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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

No. 23. 1859.
Die Gartenlaube.
Illustrirtes Familienblatt. – Verantwortl. Redacteure F. Stolle u. A. Diezmann.
Wöchentlich 1 1/2 bis 2 Bogen. Durch alle Buchhandlungen und Postämter vierteljährlich für 15 Ngr. zu beziehen.

Der alte Schmuggler.
Novelle von Ludwig Rosen, Verfasser des „Buchenhofes“.


I.

Der Lieutenant von dem Busch ging höchst mißmuthig in seinem Zimmer auf und ab. Mit dem frohesten Gesichte von der Welt trat dagegen sein Freund und Camerad, der Lieutenant Schellenberg, ein und begann sogleich mit munterem Geplauder:

„Du kannst mir nun Glück auf den Weg wünschen, denn morgen oder übermorgen tret’ ich spätestens meine Rheinreise an; meine Ersparnisse vom Honorar für die Beiträge zum militärischen Journal reichen, denk’ ich, für einen Monat aus, und den Urlaub hab’ ich schon seit vorgestern in der Tasche.“

„Du bist ein Glückskind!“ sagte Busch mürrisch.

Mit fröhlichem Lachen rief Schellenberg: „Das hat mir, so viel ich weiß, noch Niemand gesagt, und am wenigsten erwartete ich es vom reichen Freiherrn Busch zu hören. Hab’ ich doch gar nichts auf der weiten Welt, als mein Patent und meine bescheidene Gage, nicht einmal Eltern und Geschwister! Aber Dir muß etwas Unangenehmes begegnet sein, Du siehst ja ganz griesgrämlich aus!“

„Ich habe wohl Ursache, denn das Glück hält mich geradezu zum Narren. Es ist Dir hinlänglich bekannt, daß ich zu den zahlreichen Verehrern der Tochter des Präsidenten von Bevernförde gehöre, und ich kann wohl sagen, daß mein ganzes Lebensglück vom günstigen Erfolge meiner Bewerbung abhängt. Ohne alle Koketterie, nur aus der Unsicherheit eines noch unentschlossenen Herzens, hat Bertha keinem ihrer Anbeter bisher auch nur den geringsten Vorzug gewährt; in den letzten Tagen sprachen jedoch manche günstige Anzeichen für mich, ja, der Vater hat mir ziemlich deutlich zu verstehen gegeben, daß er mich für den nächsten Monat in Wiesbaden zu treffen wünsche, wohin er sich in Begleitung seiner Tochter begibt. Er will offenbar die Gelegenheit herbeiführen, daß wir uns gegenseitig näher kennen lernen; dies ist also der rechte Augenblick – jetzt oder nie! Denn von Wiesbaden aus werden sie eine große Reise antreten, darauf einige Monate in der Residenz zubringen; dem reizenden, geistvollen, mit Glücksgütern jeder Art reich bedachten Mädchen werden die ausgezeichnetsten Freier nicht fehlen, es wird seine Wahl getroffen haben, bevor uns das Geschick wieder zusammenführt, und so stirbt, wenn ich diese Gelegenheit unbenutzt vorübergehen lasse, die zarte Pflanze meiner Hoffnung für immer dahin.“

„Aber das ist ja ganz einfach: Du nimmst Urlaub, reisest nach Wiesbaden und streckst Deine Hand nach dem winkenden Ziele aus.“

Traurig erwiderte Busch: „Meine Hoffnungen sind schon gescheitert. Ich ging heute Morgen zu dem Obristen, um den Urlaub zu erbitten, erhielt aber einen abschlägigen Bescheid. Der Obrist sagte, daß fast schon mehr Officiere beurlaubt seien, als der Dienst verstatte; so eben wäre der Befehl gekommen, daß das Corps ein starkes Commando nach Eversburg im Gebirge zu senden habe, um dem höchst frechen und gewaltthätigen Treiben der dortigen Schmuggler zu steuern, und ich sei zur Führung dieses Commando’s bestimmt. Denke Dir nur: statt den glücklichsten und hoffnungsreichsten Stunden meines Lebens entgegenzugehen, soll ich mich im Gebirge mit armseligen Schmugglern herumschlagen! Ich käme augenblicklich um meinen Abschied ein, wenn ich dies ohne Einwilligung meiner Familie konnte und dürfte; auch würde über dem weitläufigen Geschäftsgänge doch die rechte Zeit versäumt werden.“

Nach kurzem innerem Kampfe sagte Schellenberg: „Ich gehe sogleich zum Obristen, verzichte auf meinen Urlaub und übernehme statt Deiner das Commando.“

Fast erschrocken vor Ueberraschung rief Busch: „Du wolltest die Reise aufgeben, auf welche Du Dich so lange gefreut hast?“

„Ich mache sie im nächsten Jahre.“

„Bedenke nur: statt der herrlichen Rheinufer das wilde einsame Gebirge – –“

„Das hat auch seinen Reiz.“

„Und der widerwärtige Auftrag – –“

„Man muß allerlei Lagen und Verhältnisse kennen lernen. Die Sache ist abgemacht, ich gehe zum Obristen.“

Schon nach Verlauf von einer Stunde kehrte Schellenberg zurück und rief gleich beim Eintreten: „Stelle heute noch Deinen schriftlichen Antrag, der Obrist ist mit dem Arrangement vollkommen einverstanden.“

Busch umarmte gerührt den hülfreichen Cameraden. „Du bist der edelmüthigste der Freunde, wie soll ich Dir diesen Dienst vergelten?“

„Indem Du als glücklicher Bräutigam zurückkehrst. Mir selbst ist eine ähnliche Hoffnung versagt, es ist also die höchste Genugthuung für mich, wenn ich einmal lieben Freunden zu solchem Glücke verhelfen kann.“

„Aber warum sollte Dir bei Deinen Eigenschaften die Hoffnung versagt sein, ein Mädchen zu treffen, welches gegen Deine Vorzüge hinlängliches Vermögen zur Gründung eines häuslichen Heerdes einsetzt?“

Mit traurigem Kopfschütteln erwiderte Schellenberg: „Der Mann ohne Heimath und Eltern, ohne Familie und Verwandte

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 321. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_321.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)