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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

Otto Ule.

Bis zu welchem verbissenen Ingrimm dieser naturforscherliche Corps Geist hinreißen kann, beweisen Liebigs Ausdrücke: „Spaziergänger an den Grenzen der Naturwissenschaft,“ „Kinder an Erkenntniß der Naturgesetze,“ „Dilettanten,“ womit derselbe einen Forscher wie Moleschott zu bezeichnen wagte.

Otto Ule, dem Gleichstrebenden, würde es wahrscheinlich gleich ergangen sein, wenn sein Streben das Feld der Chemie näher berührte, denn auch er ist, und zwar noch ausgesprochener, als Moleschott, ein Volksnaturforscher, der allerdings an dem Gebäude der Physik, wo er am liebsten weilt, vielleicht noch keine neue Stufe gelegt, noch ein neues Fenster gebrochen, oder gar ein neues Stockwerk aufgesetzt hat, Dennoch geht er mit sicherem Tritt und Schritt dem Volke voran, wenn er es in den weiten Hallen und verschlungenen Gängen dieses Gebäudes herumführt, denn er ist darin vollkommen zu Hause, und mit sicherem Urtheil kann er seinen Begleitern zurufen: „duckt euch, hier sind die Wände nicht taktfest“, oder an einer andern Stelle, wo es noch finster ist: „hier wird es bald auch hell werden, das Fenster ist schon ziemlich fertig.“ Otto Ule könnte bei der Fortführung des großen Baues sich seine Stelle vollberechtigt auswählen, aber – man werde sich nur dessen recht klar – er hat als Volkslehrer dazu keine Zeit, eben so gut wie die vorhin sogenannten strengen Forscher von sich sagen können: „wir haben keine Zeit, an das Volk zu denken; die Ueberwachung unserer Experimente, unserer Beobachtungen, die Aufzeichnung der Ausweise unserer Instrumente – Alles das nimmt uns so in Anspruch, daß wir uns in die gemüthliche Stimmung eines Volksnaturforschers gar nicht versetzen können, gar nicht versetzen dürfen.“

Noch einmal, man werde sich nur dessen recht klar, daß der Volksnaturforscher, wenn er mit Hingebung seinem schönen Berufe huldigt, sich und seine ganze Zeit derselben zum Opfer bringen muß. Und in diesem Lichte wollten wir den Lesern der Gartenlaube das Bild Otto Ule’s vorführen, als eines Volksnaturforschers im edelsten Sinne des Wortes. Aus alle dem, was er schreibt, leuchtet unverkennbar die ungeschmälerte Hingebung an das Bildungsbedürfniß seines Volkes hervor.

Es bedarf der authentischen Unterlagen über Ule’s Lebens- und Bildungsgang nicht, denn dieser geht, soweit er hierher gehört, aus seinen Schriften so deutlich von selbst hervor und spitzt sich so klar und bestimmt auf den Beruf des Volkslehrers zu, daß wir in diesem Augenblicke den Mangel solcher Unterlagen kaum empfinden.

Sein erstes Auftreten als Schriftsteller im Jahre 1850 mit seinem dreibändigen Werke „das Weltall“, von welchem unseres Wissens jetzt die dritte Auflage unter der Presse ist, zeigte sofort, daß er seinen Beruf als Volkslehrer mit ernster Tiefe auffaßte. Er fügte sich darin nicht dem leider nur noch zu tief in allerlei Volk wurzelnden Gelüste nach angenehm mundender „belehrender Unterhaltung“, sondern er verlangte von seinen Lesern den Ernst der Lernbegierde. Und er hat sich nicht verrechnet. Das Buch fand eine glänzende Aufnahme, welche Ule ermuthigte, schon im Jahre darauf in seinem kleineren Buche „Die Natur. Ihre Kräfte, Gesetze und Erscheinungen im Geiste kosmischer Anschauung“, noch einen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 665. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_665.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)