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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

Licht. – Auch das Licht erhalten wir hauptsächlich von der Sonne, wie überhaupt Licht und Wärme sehr eng verbunden sind und meist vereinigt vorkommen. Man denkt sich das Leuchten der Sonne dadurch bedingt, daß selbige die Theilchen einer unwägbaren Lichtmaterie mit ungeheurer Geschwindigkeit nach allen Richtungen hin aussendet. – Licht entsteht bei jeder Verbrennung mit Flamme, jedoch unter der Bedingung, daß ein Stoff, meist fein zertheilter Kohlenstoff, in ihr glüht. Die Spiritusflamme leuchtet nicht, weil sich beim Verbrennen desselben kein Kohlenstoff abscheidet, der in der Flamme glühen könnte, wie dies bei der Leuchtgas-, Oel- und Talgflamme etc. der Fall ist. In geringer Menge entwickeln im Dunkeln noch verschiedene lebende Thiere (die Johanniswürmchen) und faulende organische Körper (faules Holz), sowie beim Reiben, Zerdrücken oder Zerschlagen mehrere Mineralien, Zucker und einige andre Stoffe Licht, doch ist man nicht im Stande, diese Erscheinungen genügend zu erklären.

Auf der Wirkung des Lichts, der physikalischen nämlich, beruhen zunächst die Begriffe über Durchsichtigkeit und Undurchsichtigkeit, sowie über die verschiedenen Farben. Ein Körper ist durchsichtig, wenn er alle auf ihn fallenden Lichtstrahlen frei durch seine Masse läßt, undurchsichtig, wenn er keinen Strahl hindurch läßt, sondern alle in sich aufnimmt, absorbirt, und halb durchsichtig oder durchscheinend, sobald er nur einen größern oder kleinern Theil derselben absorbirt, die übrigen aber durchläßt. – Der Sonnenstrahl erscheint uns weiß, ist aber aus den sieben Regenbogenfarben: roth, orange, gelb, grün, blau, indigo und violett zusammengesetzt. Ein Körper zeigt sich uns nun farbig, wenn er nur einen Theil der im auffallenden Lichte enthaltenen farbigen Strahlen durchläßt, die andern absorbirt. Roth ist ein Körper, wenn er nur die rothen, grün, wenn er nur die grünen, blau, wenn er nur die blauen Strahlen durchläßt etc. – Chemisch wirkt das Licht ebenfalls, denn unecht gefärbte Kleidungsstücke verschießen, sobald sie längere Zeit dem Sonnenlichte ausgesetzt sind, und eine Anzahl chemischer Verbindungen und Zersetzungen werden durch den Einfluß desselben bedingt. Wir sehen dies z. B. beim Photographiren, denn dieses besteht im Wesentlichen darin, daß ein chemisches Präparat, Jodsilber, welches auf Glas- oder Metallplatten in feinem Ueberzuge dargestellt ist, durch die Wirkung des Lichtes, welches der zu photographirende Gegenstand hineinwirft, zersetzt wird.

Magnetismus. – Der Magnetismus, dem wir die bekannte anziehende Kraft der Magnete verdanken, findet sich zuerst natürlich in einem Mineral, dem Magneteisenstein, und kann von diesem aus auf jedes Stück Eisen übertragen werden, wodurch dann künstliche Magnete entstehen. Auch die beiden Metalle Nickel und Kobalt lassen sich magnetisch machen, und vom Eisen nimmt das weiche den Magnetismus nur vorübergehend an, das gehärtete aber, der Stahl bleibend. Jeder Magnet hat die Eigenschaft, je nach seiner Größe und Stärke, Eisen in kleinerer oder größerer Menge anzuziehen und festzuhalten, und zwar findet man diese Kraft an seinen beiden Enden am stärksten, während sie nach der Mitte zu mehr und mehr abnimmt, bis man, ganz in der Mitte, einen Punkt erreicht, der keinen Magnetismus zeigt. Die beiden Enden eines Magneten nennt man seine Pole, und zwar das eine den Nordpol, das andere der Südpol. Diese Pole zeigen einen verschiedenen Magnetismus, denn während sich je zwei Nord- oder zwei Südpole nicht anziehen, sondern abstoßen, ziehen sich Nord- und Südpol zweier Magnete an und es gilt überhaupt der Satz: gleichnamige Pole stoßen sich ab, ungleichnamige ziehen sich an. – Stellt man eine Magnetnadel in ihrer Mitte auf eine feine Spitze, so bleibt sie, nach einigen Schwingungen, in einer gewissen Richtung stehen, und zwar zeigt das eine Ende, der Nordpol derselben, nach Norden, das andre, der Südpol, nach Süden, weil der Erdmagnetismus auf sie einwirkt. Hierauf beruht die Anwendung des Compasses, der nichts Anderes ist, als eine derartig über einer Zeichnung der Windrose aufgestellte Magnetnadel, sodaß nach der Stellung derselben die Seefahrer stets wissen, in welcher Richtung sie segeln.




Ein eidgenössisches Schützenfest.

Von J. D. H. Temme.
Zürich, im Juli 1859.     

Heute beginnt hier das eidgenössische Schützenfest. Gewähren Sie einer Schilderung desselben einen bescheidenen Platz in Ihrer Gartenlaube. Ich muß sie Ihnen ohne Illustration senden; dafür erzähle ich Ihnen denn Manches dazu, was, streng genommen, nicht zu dem Feste gehört, und doch Fest und Land und Leute illustrirt. Ein wahres Volksfest ist etwas so Bedeutendes, daß man eigentlich nicht zuviel darüber sagen kann, zumal nach Deutschland hin, wo die Volksfeste immer mehr abhanden kommen – sollen und wirklich abhanden kommen. Und doch ist Deutschland das eigentliche Land und das deutsche Volk das eigentliche Volk der Volksfeste. Der Franzose hat seine gemachten Rosenfeste; der Italiener seine Barcarolen; der Spanier seine Stiergefechte; der Engländer, seitdem ihm die Hahnenkämpfe und das Straßenboxen ausgegangen sind, gar nichts mehr; denn die Pferderennen, wie das Parlament gehören nur seiner Aristokratie. Deutschland hat seine Volksfeste. Zwar auch nicht überall mehr. Wo Centralisation und Bureaukratie schon seit Generationen das freie Gemeindeleben, mithin den besten Theil des Volkslebens niedergehalten oder gar bei Seite geschafft haben, da sind auch keine Volksfeste mehr zu Hause.

In Berlin haben sie in der zweiten Hälfte des Monat August den Stralauer Fischzug. Es kommen da jährlich an funfzig- bis sechzigtausend Menschen zusammen, im Dorfe, auf freien Wiesen, auf breitem Strome, auf noch breiterem See, an den Ufern von Strom und See. Da könnte wohl ein Volksfest, ein schönes, großes, herrliches Volksfest daraus werden, trotzdem daß die Ufer von Strom und See nicht besonders grün, vielmehr sandig gelb genug sind. Aber – alle die funfzig- bis sechzigtausend Menschen kommen nur hin, um Jeder zu sehen, wie die Anderen sich amüsiren. Da freut sich denn Keiner und Keiner sieht eine Freude, und das nennen sie ein Volksfest, und sie haben keinen Gedanken davon, was ein Volksfest sei.

Im südlichen Deutschland und im Nordwesten unseres schönen Vaterlandes, da sind die Volksfeste noch zu Hause, da sind sie immer zu Hause gewesen, besonders am Rhein und in meiner lieben Heimath Westphalen. Man möchte sie auch da gern ausrotten, finstere, zelotische geistliche Herren, die blasser im Gesichte werden, wenn sie zwei fröhliche Gesichter beisammen sehen, strenge Herren von der Polizei, die meinen, der Staat müsse zu Grunde gehen, wenn die Leute einmal auf der Kirchmesse einen Polizeidiener schief ansehen. Doch ich wollte ja von einem schweizerischen Volksfeste erzählen.

Ja, diese schweizerischen Volksfeste sind etwas Bedeutendes. Sie geben und erhalten dem Volke seine Frische, sein Volks- und sein Nationalitätsbewußtsein; sie sind unersetzlich für Weckung, Erhaltung und Hebung des kräftigen Volksgeistes. Ich bin Zeuge manches dieser Feste hier in der Schweiz gewesen. Jedes neue hat einen neuen erhebenden Eindruck auf mich gemacht. Auch einen anderen.

Im vorigen Jahre – gleichfalls im Juli – wurde das eidgenössische Sängerfest hier in Zürich gefeiert. Das eigentliche Fest war am Sonntag. Früh am Sonntagmorgen ging ich in die Stadt. Sie wissen, lieber Keil, ich wohne etwa sieben bis acht Minuten draußen vor der Stadt. Es war ein schöner, klarer, stiller Sonntagmorgen. Sänger und Gesang ruheten noch; denn es war noch sehr früh. Die Bewohner der Stadt waren noch in ihren Häusern. Fremde kamen nur erst sparsam an. Sie gingen still in der Stille, wie auch ich mit meiner Begleitung.

So traten wir in die alte, ehemalige Kaiserstadt, jetzt freie Schweizerstadt Zürich ein. Kein Mensch, kein Laut in den Straßen. Und doch keine Straße leer. Aus jedem Hause hingen Fahnen, aus jedem Fenster Teppiche und Fähnlein heraus; über jeder Thür grünte und blühte Laubgewinde mit bunten Blumen. Man konnte in den krummen und engen Straßen manchmal den Himmel nicht sehen. Und überall diese feierliche Stille. Auf einmal hörte ich neben mir ein leises Weinen. Eine Schweizerin war in meiner Begleitung, eine junge, gebildete, gefühlvolle Frau. Sie weinte.

„Ich kann nicht dafür,“ sagte sie. „Diese Fahnen alle, dieser klare Sonntagmorgen, diese feierliche Stille, der Gedanke, daß ein freies Volk hier waltet, daß es mein freies Schweizervolk ist, das Alles ergriff mich, überwältigte mich einen Augenblick und trieb mir die Thränen in die Augen.“

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 457. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_457.jpg&oldid=- (Version vom 12.8.2023)