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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

einen neuen Vorsprung. Wir waren schon im Gebüsch verschwunden, als Conanha erschien und die Führung übernahm. Nur wenige Augenblicke hielt die Furcht vor einem Hinterhalte sie ab, in das Gebüsch zu dringen. Wir hörten sie uns folgen, als wir den Abhang hinauf ritten. Vielleicht wäre es uns möglich gewesen, den Weg in das Thal zu gewinnen, denn erst jetzt hörten wir die Befehle, das Thal zu besetzen. Wir eilten in die Höhle hinein. Bald folgten Dick und Ben, die rasch von den Pferden sprangen. Kaum daß unsere Hunde hinein konnten, so war der Eingang schon mit Baumstämmen, die zur Seite lagen, verwahrt, und der zuerst erscheinende Indianer kollerte nach einem Stoße vor die Brust den Abhang hinunter und belehrte die andern, wo wir waren und was ihrer wartete. Ein Wuthgeschrei war die Antwort.

Wir hatten die Pferde in die zweite Höhle geführt, die im Winkel an die erste anstieß, so daß wir vor den Kugeln, die vielleicht in die erste Höhle sich verirren konnten, vollkommen gesichert waren, und hatten Ben und Dick die Sorge für unsere Vertheidigung überlassen.

In Sicherheit waren wir, aber wir waren gefangen. Ein unbehagliches Gefühl überschlich mich. Ich ging zur Ben und Dick; Harry war mit dem jungen Mädchen beschäftigt. Er bereitete für sie ein Lager von unsern Decken, und sie half ihm.

Ben legte den letzten Balken auf, und Dick schob Querriegel vor. Obgleich man es den Balken nicht ansah, waren sie genau aufeinander gepaßt und zubereitet.

„Wärst Du im Winter gekommen, mein Junge,“ sagte Dick, „Du hättest nach der Höhle suchen sollen. Nun noch ein Steinhaufen davor, und keine Rothhaut spürt uns. Dies ist genug zur Abwehr.“

Wir gingen zurück.

„Nun sollt ihr auch den Dachsbau kennen lernen!“ sagte Dick. Er ging in den Hintergrund der Höhle und räumte dort die Steinmassen bei Seite. Die Strahlen der scheidenden Sonne leuchteten uns entgegen, und bald hatte er eine so große Oeffnung klar gemacht, daß bequem ein Pferd durchschreiten konnte. Wir gingen durch sie abwärts in eine dritte Höhle, die uns durch eine Oeffnung eine freie Aussicht in das Thal gewährte.

„Dies ist unser Staatszimmer!“ sagte lächelnd Ben, und auf die bequemen Bänke von Büffelhaut deutend, fügte er hinzu: „Für unsere Dame!“

„Geht nicht zu nahe an das Loch!“ warnte Dick. „Es kann keine Rothhaut hinein, denn hier geht es steil wie eine Mauer hinab, aber eine Kugel könnte doch ihren Weg hinein finden. Dies ist Ben’s Arbeit! Und nun kommt weiter, noch greifen die Wilden nicht an, und ihre Ankunft melden die Hunde. Wir müssen auch die Pferde versorgen!“

Wir folgten ihm in den Hintergrund. Ein neuer bequemer Gang führte uns bergab. In der Ferne hörten wir leise Töne.

„Nun still!“ flüsterte Dick. „Vorsicht ist immer gut. Wir sind sogleich am Boden.“

Der Gang öffnete sich, und wir traten in einen matt erleuchteten Raum. Vom Boden aufwärts kam die Beleuchtung, und an den zitternden Strahlen bemerkte ich, daß sie durch Wasser ging. Als sich unser Auge gewöhnt hatte, erkannten wir, daß wir in einer jener merkwürdigen Höhlen waren, die sich im Kalkgebirge finden. Leise tröpfelte das Wasser hier und da auf die wunderlichsten Tropfsteingebilde und vereinigte sich mit einer ziemlich starken Quelle, die sich in ein mächtiges Becken ergoß und bei ihrem Abflusse einen ziemlich breiten Canal ausfüllte.

„Ihr denkt, wir sind gefangen?“ sagte Dick lachelnd, „wir könnten’s aushalten, dann an getrocknetem Fleisch ist Vorrath da schon für den Winter, aber seht!“ er fuhr mit einem Stabe in das Wasser, „der Canal ist tief genug, um einen Weg abzugeben für Roß und Reiter. Und hier,“ fuhr er fort, „mit diesem Balken öffne ich den Canal, durch den das Wasser abfließt. Es ist Ben's Meisterstück!“

Harry hatte mit großem Interesse Alles beobachtet.

„Wenn nur kein Blut geflossen wäre, so hätte ich noch Hoffnung, daß wir in Frieden scheiden könnten!“ sagte er. „Jetzt müssen wir uns schon in Geduld fassen; und lange können uns die Comanches nicht belagern, wollen sie nicht ihren ganzen Raub gefährdet sehen.

„Blut geflossen?“ fragte Ben. „Die Bisse unserer Hunde haben kaum die Haut geritzt! Ich fürchte die Eitelkeit des Häuptlings. Seine Ehre steht auf dem Spiele, und er will das Mädchen gern haben!“ fügte er leise hinzu, denn wir waren schon wieder aufwärts gestiegen, und in der dritten Höhle kam uns die Fremde entgegen.

„Aber der Indianer, den Dick erschoß?“ fragte Harry.

„Ich habe ihm nur den Tomahawk aus der Hand geschleudert!“ lachte Dick.

„Gott sei Dank, dann habe ich noch Hoffnung!“ rief Harry. „Nun überlaßt Alles mir!“

Ich hatte nur Augen für die Fremde. Sie hatte die Zeit unserer Abwesenheit benutzt, um ihren Anzug in Ordnung zu bringen. Ihre dunkeln Locken ließen die zarte weiße Farbe ihrer Haut um so lieblicher hervortreten. Auf den Wangen wechselte das leichte Roth, ein Zeuge ihrer inneren Erregung. Ihre großen Augen hingen an Harry’s Lippen, der sie jetzt kaum beachtete. Ich kann nicht umhin, hier eine kleine Empfindlichkeit einzugestehen. War ich doch eigentlich ihr Ritter und Retter, aber wie jetzt, so späterhin hatte sie nur Augen für Harry.

Harry wandte sich jetzt zu der Geretteten und sagte, indem er ihr die Hand reichte. „Willst Du mit uns, mia cara?“

O, mio caro, wohin Du willst, folgt Dir Dolores! Du hast sie aus der Hand der Wilden gerettet, Du wirst sie nicht verlassen, sie ist Dein eigen!“

Harry war tief ergriffen von dem einfachen Geständnisse.

„Ich werde Dein Schützer sein!“ sagte er ernst. „Aber es ist keine Zeit zu verlieren. Der Abend ist da, und was geschehen soll, hat Eile. Kann Dolores die Nacht durch reiten?“

„Ich habe vier Tage geruht!“ erwiderte sie.

„Gut, dann ruhe auch jetzt. – Stärkt Euch und besorgt die Pferde, daß sie kräftig sind,“ wandte er sich zu uns, „wir reiten noch diese Nacht!“

Aus Behältnissen der dritten Höhle holten nun Ben und Dick ihre Vorräthe an Fleisch und Mais, und wir besorgten die Thiere. Harry war an das Loch getreten, durch welches das Licht in die Höhle fiel. Die Sonne war untergegangen, und es war keine Gefahr, entdeckt zu werden.

„Conanha!“ rief er hinunter. „Conanha, höre ein Wort von Deinem Freunde!“

„Conanha hat keinen Freund. Er brachte einen Panther in sein Lager, und dieser raubte ihm sein junges Füllen!“ erwiderte dieser.

„Conanha hat Recht, uns zu zürnen,“ sagte Harry, „wir haben ihm Unrecht gethan, aber er sollte sich versöhnen lassen!“

„Wenn ich Euer Blut getrunken, Euch zerrissen habe, bin ich versöhnt!“

„Conanha weiß, daß wir sein Blut nicht wollen. Er hat uns zwei Mal angegriffen, wir haben seinen Angriff nur abgewehrt. Wollten wir Blut, wir hätten ihn und seine Krieger getödtet. Wir konnten seit einer Stunde mit unseren Büchsen die Erde mit dem Blute Conanha’s und seiner Krieger färben, wir haben es nicht gethan. Wir sahen sie im Gebüsche schleichen, wir sahen sie zu Pferde steigen, aber unsere Büchsen schwiegen. Sind wir etwa Weiber, die kein Blut sehen können, oder deren Büchsen eingerostet sind? Weiß Conanha nicht, daß unsere Kugeln seinen Kriegern den Tomahawk aus der Hand schleudern?“

Diese Thatsache frappirte die Häuptlinge, die sich um Conanha gesammelt hatten, und die von unserer Kühnheit zur Bewunderung hingerissen waren.

„Die Worte der Weißen sind Wahrheit und Lüge, wer kann ihnen trauen?“ rief Conanha. „Was willst Du von mir?“

„Ich will mit Conanha allein sprechen und mit ihm Frieden schließen, wenn er will. Die Thür unserer Höhle wird sich öffnen, und ich werde zu Conanha hinaus treten. Conanha wird unbewaffnet vor die Höhle kommen. Er kann auch seine Waffen mitbringen, aber er befehle seinen Kriegern, den Frieden zu halten, bis ich in die Höhle zurückgekehrt bist, denn die Büchsen meiner Freunde kennen kein Mitleid mehr, ist unser Blut geflossen.“

Conanha berieth sich erst eine Weile, dann rief er. „Ich werde kommen!“

Wir räumten mit Bangen einige Balken weg, und bald stieg Conanha langsam die Anhöhe hinauf. Seine Brandwunden mochten ihn hindern, aber er ließ es sich nicht merken. Harry ging ihm entgegen.

„Hat Conanha vergessen, daß sein Vater am Fieber leidet?“ fragte Harry. „Ich werde ihn heilen. Theile dies in sieben Theile, und laß ihn jeden Tag einen Theil in wenig Wasser nehmen, und

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