Höfen den vierten Theil einer Quadratmeile ein und ist in der Nähe des Louisenthores gelegen. Wir treten, nachdem wir uns bei dem Portier gemeldet und legitimirt haben, durch das große Hauptthor in die sogenannte alte Charité ein. Was uns zunächst auffällt, ist die fast holländische Reinlichkeit der Gänge und Treppen, welche mit Oelfarbe gestrichen, gebohnt und in der Mitte mit Strohmatten belegt sind. Im Parterre befinden sich die Wohnungen der Beamten und die Büreau’s für die Verwaltung. Im ersten Stockwerk liegen die sogenannten äußeren oder chirurgischen Kranken, welche an Wunden, Knochenbrüchen u. s. w. leiden. Die rechte Seite des Hauses ist für die männlichen, die linke für die weiblichen Patienten bestimmt. Jeder Kranke erhält, wenn es irgend zulässig, bei seiner Aufnahme ein warmes Bad und eine angemessene Kleidung, welche in einem Anzuge von blau- und weißgestreifter Leinwand besteht. Mit jenem Gefühle, das uns beim Anblick der leidenden Menschheit unwillkürlich zu beschleichen pflegt, gelangen wir in einen der großen Säle, welche ungefähr dreißig bis vierzig Betten fassen können. Das Lager besteht aus einer eisernen Bettstelle, einer Roßhaarmatratze nebst Keilkissen und einer warmen Wollendecke. Ueber dem Kopfende befindet sich eine schwarze Tafel, auf welcher mit Kreide der Name des Kranken und seine

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 339. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_339.jpg&oldid=- (Version vom 4.6.2023)