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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

in Oregon, in Utah u. s. w. hausen die Indianer heute noch zu Tausenden und da setzen sich auch die Kämpfe ganz so fort, wie sie gleich nach der Ankunft der Europäer begannen. Ein bekannter amerikanischer Maler hat eine dieser Scenen in einem großen Gemälde verewigt, das auf den Ausstellungen der Hauptstädte durch seine Wahrheit und durch den traurigen Vorfall, der dem Künstler das Sujet lieferte, allgemeines Aufsehen erregte. Unsere heutige Abbildung gibt eine sehr gelungene Copie dieses Gemäldes.

In Texas mußten vor einigen Jahren ein paar Indianerstämme ihre Jagdgründe verlassen und weiter ziehen, weil die Weißen das Land mehr und mehr überflutheten. Eine Anzahl der Rothhäute hatte ihr Lager an einem Flusse, und sie erfreuten sich zum letzten Mal da an der Jagd auf heimischem Boden, von dem sie nach wenigen Tagen scheiden sollten. Ein etwa fünfzehnjähriger Bursch, der längst schon behaglich nach den Feuerwaffen der Weißen gesehen, hatte eine günstige Gelegenheit erlauscht, in ein Blockhaus zu schleichen und da ein Jagdgewehr zu stehlen. Aber ehe er mit seiner Beute entkommen konnte, erschienen drei der Ansiedler, die ihn ergriffen, ihm das Gewehr abnahmen und ihn mit grünen, schmiegsamen, fingerdicken Ruthen blutig schlugen. Hätten sie ihn auf der Stelle niedergeschossen, so wäre es vergeben und vergessen worden, aber durch die Züchtigung, die der stolze Indianer ohne einen Schmerzenslaut ertrug, hatte man den ganzen Stamm beleidigt, und sie dachten an nichts als an Rache. Zu befriedigen freilich war sie nicht sogleich. Der Stamm wanderte aus, Jahre vergingen, und viele Meilen lagen zwischen den verhaßten Feinden, aber die Erinnerung an die erlittene Schmach blieb lebendig und schürte fortwährend das Feuer der Rache. Der Bursch war herangewachsen, und ein angesehener Krieger geworden. Aber Freude kannte er nicht, so lange der einst erlittene Schimpf nicht im Blute der Weißen getilgt wurde. Er schlich mehr als einmal in die Nähe der Stätte, die seine Schmach gesehen, theils um seine Rachlust zu reizen, theils um zu sehen und zu hören, wie er sie für ihn am freudigsten, für die Gegner am schmerzlichsten befriedige. Er fand es, denn er erfuhr, daß einer der Männer, die ihn gezüchtigt hatten, eine schöne Tochter habe, die der Stolz und die Freude seines Lebens sei, seit er seine Frau, die Mutter der schönen „Blume der Prairie“, verloren. Darauf bauete er seinen Plan, den er den Kriegern seines Stammes mittheilte. Mit feurigen Worten stellte er ihnen vor, die Stunde sei gekommen, die Schmach abzuwaschen, die er wie der Stamm so lange getragen, und er forderte sie auf, mit ihm auszuziehen, Rache zu üben und Beute zu machen.

Neunzehn junge Krieger, die muthigsten und blutgierigsten, schlossen sich ihm an und auf ihren halbwilden Pferden zogen die wilden Krieger aus. Hundert Meilen weit ritten sie, wohl bedacht von Niemandem gesehen zu werden, durch das Land, in dem bereits wenigstens dreitausend Weiße wohnten, bis sie in die Nähe der Ansiedelungen kamen, die einst die Schande des Indianers gesehen hatten und nun Zeuge der Rache desselben sein sollten. Die Rothhäute verbargen sich in der Nacht in der Nähe und als der Morgen graute, schlichen sie vorsichtig aus ihrem Verstecke hervor. Die drei Besitzer der drei Blockhäuser standen eben beisammen, vielleicht um sich wegen einer gemeinschaftlichen Arbeit zu berathen, ohne im Mindesten zu ahnen, welche Gefahr sie bedrohe und wie nahe sie sei. Zwei der Männer wurden erschossen, als sie nach ihren Wohnungen zugingen, der Dritte aber, an welchem das Hauptstück der Rache geübt werden sollte, ergriffen und an einen Baum in der Nähe festgebunden. Dann theilten sich die Indianer in drei Haufen, drangen in die schutzlosen Blockhäuser ein und erschlugen da mit kaltem Blute die Bewohner, alle, mit Ausnahme der schönen Tochter dessen, der an den Baum gebunden die Seinigen morden, die Lieblingstochter aber einem schrecklicheren Schicksale als dem Tode zuführen sehen mußte. Diese nahm der Führer des Raubzuges auf sein Pferd, um sie mit sich zu nehmen zu den Seinigen und sie zu seinem Weibe zu machen. Das beste Vieh wurde dann zusammengetrieben, um mit hinweggeschleppt zu werden. Das Mädchen schrie in den Armen ihres Räubers vergeblich um Hülfe, und sie rief in verzweifelter Angst den Vater an, der die Fesseln nicht zerreißen konnte, welche ihn fest und fern hielten von der geliebten Tochter.

Jubelnd zogen die Rothhäute mit der Beute in rasender Eile von dannen, so daß ein Weißer, der zufällig in diesem Augenblicke erschien, ihnen nur aus weiter Ferne eine Kugel nachsenden konnte, die nicht traf. Aber er vermochte wenigstens den Vater des geraubten Mädchens zu befreien, der, heiser vor Zorn und Angst, ihn anrief. Aber was sollte der Mann beginnen? Sollte er die Räuber seiner Tochter verfolgen? Er hatte kein Pferd und – drinnen im Hause lagen alle seine andern Kinder todt und im Sterben. Er beschwor den Fremden, nach der nächsten Farm zu reiten, zu erzählen, was er gesehen, die Leute aufzufordern, ihm ein Pferd zu bringen und, nachdem er seine Kinder mit eigener Hand begraben, sich ihm anzuschließen, die Räuber zu suchen und die Tochter ihnen zu entreißen.

Alle Ansiedler in meilenweitem Umkreise, die der immer drohenden Gefahr gegenüber gleichsam eine Familie ausmachen, fanden sich am nächsten Tage wohlberitten und wohlbewaffnet bei dem unglücklichen Vater ein und stellten sich ihm zur Verfügung. Sie suchten die Spur der Indianer, sie fanden dieselbe auch, aber die Rothhäute hatten einen zu großen Vorsprung und waren, wie es sich ergab, in das Gebirge entkommen. Die Weißen mußten unverrichteter Sache umkehren.

Der beraubte Vater hat seitdem keine Mühe und keine Kosten gespart, wenigstens zu erfahren, ob seine Tochter noch lebe. Es ist ihm bis heute nicht gelungen und so weiß er nicht, ob seine „Blume der Prairie“ die Frau des rothen Mannes geworden ist, der sie geraubt, oder ob sie den Mißhandlungen, dem Grame und der Sehnsucht erlegen.




Erinnerungen aus Afrika.
Aus dem Tagebuche eines Touristen.
Sidi-Ben-Jellul. – Das Frühstück auf dem „Cameleon.“ – Des Califat’s Einladung nach Dschebel-Ammur. – Reise dorthin. – Bivouacs. – Ali’s culinarische Bestrebungen. – Ankunft bei Mustapha-Ben-Saïd. – Begrüßung Sidi-Ben-Jellul’s. – Sein Palast. – Die Sahara.


Es war zu Anfang des Octobers 1854, als Sidi-Ben-Jellul, der Kalifat (spr. Kalifa) des Dschebel-Ammur, begleitet von den Vornehmsten seines Stammes, in Algier eintraf, um dem französischen Gouverneur die Zeichen seiner kürzlich erfolgten freiwilligen Unterwerfung zu bringen und dafür den rothen, goldgestickten Burnuß, das Zeichen seiner Anerkennung Seitens der französischen Regierung, in Empfang zu nehmen.

Ben-Jellul, der die Grenzen der Sahara am südlichen Abhange des großen Atlas beherrscht, und ehemals zu den eifrigsten und mächtigsten Anhängern Abd-el-Kader’s gehörte, ist ein Kind der Wüste, und stammt aus einer der nobelsten Familien jener alten Berber-Aristokratie, welche das Vordringen der türkischen Macht in den Sand der Sahara zurückgetrieben hat. Er hatte früher die französischen Städte mit dem seinem Volke eigenen Mißtrauen gemieden; alle unsre Einrichtungen, Sitten und Gebräuche waren ihm und seinem Gefolge vollkommen fremd, aber die Araber schienen es sich zum Gesetz gemacht zu haben, über Nichts zu erstaunen. Sie würdigten die großartigen Bauwerke und reichen Läden kaum eines Blickes – nur das Meer schien Ben-Jellul, der vielleicht nie ein anderes Wasser gesehen hatte, als den schmalen Streifen des Ouëd-Mydroë und die schäumenden Gießbäche seiner Berge, unwiderstehlich anzuziehen. Stundenlang stand er an der Ballustrade des Platzes, der die Aussicht auf das mittelländische Meer gewährt, und schaute mit stillem Entzücken auf die tausend bunt bewimpelten Masten der im Hafen liegenden Schiffe, und folgte mit seinen Adlerblicken den Fischerkähnen, die mit ihren weißen vom Winde geblähten Segeln über das blaue Wasser dahinschossen, wie riesenhafte Möven. Nur die kommenden und gehenden Schiffe schienen die Wißbegierde des Kalifat zu erregen, und um diese zu befriedigen, lud der Commandant der Dampfcorvette „Cameleon“ den Wüstenfürsten zu einem Frühstück am Bord ein.

Am andern Morgen führte das Boot des Capitains eine muntere Gesellschaft, unter welcher sich der Kalifat, sein Sohn, sein Kodja und der Agha seiner Reiterei befanden, dem Schiffe zu.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 570. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_570.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2018)