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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

Rosalba Carriera versank bei diesem Ausruf in schöne, längst verklungene Träume. Sie lehnte ihr Haupt auf die Rücklehne des Stuhls und sah mit einem halb geschlossenen Auge und mit dem Ausdruck süßen Friedens an die Decke des Zimmers hinauf.

Das junge Mädchen hinter dem Stuhle war leise herangetreten und machte mit einem Stifte, den sie sich vom nächsten Tische genommen, ein paar flüchtige Striche an der Halsbinde.

„Ich kenne das!“ schwärmte die Künstlerin weiter, „wie oft habe ich Gesichter auf die Tafel geworfen, die ich mit leerem, trostlos ermüdetem Sinne geschaffen! und dann – ach und dann leuchtete mir ein Auge gegenüber, das Blicke der Liebe versandte, Blicke, die in Dein Herz, arme Rosalba, drangen und darin irgend welches Weh, irgend welchen Wahnsinn entzündeten! – Ach, wie ganz anders webten sich da die Farben zusammen, wie ganz anders flog der Stift; – wie ganz anders legten sich süße Schattenringe, kleine jubelnde Farbenlichter wie Küsse der Liebe um die todten Linien des Bildes! – Da sangen und jubelten die Farbengeister, da schlossen sie sich im Ringelreihen Händchen an Händchen, und im Zaubertanz wurde ein reizend liebliches Bild vollendet, das dann nachher der Welt kund that, daß hier Liebe die Liebe gemalt! Ja, arme Rosalba, Du hast auch einst solche Stunden genossen, Du hast auch einst solche Bilder gemalt! Ja, gesteh es, Du warst ein heimlich glühendes Rosenknöspchen – Ach – Ach!“

Und wieder kam die Hand hinter der Stuhllehne hervor, und machte keck mehrere Striche am Bilde des Königs.

Rosalba Carriera fuhr aus ihren Träumen auf, haschte nach der Hand und schrie:

„Was thust Du, Einfältige? Du wagst es, an dieses Kunstwerk Deine Pfuscherhand zu legen? Hinweg, Vermessene! Fort, daß ich Dich nicht züchtige!“

Das junge Mädchen zog sich ein wenig zurück und als sie sah, daß sich der Zorn ihrer Gebieterin zu legen begann, sagte sie mit einer treuherzigen Stimme, indem sie die Hände faltete:

„Um der Gnade Gottes willen, sagt mir, Signora, ist denn das Bild wirklich so gut gemalt?“

„Nun ja doch! Aber was kümmert es Dich?“

„Was es mich kümmert?“

„So sprich!“ rief die Künstlerin, aufmerksam werdend, „Weißt Du etwa, wer es gemalt hat und wie es in dieses Zimmer gekommen ist?“ Das Mädchen neigte bejahend das Haupt.

Rosalba sprang auf.

„Nun, wer?“ rief sie lebhaft, „Wer ist’s, der hier in diesem Lande der Hyperboräer es wagt, so gut zu malen, wie ich? Wer ist’s? –“

„Es ist kein Mann, Signora!“

„Noch schlimmer! Also eine Frau? Ich könnte sie hassen, sie verfolgen, sie tödten! – Wie heißt sie? Wo ist sie?“

„Sie steht vor Euch!“ sagte das Mädchen ruhig. „Ich bin es!“ setzte sie mit Stolz und Würde hinzu.

Rosalba Carriera wankte zurück, fiel auf ihren Stuhl; dann zog sie ihr Taschentuch hervor und fuhr damit über Stirn und Augen. Mit geöffnetem Munde starrte sie das Mädchen an und erst nach einer Pause von mehreren Secunden war sie im Stande das Wörtchen „Du?“ hervorzubringen.

„Ist es denn so unmöglich, daß ein armes Mädchen Talent hat?“ entgegnete Magdalene. „Es war bekannt, Signora, daß Sie keine Schülerinnen annahmen, und da mein geringes Talent, zugleich der Wunsch meiner Eltern mich zur Kunst trieben, beschloß ich, wider Ihren Willen Ihre Schülerin zu werden. Ich wurde Ihre Magd und die Zeit, die mir von meinen Geschäften blieb, wandte ich dazu an, Ihre Bilder zu copiren. O, ich besitze ein ganzes Zimmer voll, das ich sorgfältig vor jedem Blicke geheim halte! – Wenn der Zufall nicht die Entdeckung herbeigeführt, ich hätte als Ihre Zofe Sie verlassen, um dann, Ihnen ewigen Dank zollend, als selbstständige Künstlerin für mich zu leben.“

(Schluß folgt.)




Wild-, Wald- und Waidmanns-Bilder.
Von Guido Hammer.
Nr. 7. Die Jagd auf den Hochalpen.

Nachdem ich in den bisherigen „Wild-, Wald- und Waidmanns-Bildern“ meist Schilderungen aus meiner Heimath und Beobachtungen, die ich in derselben in reichem Maße anzustellen Gelegenheit gehabt, zu geben versucht, möge mir der Leser diesmal hinausfolgen in die Berge des bairischen Hochlandes und Tyrols.

Mit jubelndem Gefühle verließ ich den Dampfwagen, dessen dämonisch beflügeltes Vorspann mich bald in die Nähe meines Zieles, des Hochgebirges, wohin mich unwiderstehliche Sehnsucht getrieben, gebracht hatte, und fuhr mit dem Postomnibus, hoch oben auf dem Verdeck des Wagens sitzend, durch die malerischen Gegenden nach Tölz und von da ab nach Langriß, wo ich übernachtete.

Am andern Morgen wurde mir endlich das Vergnügen, mich mit gutem Gewissen meinen eigenen Füßen anvertrauen zu können. Meine ziemlich schwere Reisetasche wandelte ich dadurch in einen Gebirgssack um, daß ich mir mittelst eines Strickes ein paar Tragbänder daran herstellte und so die Last wohlgemuth auf den Rücken nahm. Fort gings nun, immer im Thale hin, wo die smaragdgrünwellige, milde Isar am hellleuchtenden kalkigen Ufer vorüberrauschte, auf so wundervoll schönem Wege, daß ich mich im Vollgenuß solcher Umgebung überglücklich fühlte.

Erst durchwanderte ich noch bewohntere Gegenden; dann wurde es wilder und wilder. Doch hat man, im Thale weiter ziehend, stets einen gut gehaltenen Fahrweg, da alljährlich nicht allein der König von Baiern mit bedeutendem Gefolge und vielen Pferden nach der Vorderriß zum Jagen kommt, sondern auch der Herzog von Sachsen-Coburg-Gotha, welcher sein ausgedehntes, wildreiches Jagdgebiet in der Hinterriß und weiteren Umgebung besitzt, diesen Weg benutzt. Der Wald, theils Laub-, theils Nadelholz, das sich vom Thale aus in die höheren Regionen erstreckt, prangt in kräftigster Entwickelung. Von ungemeinem Reiz ist übrigens der sich hier geltend machende Ahorn, welcher in den phantastischsten Formen, während Stamm und Aeste mit saftig grünen, auf der Rückseite silberweißen Flechten oder sammetgrünem Moos in üppigster Fülle überwuchert sind, seine Kronen auf mächtigem Gezweig emporträgt.

In einem nur aus einigen Häusern, unter denen ein Forsthaus zugleich Wirthhaus war, bestehenden Orte im Thale mache ich Halt. Hier traf ich mit einem höheren österreichischen Grenzbeamten von der Station Achenthal, Namens Köckert, zusammen, der, als er mich als Sachse erkannte, mit großem Enthusiasmus von der cameradschaftlichen Aufnahme sprach, die er im Jahre 1851 als Oberlieutenant der Jäger auf dem Durchmarsche von Schleswig-Holstein in Leipzig und Dresden gefunden hatte. Mit besonderer Achtung und Liebe gedachte er der sächsischen Jägerofficire Keller, Lehmann, Dietrich und Nallein, die er mich von ihm zu grüßen bat, wenn ich etwa den einen oder anderen der Herren kennen lernen sollte. Vielleicht bestellt dieses Blatt die Grüße. Wir schieden herzlich von einander, jeder seinen Weg verfolgend, und gegen Abend kam ich in der Vorderriß an, wo ich beim dortigen Revierförster eine gastliche Aufnahme fand.

Nachdem ich einige genußreiche Stunden in der liebenswürdigen Försterfamilie verlebt und, ehe ich zu Bett ging, am offenen Fenster bei sternenhellem Himmel dem fernen Ruf der Hirsche, die sich dann und wann vernehmen ließen, gelauscht hatte, warf ich mich dem Schlafe in die Arme, um am andern Morgen früh weiter zu wandern.

Von der Hinterriß, wohin ich nun steuerte, hatte ich bereits so viel Rühmliches gehört, daß meine Erwartungen nicht wenig gespannt waren. Dennoch wurden alle meine auch noch so anspruchsvollen Einbildungen von der Wirklichkeit übertroffen. Diese stumme und doch so beredte, heilige, mächtige Bergesnatur mit ihren wilden

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 48. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_048.jpg&oldid=- (Version vom 23.1.2023)