Seite:Die Gartenlaube (1858) 590.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

schönes Weib, das vor einigen seiner Soldaten floh. Ihr Mann war todt, sie stand allein und ohne Schutz in der Welt und rief das Mitleid des Siegers an. Er ließ sie in seinen Palast führen, gab ihr alle ihre Güter wieder und stellte eine Wache vor ihre Thür. – Ben-Omar und die Christin sahen sich oft. Er war ein großer Feldherr und ein schöner Mann, sie war ein reizendes Weib – sie liebten sich bald und der Muselmann hätte sich vielleicht verführen lassen, seinen Glauben zu den Füßen der Ungläubigen abzuschwören, die ihre Religion nicht aufgeben wollte, als ihm in einer stürmischen Nacht der Prophet im Traume erschien und ihm befahl, die Gegend ohne Säumen zu verlassen und nach Spanien zu ziehen, um dort die Christen zu bekämpfen, welche Krieg gegen die Mauren führten. Erschreckt ließ Ben-Omar seine Waffen und seine Schätze einpacken, sandte einen Boten mit der Nachricht an Abd-er-Rahman und reiste ab. – Wenige Tage darauf, an einem schönen Morgen des Blüthenmonats, ließ sich eine Taube vor Ben-Omar’s Zelte nieder, legte dies Blatt zu seinen Füßen und erhob sich mit der Schnelligkeit des Gedankens zu den Wolken, hinter denen sie verschwand. Es war die Seele der Christin, die am Tage nach Ben-Omar’s Abreise aus Sehnsucht nach ihm gestorben war. Das Pergament ist aber ein Talisman,“ fuhr der Kalifat mit allem Anscheine der Ueberzeugung fort, „der vor bösem Zauber schützt und sich seit Jahrhunderten auf das älteste Glied der Familie vererbt.“

Ben-Jellul verlangte nach Beendigung seiner Erzählung die Uebersetzung der Schrift auf dem Pergamente. Er zweifelte nicht, daß Gelehrte von unserer Bedeutung im Stande sein würden, die Worte der Christin zu entziffern. Wir erzeigten ihm die Gefälligkeit recht gern, erklärten ihm den Sinn des Spruches, konnten aber unsere Heiterkeit nicht unterdrücken, als wir den altgläubigen Muselmann die christliche Reliquie mit Andacht an sein Chapelet befestigen sahen.

Nachdem Jeder von uns eine Anzahl Cigarren geraucht und etwa zehn Tassen des unschädlichen arabischen Kaffee’s genossen hatte, begaben wir uns zur Ruhe, um uns auf die Strapazen des folgenden Tages vorzubereiten, der mit einer Jagd auf wilde Schweine und Gazellen begonnen werden sollte.

Wlr waren mit dem ersten Morgenrothe auf den Beinen. Die Pferde stampften bereits vor der Thür; die Slughis, die Windhunde der Wüste, die zwei Mal so groß sind wie die unsrigen, bellten wie rasend; die großen borstigen Schweißhunde gingen knurrend umher und zeigten ihre ungeheueren Zähne.

Ben-Jellul hatte eins der schönsten seiner Pferde bestiegen, sein Sohn und einige höhere Würdenträger des Stammes begleiteten ihn, etwa funfzig Araber folgten zu Fuße und zu Pferde, fünf oder sechs starke, halbnackte Neger führten die Hunde und die Falkoniere trugen ein halbes Dutzend Geierfalken von der stärksten Art, die bei der Gazellenjagd benutzt werden sollte. Dieser ganze fremdartige, stampfende, lärmende, knurrende Trupp bot, beleuchtet vom Morgenroth der Wüste, den eigenthümlichsten Anblick, den man sich denken kann.

Wlr ritten einen langen Hohlweg hinab und gelangten zu einem Felsenthale, in welchem ein für Pferde und Menschen undurchdringliches Dickicht und ein Sumpf stehenden Wassers unserem Vordringen bald ein Ziel setzten. In diesem Dickicht sollten sich wilde Schweine befinden. Die Schweißhunde wurden losgelassen, drangen mit kühnem Muthe in das Gebüsch ein und wir stellten uns ringsum auf, um das zuerst erscheinende Thier mit Flintenschüssen zu empfangen.

Seit einer Viertelstunde folgten wir mit den Augen der Spur der Hunde, die sich durch die Bewegung der Büsche verrieth, und noch zeigte Nichts das Dasein eines Wildschweines an. Endlich hörten wir ein anhaltendes Gebell und konnten genau den Weg sehen, den das Thier sich durch Gesträuch und Dornen bahnte; drei der zusammengekoppelten Windhunde wurden losgelassen und bald darauf stürzte ein ungeheuerer, borstiger Eber aus dem Gebüsch. Die Windhunde hatten ihn mit wenigen Sprüngen erreicht; der schnellste von ihnen griff den Eber mit Ungestüm an, empfing aber in dem Augenblicke, wo er seine Zähne einschlug, einen so kräftigen Schlag mit den Hauern, daß das ungeheuere Thier zehn Schritte weit hinweggeschleudert wurde und kaum die Kraft hatte, sich wieder zu erheben.

Obgleich aber dies mit der Schnelligkeit des Gedankens vor sich gegangen war, hatte es den übrigen Windhunden doch Zeit gegeben, sich ebenfalls zu nähern, und der Eber wurde von Beiden zugleich am rechten Ohre gepackt. Er stieß ein lautes Gegrunze aus und machte einen ungeheueren Sprung, in welchem er seine beiden Feinde, die ihn mit ihren Zähnen festhielten, wie mit eisernen Zangen, mit fortriß. Jetzt ließ man die zwei andern Hunde los und Menschen und Thiere stürzten sich dem Eber nach durch die enge Schlucht, die von Geschrei, Hundegebell und Pferdegetrappel wiederhallte.

Trotz ihrer Geschwindigkeit konnten die letzten beiden Hunde den Eber nicht erreichen; der eine der beiden Slughis, die ihn zuerst packten, hatte seine Beute losgelassen, der andere hielt noch immer fest, da drängte sich der Eber plötzlich in einen Winkel der steil aufsteigenden Felswand, kehrte seinen Verfolgern den Rüssel mit den ungeheueren Hauern entgegen, preßte den noch immer an seinem Ohre hängenden Windhund gegen den Felsen, daß er erstickt zu Boden fiel, und wollte sich, seiner Last entledigt, mit verdoppelter Schnelligkeit eben in der Richtung nach der Ebene hin wieder auf den Weg machen, als sich zehn ober zwölf von unseren Flinten zugleich entluden und der Eber fiel. Er hatte, wie sich bei näherer Besichtigung ergab, sechs Kugeln im Leibe.

Die Jagd hatte beinahe drei Stunden gewährt. Wir waren in Schweiß gebadet und mit Staub bedeckt, aber wir wollten noch Jagd auf Gazellen machen, wenn sich eine Heerde dieser Thiere auftreiben ließ. Die Gazelle ist in der Gegend sehr häufig, aber es ist außerordentlich schwer, sich ihr zu nähern. Sie sieht sehr scharf und das geringste Geräusch treibt sie in die Flucht. Man muß die Wachsamkeit ihrer Vorposten täuschen, um sie zu überraschen, oder sie durch Treiber den zum Jagdgrund bestimmten Plätzen zutreiben lassen. Diese schwierige Jagd wird von den Arabern mit großer Geschicklichkeit betrieben. Sie kennen die Gewohnheiten des Thieres und ihr scharfes Auge vermag die Spur des Wildes im feinsten, leichtesten Sande eben so sicher zu verfolgen, wie auf moosigem und rasigem Boden oder auf kahlem Felsengrunde.

Wir wurden an den Eingängen einiger tiefer Schluchten aufgestellt. Die Treiber entfernten sich im Halbkreise und die Falkoniere hielten sich bereit, ihre Thiere loszulassen. Die Zeit der Erwartung schien uns um so länger, da wir unbeweglich und im tiefsten Schweigen verharren mußten und die Hitze auf etwa 42 Grad gestiegen war. Die senkrechten Strahlen der Sonne, die auf uns herabfielen und im Zustande der Ruhe viel unerträglicher erscheinen, als bei zerstreuender Bewegung, durchdrangen glühend unsere Kopfbedeckung und unsere leichte Kleidung und machten unseren Zustand zu einem höchst unbehaglichen.

Seit etwa einer Stunde mochten wir so gestanden haben, als sich plötzlich das verabredete Zeichen, ein schriller Pfiff, hören ließ. Fast zu gleicher Zeit sahen wir eine Heerde von zwanzig bis dreißig Gazellen erscheinen, welche mit der ihnen eigenen fabelhaften Geschwindigkeit auf unsere Linie zustürmten. Da sie nicht rückwärts konnten, ohne den Treibern in die Hände zu fallen, so bogen sie, als sie uns bemerkten, seitwärts ab und passirten unsere Linie in einer Entfernung von etwa hundert Schritt. In diesem Augenblicke wurden die Geierfalken losgelassen und diese stürzten sich mit unerhörter Schnelligkeit auf die Heerde. In einem Augenblicke hatten die behendesten unter ihnen schon ihren Raub gepackt und vier Gazellen, in deren Nacken eben so viele Falken ihre mächtigen Klauen eingeschlagen hatten, blieben sichtlich hinter ihren übrigen Cameraden zurück.

Die hiesigen Geierfalken, welche viel größer und stärker sind, als die unsrigen, werden ganz so verwendet, wie die Falken in alten Zeiten bei uns, nur mit dem Unterschiede, daß man hier nicht nöthig hat, sie mit einer Haube zu bedecken und sie zu befestigen. Sie sind sehr gut dressirt, steigen nicht eher auf, bis ihre Herren das Signal geben und kehren auf dies Signal ebenfalls ohne Zögern zurück.

Haben sie ihre Opfer gepackt, so breiten sie ihre großen Flügel aus, beugen sich zurück und hemmen auf diese Weise den schnellen Lauf des Thieres, während sie es zu gleicher Zeit mit ihrem scharfen Schnabel zu verwunden suchen.

Die zwei Falken, welche auf keine Gazelle gestoßen waren, schwebten in großen Kreisen über der flüchtigen Heerde, die sich von den vier angefallenen Gazellen getrennt hatte. Der Moment, welchen die Vögel erwartet zu haben schienen, war endlich gekommen; die Gazellen beschrieben, ich weiß nicht, warum, in ihrem Laufe einen Bogen und in demselben Augenblicke schossen die beiden Falken

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 590. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_590.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)