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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

Karl Marx, des Meisters in Erregung und Verbreitung grimmigen Abscheues vor Demokratie, die er in wahnsinnigster communistischer Verirrung und in giftspritzendem Hasse gegen alle, auch demokratischen Nichtcommunisten giftig und geistreich zu vertreten suchte.

Wir können mit unserer heiligen Verehrung des Dichters keine Abgötterei verbinden. Deshalb muß es hier gesagt werden, daß Freiligrath unter dem Einflusse dieses unglückseligen Virtuosen des Hasses, der viel Geistreiches, aber nie einen edeln Gedanken geschrieben, seine Stimme, seine Freiheit, seine Charakterstärke verlor. Seitdem ihn Karl Marx angehaucht, sang Freiligrath nicht oft mehr.

Da wir auf die anderweitigen literarischen Producte des Dichters nicht zurückkommen, seien sie hiermit eben kurz erwähnt. Der ersten Ausgabe der Gedichte folgte eine Nachlese: „Zwischen den Garben“. Er betheiligte sich an dem „Rolands-Album“ (Köln, 1840), am „Rheinischen Odeon“ und dem „Rheinischen Jahrbuch“. Das „romantische Westphalen“ war hauptsächlich sein Werk, ebenso „Blätter der Erinnerung an Karl Immermann“ (1842) mit vortrefflichen Commentaren Kinkel’s und Schücking’s zum „Merlin“. Dem Glaubensbekenntnisse folgten die „Sechs Gedichte Ça ira“ und „Neuere politische und sociale Gedichte“ (1850). Später bekundete er sich als unübertrefflichen Meister in lebendiger Uebertragung der besten Dichtungen aus dem Englischen und Französischen, wie dem Schottischen des Burns. Dadurch ist die in New-York bei Fr. Gerhard erschienene Gesammtausgabe seiner Werke zu sechs starken Bänden angewachsen. In London rief nur ein Tod (Johanna Kinkel’s) und eine Geburt (Schiller’s) seinen schaffenden Dichter-Genius wach. Das von Deutschen in Amerika von ihm erbetene Gedicht zur Feier des hundertsten Geburtstages Schiller’s wird von allen deutschen Gemeinden und Vereinen der freien Staaten Amerikas nach Einer Melodie, an Einem Tage und zu derselben Stunde gesungen werden. So reichen sich deutsche Dichter aus verschiedenen Jahrhunderten die Hände, um den neuen, idealen, kosmopolitischen Boden des deutschen Vaterlandes und dessen Einheit zunächst im Gesange, in der unsterblichen, über die Erde leuchtenden deutschen Poesie (die also vergebens auf heimathlicher Scholle mit Kerker verfolgt und „unschädlich“ gemacht wurde) zu verwirklichen.

Er fand nach seiner Flucht vor den Verfolgern der „Neuen Rheinischen Zeitung“ in London bald erträgliche kaufmännische Beschäftigung und kann als Sachwalter der Schweizer Bank, was äußere Lebensstellung betrifft, verhältnißmäßig glücklich gepriesen werden. In dem nobeln Bureau derselben, in der Mitte der königlichen Börsengebäude, der respectabelsten und schönsten Geschäftsgegend der City, ist er Meister und oberster Leiter mit einem geräumigen Privatzimmer. Nach Geschäftszeit lächeln und jauchzen ihm im fernen, stillen Nordosten Londons die liebende Gattin und fröhliche, liebe Kinder entgegen. Grüne Bäume rauschen vor dem Fenster, und aus dem langen, geräumigen Garten duftet der Frühling Blumen und schüttelt der Herbst Früchte. Freunde und Verehrer, die gar fleißig zuströmen, finden immer herzliche, gastliche Aufnahme, biedern Händedruck, ein treues, offenes Auge und den herzlichsten, unbefangensten Ton in seiner kräftigen, sonoren Baßstimme. In der unbefangensten, treuherzigsten Weise unterstützt ihn in Erhaltung dieser wohlthuenden heimischen Atmosphäre die Frau. Der bausbäckige Kleinste spielt den liebenswürdigen Schalck und zieht gelegentlich plötzlich eine Rauchwolke aus der Havannah des Vaters. Bruder und Schwester in der Mitte lesen und studiren still. Ersterer ist auch stolz auf seine kleine Menagerie im Garten und auf seine Photographien. Die älteste Tochter, das sinnigste, süßeste Mädchengesicht, das ich je gesehen, gleitet wie ein verkörperter Sonnenstrahl durch das Haus und liest schon Homer in der Ursprache. Ich und mein Haus rechnen den Frühlingsabend, als sie mit dem Vater zu uns kam und aus einem grünen Körbchen mit Moos ein junges Kätzlein aus der Menagerie des Bruders für Adelheid Kinkel springen und spielen ließ, für einen der schönsten unserer Erlebnisse in London.

Wir schließen mit diesen heitern Andeutungen aus dem gücklichen Familienkreise des Dichters und scheiden im Zweifel, ob sein Herz noch blutet über Deutschland, oder ob ihn die Hoffnung verließ, daß die schöne Knospe und Blume neu und kräftiger aus dem alten Triebe hervorbreche.




Das Perpetuum mobile.

Die großen Erfolge, welche vorzüglich die Mechanik zu Ausgange des Mittelalters in dem Lichte, das von dem Morgemrothe der auftauchenden Sonne naturwissenschaftlicher Erkenntniß ausging, erreichte, berauschte die Gemüther über Alles. Warum sollte es, da man in den Wirkungen des Schießpulvers so kolossale Kräfteäußerungen erblickte, von denen man sich nicht erklären konnte, wo sie herkamen, nicht auch möglich sein, durch Federn und Getriebe geheimnißvolle Kräftequellen zu benützen, von denen man sich überall umgeben glaubte? Brachte doch die Natur in den Menschen und Thieren Mechanismen (so dachte man sich damals) hervor, welche eine Zeit lang Arbeit verrichten, dann hingehen zu sterben, aber Alles aus sich selbst producirend. Das neugeborne Kind hatte doch die Kraft nicht wie ein ausgewachsener Mann. Es mußte also der Mensch in Folge einer gewissen innern Construction Kräfte aus sich heraus zu entwickeln im Stande sein, denn er brauchte nicht wie eine Uhr aufgezogen zu werden, und konnte doch immer ein gewisses Quantum Arbeit leisten. Es schien also der Weisheit des Menschen nur aufgegeben zu sein, aus einem dauerhafteren Stoffe, als es Fleisch und Blut ist, eine ähnliche Maschine herzustellen. Darin lag dann der Born materieller Glückseligkeit, weil die unversiechbare Quelle der Kraft und verkäuflicher Arbeit.

Mit der Erfindung des Perpetuum mobile wäre das Problem gelöst gewesen, deshalb haben sich Tausende von denkenden Köpfen an die Enträthselung dieser Aufgabe gemacht. Die klarsten darunter, die mit den Gesetzen der Mechanik am meisten vertraut waren, kamen auf die eitle Darstellung menschen- und thierähnlicher Gebilde, die, durch einen innern Mechanismus getrieben, Bewegungen machten ähnlich denen freiwillig handelnder Wesen. Die Menge mitunter höchst’ scharfsinnig und geistreich erfundener Automaten sind auf dem Wege nach dem Perpetuum mobile entstanden. Johannes Müller (Regiomontanus) verfertigte außer seinen Räderwerken, die den Umlauf der Planeten darstellten, eine Fliege, die auf dem Tische herumkroch, sowie einen Adler, der den Kaiser Maximilian bei seinem Einzuge 1570 an den Thoren Nürnbergs mit Flügelschlagen begrüßte. Vaucanson’s Ente fraß und gab das Verdaute wieder von sich; und ein Flötenspieler desselben Künstlers, der die Finger richtig setzte, machte großes Aufsehen. Droz setzte eine Clavierspielerin zusammen, die dem Spiel ihrer Hände mit den Augen folgte, nach der Beendigung aufstand und der Gesellschaft eine Verbeugung machte, und ein anderer Automat stellte einen Knaben vor, der auf ein untergelegtes Stück Pergament mit sicherer Hand einige Figuren zeichnete, den Staub des Bleistifts wegblies und von Zeit zu Zeit sich die gefertigte Zeichnung besah. Es waren Alles eitle Spielereien, die dadurch, daß sie versuchten, die tausend verschiedenen Dienstleistungen eines Menschen auf mechanischem Wege zu vollziehen, nimmer irgend eine dauernde Beachtung beanspruchen konnten. Unsere jetzigen Maschinen unterscheiden sich dadurch wesentlich von ihnen, daß hier gerade entgegengesetzt nur eine Dienstleistung, aber Stelle von tausend Menschen verrichtet wird.

Ueberzeugten sich aber auch die besseren Köpfe endlich von der Erfolglosigkeit ihrer Versuche, so gab es doch viele Andere, die ohne die Bekanntschaft mit den Hülfsmitteln der Mechanik, welche Jenen die Unausführbarkeit ihrer Ideen zeigte, fort und fort dem Phantome sich selbst erzeugender Kraft nachhingen, und dabei endlich auf Pfade geriethen, die sie, nachdem die Zeit mühseliger Arbeit und das Vermögen sinnlosen Experimenten geopfert worden war, am Ende unbefriedigt, stumpf und verzweifelt in’s Irrenhaus führten. Und es ist die Zeit nicht etwa vorbei, in der man an die Realisierung solcher Träume dachte. Gerade unser Jahrhundert, das die eminentesten Fortschritte auf dem Gebiete der Naturwissenschaften gemacht hat, hat die Köpfe Vieler verwirrt, die in den gesetzmäßigen Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung nicht zu blicken vermochten, sondern halbgebildet aber doppeltbewußt sich berufen glaubten, die letzten Geheimnisse der Schöpfung erkennen und für ihre Zwecke benutzen zu können. Eigennutz ist bei diesen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 620. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_620.jpg&oldid=- (Version vom 23.11.2023)