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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

No. 5.   1859.
Die Gartenlaube.
Illustrirtes Familienblatt. – Verantwortl. Redacteure F. Stolle u. A. Diezmann.

Wöchentlich 11/2 bis 2 Bogen.       Durch alle Buchhandlungen und Postämter vierteljährlich für 15 Ngr. zu beziehen.



Der gelbe Handschuh.

Von Louise Ernesti.
(Schluß.)


Rosalba war eine Italienerin. Sie war lebhaft, sie war rachsüchtig, sie wurde von ihren Leidenschaften beherrscht; aber sie war nicht böse, nicht unedel. Als sie sich von ihrem Erstaunen erholt hatte, umarmte sie das Mädchen und, einen Kuß auf ihre Stirn drückend, sagte sie:

„Von jetzt an nicht mehr meine Magd! Wer so malt, ist mir ebenbürtig, ist meine Schwester. Ich grüße Dich, Magdalena.“

„Zu viel Glück!“ rief das Mädchen und küßte die Hand der Signora Rosalba.

„Also Deine Eltern sind nicht aus Padua, wie ich glaubte?“

„Doch; aber der Name, den ich führe, ist ein angenommener.“

„Ein angenommener? – Und wer bist Du? – Wie heißt Du?“

„Laßt das mein Geheimniß bleiben, Signora! Ihr habt nun so viel erfahren; laßt Euch daran genügen.“

Mit diesen Worten entschlüpfte das Mädchen und ließ Rosalba – unschlüssig, was sie jetzt thun solle – zurück. Sie fragte sich, ob sie das wundersame, geheimnißvolle Geschöpf länger bei sich behalten oder Magdalena je eher, je lieber fortschicken solle. Sie ging in ihrer Erinnerung alle die Momente durch, wo ihr das Betragen des jungen Mädchens auffällig gewesen war, wo sie sich über deren Zerstreutheit, über ihr Wegbleiben über die angegebene Stunde, ohne daß kund ward, wo sie unterdessen geweilt, zürnend geäußert hatte; jetzt war Alles erklärt – Magdalena hatte gemalt! – Ein Dienstmädchen, dessen Hand soeben den Kehrbesen geführt, hatte gleich darauf den Farbenstift so meisterhaft über die Pergamentfläche geleitet. Das war eine Seltsamkeit!

Rosalba Carriera fand, daß es ihre Pflicht sei, sogleich die Gräfin Cosel von der Entdeckung in Kenntniß zu setzen, und diese Mittheilung als ein geeignetes Mittel zu gebrauchen, sich die verscherzte Gnade wieder zu erwerben.


Die Gräfin Cosel hatte kaum von Rosalba Carriera den wahren Zusammenhang mit dem Bilde erfahren, als sie vor Begierde brannte, die junge talentvolle Künstlerin kennen zu lernen. Sie befahl, daß Magdalena augenblicklich vor ihr erscheinen solle, und diese kam.

Die Gräfin lag auf einem Ruhebette. Ein grünes Sammetkleid umhüllte ihre herrliche junonische Gestalt; ein Perlendiadem schmückte ihren schönen Kopf und mit kostbarem Schmucke waren auch die Arme geziert, von denen der eine leicht ihr so stolz und kühn erhobenes Haupt stützte. Sie war umgeben von dem größten Glanze und jenem raffinirten, ausgesuchten Luxus, den sie liebte und mit dem ihr königlicher Freund diese anspruchsvolle Frau überschüttete. Ihr Antlitz war der Thüre zugewandt und ihre brennend schwarzen Augen richteten sich forschend und durchbohrend auf die eintretende Künstlerin.

Sie sah ein einfach gekleidetes Mädchen vor sich, das im Anstande etwas Ruhiges und Sicheres, im Gesicht etwas Feines und Edles hatte. Die blühendste Jugend umhüllte die Gestalt; die Arme waren voll gerundet, die Hände klein, das Haar in reicher glänzender Fülle auf dem Nacken in einen Knoten geschlungen.

Im Herzen der Gräfin lebten Verwirrung und Zorn auf. Es war ihr über alles Maß unangenehm, daß das Räthsel mit dem Bilde sich so löste. – Wer war die Freche? Wie durfte sie es wagen, das Bild des Königs und zwar so zu malen, wie sie es gemalt hatte, – mit dem Auge einer Liebenden! – Wenn der König dies erführe! Dieser für weibliche Reize so empfängliche König, – dieser August der Starke, der schönen Frauen gegenüber nur zu sehr August der Schwache war!

Eine Menge widriger Bilder jagten sich durch das Gehirn der Gräfin, indem sie, unschlüssig, was sie sagen sollte, mit finstern hochmüthigen Blicken das Mädchen betrachtete.

„Wer ist Sie?“ stieß sie endlich scharf und heftig heraus.

„Magdalena Carlatti!“

„Der Vater?“

Keine Antwort. Nochmals fragte die Gräfin und sie bekam wieder keine Antwort. Dann rief sie zornig:

„Sie hat das Bild des Königs gemalt? – Wo hat Sie Gelegenheit gehabt, Seine Majestät zu sehen?“

„Hier im Hause.“

Die Gräfin biß sich auf die Lippe. Sie riß an den Schleifen ihres Gewandes. Endlich konnte sie sich nicht mäßigen und rief voll Heftigkeit:

„Unverschämte! – Wie hat Sie es wagen dürfen, den König zu malen? – Den König! Ha – den König!“

„Gräfin, ich fand, daß ich kein besseres Modell hätte wählen können. Der König ist ein schöner Mann.“

„So? – Findet Sie das“?“ rief leichenblaß mit einem kleinen kurzen Lachen die Gräfin.

„Ja, das finde ich.“

„Aus meinen Augen, Freche!“ schrie außer sich vor Zorn und Wuth Frau von Cosel. „Man wird Sie in’s Zuchthaus sperren, Landstreicherin, die Sie ist!“

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 57. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_057.jpg&oldid=- (Version vom 28.5.2018)