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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

Originalmittheilungen vom Kriegsschauplatze.

IV. Eine Begegnung mit Garibaldi.

Man mag was immer für einer politischen Meinung in dem gegenwärtigen Kriege angehören, so wird man doch vom militärischen Standpunkte der kriegerischen Organisation und umsichtigen Leitung der franco-piemontesischen Armee gerecht werden müssen. Namentlich zeigt die Führung beider Armeen sowohl im großen wie im kleinen Kriege von vieler Umsicht, Kenntniß und Kühnheit, und die überraschenden Resultate, welche binnen zwei Monaten in Piemont, sowie auf den lombardischen Feldern erlangt wurden, sprechen mehr als alle Berichte und Gefechtsrelationen. Hinsichtlich des kleinen und Parteigängerkrieges, welcher in einem Kampfe mit politisch-nationaler Tendenz, wie der italienische, von besonderer Wichtigkeit ist, gebührt dem General Joseph Garibaldi ohne Widerrede der erste Rang. Wohl über keinen bedeutenden Mann der Neuzeit sind so widersprechende Ansichten und Urtheile, so verschiedene Gerüchte und Charakterschilderungen laut geworden, wie über Garibaldi. Während ihn die Einen als einen poetischen Helden Italiens mit allen Tugenden eines uneigennützigen Patrioten erheben, ihn ein militairisches Genie nennen, das nur die Werbetrommel zu rühren brauche, um in kurzer Zeit eine Schaar verwegener Bursche zu versammeln, jeden Augenblick bereit, für den geliebten Führer in den Tod zu gehen, – zeichnen ihn Andere mit den schwärzesten Farben, nennen ihn einen komödienhaften Abenteurer ohne Muth und Geschick, ja schieben ihm sogar die gemeinsten Verbrechen unter, obwohl hinsichtlich dieser Beschuldigung auch nicht der leiseste Schein der Rechtfertigung vorliegt. Mit einem Worte, es scheinen uns auf dieses sonderbare Gemisch von panegyrischen Urtheilen und Anschauungen, gehässigen Anklagen und Verdächtigungen ganz vornehmlich die Verse Schiller’s zu passen:

„Von der Parteien Gunst und Haß verwirrt,
Schwankt sein Charakterbild in der Geschichte.“ – –

Garibaldi’s Villa in Nizza. (Nach einer Originalzeichnung unseres Correspondenten.)

Es war im Monat December des verflossenen Jahres. Ich kehrte damals über Venedig, Mailand und Genua nach dem reizenden Nizza zurück, wo selbst in den strengsten Wintermonaten der Himmel blau und sonnig ist, während in den Orangen- und Citronenhainen die duftenden Früchte gleich goldenen Kugeln zwischen den hellgrünen Zweigen schimmern, und eine würzige Luft über die tiefblauen Wellen des Mittelmeeres weht. Die nette Stadt mit ihren weißen Häuserreihen am Meeresstrand, mit ihren koketten Villen auf den Olivenhügeln und der prachtvollen Alpenscenerie im Hintergrunde war schon mit Fremden überfüllt. Angehörige aller Nationen Europa’s geben sich hier jeden Winter ein freundliches Stelldichein, um sich im Immergrün dieser wundervollen Landschaft, an dem Wohlgeruch der Luft und an der milden Sonne des Südens zu laben, während zu Hause, im fernen Norden, der rauhe Wind durch die Straßen der Städte und über die traurigen, schneebedeckten Felder streift.

Eines Abend erhielt ich eine Einladung von einer mir schon aus früherer Zeit bekannten Familie, deren gastliches Haus einen ungezwungenen, freundlichen Mittelpunkt der Fremdencolonie bildete und Liebenswürdigkeit, Wohlstand und künstlerischen Sinn auf eine schöne, harmlose Weise zu verknüpfen verstand. Alles, was Nizza in künstlerischer Beziehung Interessantes bot, Sänger, Musiker, Maler, Schriftsteller, sowie andere hervorragende Männer der Gesellschaft und liebenswürdige Damen, fand man in diesem elegant und behaglich eingerichteten Salon vereinigt, wo die Dame und der Herr des Hauses, Beide Italiener, auf die zuvorkommendste Art die Honneurs machten. So war es auch an jenem Abend, an dem ich die erwähnte Einladung erhielt.

Am großen Kamin, in den Ecksophas und Fensternischen bildeten sich Gruppen und unterhielten sich in allen Sprachen Europa’s. Italienisch, Französisch, Deutsch, Englisch, Schwedisch, Polnisch und Russisch klang in einem sonderbaren Gewirre durcheinander, aber überall herrschte die ungezwungenste Laune, der heiterste, gesellschaftliche Sinn; man sah es hier deutlich, daß die wahre Bildung kosmopolitischer Natur sei, die jedes nationale Vorurtheil, jeden absurden Racenhaß aus ihrem Kreise verbannt.

Mit einem Male öffneten sich die Flügelthüren des Salons und ein Diener annoncirte: „Il Signore Generale Garibaldi!“ Dieser Name durchzuckte wie ein elektrischer Schlag die Gesellschaft. Viele der Anwesenden, darunter auch ich, hatten den berühmten

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 453. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_453.jpg&oldid=- (Version vom 10.8.2023)