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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

Montags geschnittene auf Silber, eine am Dienstage geschnittene auf Kupfer etc. Beim Schneiden der Ruthen darf man gewisse Ceremonien nicht versäumen; auch ja nicht beim Hersagen des Spruches, während dessen man das Reiß mit einem Schnitt vom Stamme nennt, stottern oder husten. Man soll sich mit dem Gesicht nach Morgen zu wenden, und will man besonders kräftige Ruthen haben, so muß man sie vor Sonnenaufgang mit dem Thau schneiden.

Ja, wer das Seine vollständig thun will, der muß in der Christnacht zwischen elf und zwölf Uhr nackend auf das Ruthenschneiden ausgehen. Bei einem so kühlen Geschäft nicht zittern und im Ruthensegen nicht stottern oder sich versprechen, ist freilich etwas viel verlangt. Die Sprüche, unter deren Hersagung die Procedur des Schneidens vorgenommen wurde, waren bald kurz, bald lang, mitunter nur ein Bibelspruch ohne Sinn und Verstand angewandt, mitunter auch eine förmliche Anrede. Ein Spruch von ganz besonderer Kraft und Wirkung sollte folgender sein: „Gott grüße dich, du edel Reiß, mit Gott dem Vater such’ ich dich, mit Gott dem Sohne find’ ich dich, mit Gott des heiligen Geistes seiner Kräfte und Macht breche ich dich. Ich beschwöre dich Ruthe und Sommerlatte, daß du mir wollest zeigen, was ich gebiete, und solches so gewißlich und wahr, so rein und klar, als Maria, die Mutter Gottes, eine Jungfrau war, da sie unsern Herrn Jesum gebar. Im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes.“ – Manche tauften sogar noch die Ruthe ganz besonders, während die Radicalen, welche nichts von einer Kraft der Ruthe wissen wollten, aber auch nicht, wie die Geistlichen, an Teufelsspuk glauben mochten, sondern die Ursache, welche die Ruthe bei Metall- oder Quellensuchen bewege, in geheimnißvollen, dem Menschen innewohnenden Kräften suchten, meinten: das Beschwören der Ruthe sei unnütz und es sei ganz gleich, ob einer den ganzen Froschmäußler herbete. Deshalb brauche es aller dieser Schwierigkeiten nicht, da ja die Ruthe nichts thue, als die Kraft des Menschen anzeigen, und sei alles zu einer Wünschelruthe passend, was sich nur krümmen läßt und wieder in die Richte geht. Damit aber ging ein Glaube, daß sich nur eine jährige Haselstaude dazu eigne, zu nichte. Ein Draht wie eine Spirallinie gewunden, ein Linial, eine Lichtputze, Messer und Gabel ineinander gesteckt, Kesselringe, Eimerhölzer wurden zu Ruthen.

Die Art und Weise, die Ruthe zu halten, sie zu führen, war bei Allen gleich und hat sich bis auf unsere Zeit unter den Ruthengängern, wie man jene Leute nennt, erhalten. Man nimmt die beiden Enden (die Hörner) der Ruthe dergestalt in die Hände, daß die Finger nach oben zu gerichtet, die äußeren Handflächen dem Boden zugekehrt sind. Die Gabel der Ruthe muß zwischen den Händen in die Höhe und von der Brust des Trägers um etwa einen Fuß abstehen.

Hat der Ruthengänger sein Werkzeug dergestalt gefaßt, so fange, wie er meint, sobald sein Fuß sich den Orten nähert, wo Geld oder edle Erze, Wasser oder sonst was man suchen wolle, verborgen seien, die Wünschelruthe an, in seiner Hand sich zu bewegen, zu zittern und sich zu drehen, so daß sie sich selbst zerbrechen könne, wenn man mit den Händen ihr nicht den Willen lasse. Manche tauften wie gesagt ihre Ruthen und wenn sie dann Metallsuchen gingen, redeten sie ihr Werkzeug folgendermaßen an:

„Im Namen der heiligen Dreieinigkeit Gottes des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes, Auguste Caroline, willst du mir sagen so rein und wahr, als die heilige Jungfrau Maria war, da sie unseren Herrn und Heiland gebar, wie viel Lachter haben wir noch – (bis an’s Erz oder dergl.)“. – Die Entfernung oder eine sonstige Antwort auf eine Frage gibt hierauf die Ruthe durch eine Anzahl Schläge an. Die Art und Weise der Bewegung, die Anzahl und Heftigkeit der Schläge, soll auf die Menge und die Tiefe des Verborgenen einen sichern Schluß zulassen. So sollen 3 Schläge Quecksilber bedeuten, 6 Wismuth, 9 Schwefel, 10 Eisen, 12 Blei, 14 Zinn, 15 Kupfer, 22 Silber, 28 Gold.

Es ist wohl nicht unbillig, daß, je edler das Metall, es um so mehr Arbeit verlange. Ganz können aber die neckischen Geister ihren Spott mit den Menschen nicht lassen, denn durch 28 Schläge lassen sie die Ruthe ebensowohl einen Ort andeuten, an dem man beim Nachgraben nicht Gold, sondern nur ein Metall findet, welches, obwohl es jetzt, wegen der blauen herrlichen Farbe, die man daraus bereitet, sehr geschätzt wird, damals allgemein nur als das Spukmittel der Erdkobolde angesehen und deshalb auch Kobolt oder Kobalt genannt wurde.

Wolle man sich genau überzeugen, ob Gold oder Kobalt gemeint sei, so solle man ein Stück von einem dieser Metalle in die Hand nehmen, worauf die Ruthe still sein würde, wenn es von ungleicher Art wäre. Für Wassersucher, so war die Meinung, müßten die Ruthen auch besonders präparirt sein. Nichts da, sagten Jene, welche auch andere Gegenstände als Wünschelruthen handhabten, jedes Ding kann eine Ruthe sein, ein Besen, wenn er nur das Geschick dazu hat; und es wird eine solche auf Alles schlagen, aber nicht blos auf Gold oder auf Wasser; und brauchen wir dabei weder Sprüche zu murmeln, noch uns mit dem Gesichte nach Morgen zu drehen, wenn wir überhaupt nur wissen, auf was wir suchen wollen. Sie hatten eben so Recht, als die, welche in der Ruthe ein unantastbares Heiligthum sahen. Jeder fand, was er wollte. Wer nicht glaubte, daß ihm die Ruthe schlagen würde, dem schlug sie auch nicht, und wer sich hinwiederum mit der Kraft begabt meinte, Verborgenes durch das Schnellen eines gebogenen Astes aufzufinden, dem wand und drehte sich ein Kesselring in den Händen, wie ein Bauer, der in den Thurm soll, nicht wie ein Student, der mit Freuden in das lateinische Carcer geht.

Die frommen Landsknechte waren es, die mit ihren beschworenen Zauberruthen fast alles versteckte Geld, so sich unter Dach befunden, ausgelochert und manchen armen Mann dadurch wehe gethan und betrübt. Was man nur immer suchen wollte, konnte man durch die Wünschelruthe finden, sie schlug auf Alles, auf Feuer, Wasser, Eisen, Lehm, Zwiebel, Salatstauden, Fußtapfen, Geld, unbekannte Wege; wo eine Jungfrau sei, oder auch wo ein Hahnrei wohne. Sie gab die Zeit an und ersetzte dadurch die Uhren, man konnte durch sie erfahren, wann die Frau nach Hause komme, – oder aber, wen dies etwa mehr interessirt, ob der Hamster allein oder mit seiner Gemahlin im Loch sei. Dies, und hunderterlei andere, aber eben so thörichte Fragen, war die Wünschelruthe im Stande zu beantworten, und sie hat in jener Zeit genau dieselbe Rolle gespielt, wie vor mehreren Jahren der an einem Haar aufgehängte Ring, durch dessen Anschlagen an ein Glas sich Jeder beliebige Fragen, welche ihn besonders beschäftigten, beantworten lassen konnte, oder etwa wie die redenden und schreibenden Tische, die ihren Unfug in den Köpfen und Stuben unklarer Phantasten immer noch treiben. All das dumme Zeug, was die Menschen vor zwei- oder dreihundert Jahren schon getrieben, brachte das aufgeklärteste aller Geschlechter wieder zu Ansehen, und es ging dabei genau von denselben verkehrten Begriffen und Vorstellungen, von geheimnißvollen noch unentdeckten Naturkräften aus, wie die Voreltern, denen beiweitem ein so klarer Blick in das Wesen und Wirken der Kräfte in der Natur zu thun nicht gestattet war.

Thierischer Magnetismus, Od, Lebenskraft, geistiger Rapport, Somnambulismus, Sympathie und ähnliche Schlagworte, die von jeher nichtssagende Ausdrücke für unklare oder ganz mangelnde Begriffe waren, übten im Munde confuser Köpfe auf die Menge einen merkwürdigen Einfluß. Genau so wie mit alle dem Firlefanz, der vor acht, neun Jahren spukte, wurde von jeher mit der Wünschelruthe umgesprungen. Und da sonst ganz unbefangene Köpfe die Thatsache, daß die Ruthe schlaget, nicht leugnen konnten, eben so wenig wie man leugnen kann, daß sich der Tisch dreht, wenn zehn Personen „eine Kette bilden“, so mußten sie, weil ihnen der Einblick in gar viele Gebiete der Natur noch verschlossen war, zugestehen, daß die Sache doch etwas Merkwürdiges an sich habe. Da sie aber keineswegs, wie die Geistlichkeit, die Sache damit abthun und erklären konnten, daß sie dieselbe einfach für Teufelsspuk ausschrien, so brachten sie die gewagtesten natürlichen Erklärungen auf’s Tapet, denen zufolge die Metalle bald Dünste ausstoßen sollten, die sich mit gewissen kleinen Körperchen in der Ruthe verbänden und als Folge dieser Vereinigung, bei welcher gewissermaßen im Innern der Ruthe getanzt würde, das Zittern der Ruthe hervorbrächten; bald sollte das Holz auf eine magnetische Art afficirt werden, oder aber es sollte zwar nicht die Wünschelruthe eine animam vegetativam (eine Pflanzenseele) haben, sondern vielmehr eine Art sechsten Sinnes des Menschen, ein ahnendes, magnetisches, sensitives Etwas, solle durch die Nähe verborgener Schätze, unterirdische Wasseradern oder was sonst wünschenswerth war, in Erregung gebracht und der Wünschelruthe durch die Nervenerschütterung diese Erregung mitgetheilt werden. Diese letzte Erklärung des

Schlagens trifft die Sache fast auf den Kopf; wenn noch mancherlei

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 650. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_650.jpg&oldid=- (Version vom 20.11.2023)