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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

No. 21. 1860.
Die Gartenlaube.
Illustrirtes Familienblatt. – Verantwortl. Redacteure F. Stolle u. A. Diezmann.

Wöchentlich 11/2 bis 2 Bogen. Durch alle Buchhandlungen und Postämter vierteljährlich für 15 Ngr. zu beziehen.


In den Casematten Magdeburgs.

Von Levin Schücking.
(Fortsetzung.)
3.

Am folgenden Tage erwartete Frohn mit verdoppelter Ungeduld seine junge Freundin. Er hatte am Morgen frühzeitig dafür gesorgt, daß das aufgewühlte Loch in der Ecke der Casematte verdeckt wurde, wobei seine Matratze die wesentlichsten Dienste leistete. Dann hatte er, sobald die Leute, die sich heute wieder zur Arbeit führen ließen, entfernt waren, auf kleine Streifchen des zerrissenen Papiers, worauf Esther ihm den Plan der Festung zugeschmuggelt, mit einem Bleistift allerlei Hieroglyphen gekritzelt, kurze und unverständliche Sätze, als z. B.

C. 3. Object Elbthor. Besetzt.

oder

C. 5. Object Bastion Kurfürst. –> Marktplatz.

und dergleichen mehr.

Den Rest der Zeit hatte er zum Theil damit zugebracht, über die merkwürdige Bekanntschaft nachzudenken, welche er am Tage vorher gemacht hatte. Dieser energische, in seinem tiefen Elende so muthige und so viel frische Lebenskraft zeigende Mann hatte ihm imponirt, er mußte ihn bewundern – aber er fühlte auch, daß es eine wunderlich angelegte, complicirte Natur sei, die ihm ein gewisses Mißtrauen einflößte, oder etwas wie ein Unbehagen vielmehr, das Frohn hinderte, eine volle warme Theilnahme für ihn zu empfinden. Es war diesem wenigstens klar, daß in dem Freiherrn von der Trenck ein Ehrgeiz, ein Hochmuth und eine Ueberhebung liegen müsse, die ihn zu einem sehr gefährlichen Freunde mache, und zu einem gefährlichen Menschen überhaupt, wenn er frei und im Vollbesitze seiner Kräfte und seines anscheinend so großen Reichthums sei.

Endlich kam die Stunde, die Esther’s liebliche Erscheinung in die düstre Wohnung den Gefangenen brachte. Sie kam eilig mit ihrem Korbe herein. Frohn nahm ihn ihr ab und drückte sie an sein Herz, so daß ihre schwarzen Locken über seinen Oberarm flossen – höher reichte sie an der mächtigen Männergestalt nicht hinauf. „Du hast gute Nachrichten,“ sagte er – „ich seh’s Dir an.“

Sie nickte mit dem bei seiner Umarmung tief dunkelroth gewordenen Gesichte. „Ja,“ sagte sie, „es ist mir gelungen, die Frau des Ober-Feuerwerkers kennen zu lernen, der Nachts die Schlüssel zu dem Pulverthurm zu sich nimmt …“

„Zu dem Laboratorium neben dem Thor der Sternschanze?“

„Zu demselben, von dem Sie mir früher sprachen.“

„Und weiter?“

„Die Frau liebt den Branntwein; der Mann ist Abends im Bierhause in der Stadt. Ich werde sie heute Abend besuchen und wenn es mir gelingt, sie trunken zu machen, werde ich mir Wachsabdrücke von den Schlüsseln machen können, die über dem Bette der Leute an einen Nagel aufgehängt werden. Hätten wir nur Geld, dann würde es auch nicht schwer sein, einen Schlosser zu finden, der die Schlüssel nachmacht.“

„Geld, mein Herz? – daran fehlt es nicht! Sieh her!“ Frohn zog die Goldrolle Trenck’s hervor und gab Esther einen Theil der Summe. „Hier hast Du achtzehn Friedrichsd’or – hundert Thaler; reicht’s nicht, so kannst Du mehr bekommen, schönster Engel – obwohl ich meine, Du könntest Bestechungsversuche wohlfeiler haben – mit einem Kuß könntest Du alle Männer der Welt ihren Pflichten abtrünnig machen!“

Sie wand sich bei diesen Worten von ihm los. „Sie machen wieder Ihre abscheulichen Späße,“ sagte sie. „Wenn Sie mich nur ein klein wenig lieb hätten, würden Sie daran denken, wie weh Sie mir damit thun!“

„Was sich neckt, das liebt sich, weißt Du, Esther,“ antwortete Frohn.

„Ach, Sie wissen viel von Liebe!“ erwiderte Esther traurig lächelnd.

„Herzenskind, versündige Dich nicht an meinem treuen Herzen,“ fiel Frohn zärtlich ein. „Siehst Du, wenn wir Beiden, ich, der Commandant, und Du, mein getreuer Adjutant, meiner Kaiserin, der Gott ein langes Leben schenken soll, die Hauptfestung ihres bösen Feindes in die Hände geliefert haben, dann macht sie mich zum Wenigsten zum Grafen und Feldmarschall-Lieutenant – und dann wirst Du und Niemand anders meine Gräfin und Feldmarschall-Lieutenantin …“

„Danach steht mein Sinn nicht – dafür setze ich mein Leben nicht der Gefahr aus!“ erwiderte Esther. „Ich will für meinen Vater die Freiheit … .“

„Und für Dich selbst nichts, gar nichts?“ fragte Frohn, indem er die Hand unter Esther’n Kinn legte und ihr schönes Gesicht zu sich emporhob.

„Nichts – als etwas, was Sie gar nicht zu verschenken haben – als ein – ein treues Herz!“ sagte sie, indem sie das Auge zu dem Frohn’s aufschlug und nach einem sprechenden innigen Blick sofort wieder senkte.

„Und das sollst Du finden,“ entgegneie er mit lebhaftem und warmem Gefühl – „ein treues Herz – ich wäre der schlechteste Mensch auf Erden, wenn Du es nicht fändest! Aber,“ fuhr er


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verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 321. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_321.jpg&oldid=- (Version vom 14.5.2017)