Seite:Die Gartenlaube (1858) 601.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

Wild-, Wald- und Waidmanns-Bilder.
Von Guido Hammer.
Nr. 6. Ein Tag in Moritzburg. Das Damwild.


Das Damwild.

Obgleich das Damwild ursprünglich nicht einheimisch bei uns ist, sondern aus dem südlichen Europa und der Berberei stammt, so ist doch gerade diese Gattung beim großen Publicum die bekannteste, weil sie meist nur in Wildgärten gehalten wird und sich der Betrachtung leicht darbietet, zumal da sie vor allen in eingeschlossenem Raum ungemein fromm[1] wird. Suchen wir es denn auch in einem solchen auf, und zwar diesmal auf einem bestimmten, wirklichen Schauplatze. Der schöne Wildgarten umgibt ein Schloß, das wohl die meisten Leser, wenn auch nicht aus eigner Anschauung, doch dem Namen nach kennen – ich meine das königliche Jagdschloß Moritzburg bei Dresden. Wer hätte nicht schon von den glänzenden Festen des prachtliebenden Königs von Polen und Kurfürsten von Sachsen, August des Starken, die in diesem Schlosse und seiner Umgebung abgehalten worden sind, gehört oder gelesen? Oder wer hätte nicht von der weltberühmten, in ihrer Art einzigen Hirschgeweihsammlung vernommen, welche die innern, sonst ziemlich schmucklosen Räumlichkeiten ziert? Gibt es doch hier das vielendigste Edelhirschgeweih, was man überhaupt kennt: ein Geweih von 66 Enden! Geschossen wurde dieser Hirsch, der 6 Centner 11 Pfund wog, von Friedrich I. von Preußen im Jahre 1696 und dem Kurfürsten von Sachsen, August dem Starken, zum Geschenk gemacht. Außerdem befindet sich in dem mit vier großen runden Eckthürmen und einem höheren Capellenthurme geschmückten Schlosse noch manche Sehenswürdigkeit aus der Zeit des starken August; unter anderm sein Himmelbett in einem mit den glanz- und farbenreichen Federn tropischer Vögel bekleideten Zimmer, welche Tapete aus Mexico herrührt und Geschenk des Königs von Spanien ist. Andere Zimmer haben gemalte Ledertapeten, auf denen Jagdscenen mit dem Portrait des Königs, der Gräfin Königsmark, der Gräfin Kosel und anderer bekannter Persönlichkeiten veranschaulicht sind. Auch theilweise sehr werthvolle Bilder fehlen nicht, wie z. B. von Lucas Kranach, dann ein prächtiges Bild: ein Wilddieb einen Rehbock aufbrechend, lebensgroße, ganze Figuren von Ch. Paudig. Dieses Gemälde hat noch ein besonderes Interesse dadurch, daß der darauf dargestellte Wildschütz der letzte (in Sachsen) zum Tode verurtheilte sein soll, und zwar zu einer der grausamsten Todesarten, die es gibt. Er wurde nämlich auf einen lebenden Hirsch gebunden, dem man die Freiheit

  1. fromm: zahm.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 601. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_601.jpg&oldid=- (Version vom 12.10.2020)