Seite:Die Gartenlaube (1860) 172.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

aus Spanien, scheint jedoch daselbst vernachlässigt zu sein, wogegen sie in Holland, England und auch in Deutschland sorgfältig gezüchtet und sehr geschätzt wird. Merkwürdig genug hat man ihnen an einigen Orten den Namen „Tscherkessen“ beigelegt, während es glaubhaft erwiesen ist, daß man bei jenen Bergbewohnern, die sich, zumal in letzter Zeit, mit ganz anderen Dingen als Hühnerzucht beschäftigten, keine Spur davon antrifft.

Ueberhaupt, seitdem Hühner ein großer Handelsartikel geworden sind, hat die Speculation nicht verfehlt, hinsichtlich der Benennungen oft das Gebiet des Romantischen zu betreten, weshalb es höchst gewagt bleibt, durch einen zu den schönsten Hoffnungen berechtigenden Namen verlockt, eine Sorte Hühner aus weiter Ferne für hohen Preis zu bestellen. So werden beispielsweise die kleinen englischen Zwerghühner mehrfach „Indianische Steppenhühner“, schwarze Hühner mit weißen Hauben „Aleppo“, eine Kreuzung gelber und gesperberter Cochin-China aber „Hermandad“ genannt etc.

England verwendet große Aufmerksamkeit auf eine Züchtung der überseeisch importirten Racen, um sie echt zu erhalten und durch schlechte Nachzucht nicht verfallen zu lasten, ebenso auch auf Hebung europäischer, durch Schönheit oder Ertrag ausgezeichneter Gattungen. Besondern Werth legt man aus einem gewissen Nationalstolz in England auf die Zucht der Dorkings, einer echt englischen Race, stark gebaut, in gewöhnlichen meistens bräunlichen Farben, im Legen und Brüten weniger ausgezeichnet, aber sehr zum Fleischansatz geneigt; eine Eigenthümlichkeit derselben ist, daß sie stets fünf Zehen an jedem Fuß besitzen, was bei andern Hühnern nur ausnahmsweise vorkommt und, ohne einen Nutzen darzubieten, gleichsam als Luxus erscheint. Mit Hauben versehene Hühner werden in England mit dem Namen „Polands“ bezeichnet, in Frankreich poules huppées, in Deutschland gewöhnlich „Schleierhühner“ genannt. Die behaubten Hühner sind sehr verschiedenen Ursprungs und fast in allen Farben vertreten, besonders gesucht sind diejenigen mit großen weißen Hauben. Eine Varietät, weiß mit schwarzen Hauben, soll früher existirt haben, scheint aber gänzlich eingegangen zu sein, da sie vielseitig zu hohen Preisen, allein vergeblich gesucht wird. Als eine Seitenlinie der Haubenhühner sind die Brabanter zu bezeichnen, regelmäßig tigerartig gefleckt, welche Zeichnung dadurch gebildet wird, daß jede Feder in weißer, blaßgelber oder goldgelber Grundfarbe an ihrem Ende mit einem starken schwarzen Punkt versehen ist; die Haube ist mehr helmartig, nach vorn geneigt, und ein schwarzer Bart ziert außerdem das Huhn. – Diese schöne Race, deren Heimath Holland und Belgien, strenger genommen Brabant ist, wie auch der Name andeutet, stand vor Einführung der überseeischen Racen bei allen Liebhabern in besonderem Ansehen, trat als eine bekannte Größe für einige Zeit in den Hintergrund, wird aber neuerdings wieder sehr gewürdigt, zumal wenn sie mit befiederten Füßen erscheint, was ehedem nur ausnahmsweise der Fall war.

Frankreich, wie bereits oben angedeutet, hat sich stets im Besitz eigener Hühner-Racen befunden und davon den größten Nutzen gezogen, weshalb das Bedürfniß einer durchgreifenden Veredelung durch ausländische Gattungen dort weniger dringend als in andern Ländern vorliegt. Gleichwohl werden in Frankreich, theils aus Liebhaberei, theils zu Versuchen und Kreuzungen, die überseeischen Racen ebenfalls angetroffen. Die eingebornen französischen Hühner zerfallen in mehrere Abtheilungen, welche wiederum in einzelnen Gegenden vorzugsweise gezüchtet werden; die ausgezeichnetste Gattung jedoch sind die Crève-Coeur, starke schwarze Hühner mit einer meistens hinterwärts geneigten Haube versehen, und mit schwachem Kamm. Ihren Namen sollen sie der Formbildung des Kammes beim Hahn verdanken, die, in zwei auseinandergehenden Zacken bestehend, mit einem gespaltenen Herzen verglichen wird, wobei allerdings eine etwas lebhafte Einbildungskraft in Anspruch genommen werden dürfte. Die Vorzüge gedachter Race bestehen in der Größe ihrer Eier, dem fleißigen Legen, der Leichtigkeit, mit welcher sich die Jungen aufziehen, und in dem schnellen Fleischansatz. Unter den Nebengattungen sind hauptsächlich zu bemerken: die Houdan, ähnlich in Figur, schwarz und weiß gefleckt, in der Normandie sehr verbreitet, die La Flèche, schwarz von Gefieder, höher gestellt, mit schwächerer Haube, und außerdem noch mehrere andere dahin einschlagende Sorten. Auf das Gebiet der unendlichen Spielarten und mit obigen verwandten Sorten weiter einzugehen, würde zu weit führen, noch weniger Interesse aber könnte es gewähren, sich in das Labyrinth der vielfachen, theils absichtlichen, theils zufälligen Kreuzungen zu vertiefen. Es bilden sich häufig neue Abarten, die jedoch erst nach einigen Generationen als constant zu betrachten sind, da die Nachzucht im ersten und zweiten Jahr mehr nach dem einen oder dem andern Theil der Stamm-Eltern zurückschlägt.

Wenn die Hühnerzucht überhaupt mehr Gegenstand der Liebhaberei ist, dann wird das Hauptaugenmerk fast immer dahin gerichtet sein, die fremden Racen rein und unverfälscht zu erhalten, diejenigen Fälle abgerechnet, wo Kreuzungsversuche unternommen werden, um ein gewünschtes Resultat möglicherweise zu erreichen. Allein wenn es sich um den Nutzen handelt, dann sind verschiedene Gesichtspunkte in’s Auge zu fassen, wobei auch klimatische Verhältnisse berücksichtigt werden müssen. Die wesentlichsten Eigenschaften einer allen Anforderungen entsprechenden Race sind: fleißiges Legen, sicheres Brüten, schnelles Wachsthum und Mastfähigkeit. Selten wird man alle diese Tugenden vereinigt finden, deshalb pflegt man entweder mehrere Racen zu halten, um einander gegenseitig zu ergänzen, oder durch Kreuzung neue Sorten zu erzielen, auf welche die guten Eigenschaften der beiderseitigen Eltern in möglichst hohem Grade übergehen. So hat z. B. die Kreuzung der deutschen Landhennen mit den großen Hähnen der vorstehend erwähnten sogenannten Franzosen einen bedeutend stärkern, größere Eier legenden Schlag ergeben, wobei nicht zu übersehen, daß der Einfluß des Hahns jederzeit vorzüglich maßgebend ist. Die Erfahrung hat gelehrt, daß, wenn die aus der Verbindung eines edeln Hahns mit einer gewöhnlichen Henne hervorgegangenen jungen Hennen wiederum mit einem edeln Hahn gepaart werden, die zweite Generation dem Hahn fast ganz gleiche Exemplare liefert.

Unter allen Geflügelarten ist unstreitig die Eierproduction des Huhns die stärkste; naturgemäß legt dasselbe eine Serie Eier ab, und schickt sich dann zum Brüten an; wird dieser natürliche Verlauf der Dinge nicht gestört, so wiederholt sich solcher zwei bis drei Mal jährlich; wird das Brüten jedoch nicht gestattet, so beginnt die Henne nach einiger Zeit wieder zu legen, und zwar früher, als es sonst, nachdem die Jungen mehrere Wochen geführt worden, geschehen würde. Auch hierin sind Individuen und Racen verschieden; einige Gattungen, wie z. B. Spanier, Crève-Coeur u. s. w., welche fast nie brüten, machen zwischen den Eier-Serien nur längere oder kürzere Pausen, ohne Neigung zum Brüten zu bekunden, während Schanghai, Brahma etc., zumal im Alter von mehreren Jahren oft nur wenige Eier legen und dann abermals brüten wollen. Bei jüngeren Exemplaren dieser Racen kommt es indessen auch vor, daß sie ihre Jungen oft kaum acht bis vierzehn Tage führen, und dann wieder zu legen beginnen, was zwar hinsichtlich der Eier recht angenehm, in Betreff der früh verwaisten Jungen aber desto störender ist. Die Ertragsfähigkeit einen Huhns ist nicht mit Sicherheit zu veranschlagen und hängt von der Race, dem Alter, der Fütterung -c. ab; man kann in günstigen Fällen bis auf 180, selbst 200 Eier jährlich hoffen, durchschnittlich aber füglich nicht mehr als etwa die Hälfte dieser Zahlen annehmen. In das Reich der Fabel gehören die Erzählungen von Hühnern, welche zwei, sogar drei Mal täglich legen. Wenn in Folge einer innern oder äußern besondern Entwickelung eine Henne an demselben Tag zwei Mal legt, so kann das zweite Ei nicht vollkommen ausgebildet, sondern blos mit einer weichen Schaale versehen sein, und den darauf folgenden Tag wird sie entschieden nicht legen, da die Verhärtung der Schale zur vollständigen Reife ziemlich einen Tag bedarf. Es kommt vor, daß Hühner einige Wochen lang legen, ohne einen einzigen Tag zu pausiren, allein dies sind Ausnahmen, und in der Regel legen sie zwei, drei bis vier Tage unausgesetzt hinter einander; diejenigen, welche zwischen jedem Ei einen Tag überspringen, sind als gute Legehühner nicht zu empfehlen.

Der Raum erlaubt nicht, hier auf das natürliche und künstliche Brüten, auf Einrichtung der Ställe, die Fütterungsmethoden, Mästung, Krankheiten und viele andere der Hühnerologie angehörende Punkte überzugehen, nur möge schließlich noch die Bemerkung Platz finden, daß eine jede neue Erscheinung neben ihren Vortheilen auch Schattenseiten darbietet, im vorliegenden Fall darin bestehend, daß seit Einführung ausländischer Racen sich eine neue, früher ganz unbekannte Krankheit im Gefolge gezeigt hat, nämlich die fast allen Hühnerologen nur allzu schmerzlich bewußte Augenkrankheit. Heilmittel in Menge sind dagegen vorgeschlagen und mit günstigem oder ungünstigerem Erfolg angewendet worden; weil

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 172. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_172.jpg&oldid=- (Version vom 21.8.2021)