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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

No. 22. 1860.
Die Gartenlaube.
Illustrirtes Familienblatt. – Verantwortl. Redacteure F. Stolle u. A. Diezmann.

Wöchentlich 11/2 bis 2 Bogen. Durch alle Buchhandlungen und Postämter vierteljährlich für 15 Ngr. zu beziehen.


In den Casematten Magdeburgs.

Von Levin Schücking.
(Schluß.)

In kurzer Zeit, schon nach einer halben Stunde, kehrte der Major mit seinem Adjutanten und begleitet von dem Commandanten, dem Platzmajor und einem dritten Stabsofficier in die Casematte zurück.

„Wir bringen Ihnen eine Botschaft vom Herzog, Trenck,“ sagte er; „Seine Durchlaucht läßt Ihnen mittheilen, wenn Sie Ihre Worte wahr machten, so wolle er Ihre Bitte gewähren; er sichert Ihnen seine nachdrückliche Protection und auch die Gnade des Königs zu; auch sollten Ihnen dann sofort alle Fesseln abgenommen werden.“

„Ich danke Seiner Durchlaucht,“ versetzte Trenck, „und verlasse mich auf sein fürstlichess Wort. Wann befiehlt er, daß ich morgen ausführen soll, was ich versprochen habe?“

Der Commandant hatte sich unterdeß mit scharfen Blicken umherspähend in dem Kerker umgesehen. „Glauben Sie uns denn wirklich zu Narren halten zu können?“ fiel er jetzt ein.

„Durchaus nicht!“ versetzte Trenck stolz und kalt; „ich bin weder ein Narr, noch halte ich Sie dafür!“

„Machen Sie anderen Leuten weiß, daß Sie mit dem Teufel im Bunde stehen,“ sagte der Platzmajor lachend.

„Es handelt sich hier nicht um den Teufel, sondern um den Befehl des Herzogs, um welche Stunde morgen ich auf dem Glacis spazieren gehen soll.“

„Nun, wohl,“ sagte der Commandant, „der Herzog läßt Ihnen sagen, es bedürfe dessen nicht – es reiche hin, wenn Sie uns nur genau angäben, wie Sie es bewerkstelligen wollen, und wir die Möglichkeit einräumen müssen.“

Trenck blickte forschend in die Gesichter derer, die ihn umstanden. Es lag ein Ausdruck darin, der ihm nicht gefiel und der ihn hätte zum Mißtrauen führen müssen. Aber er war zu sehr in Aufregung bei dieser ganzen Scene, er dürstete zu sehr nach dem Triumphe von Staunen und Bewunderung, den ihm der nächste Augenblick bringen konnte, als daß er besonnen geblieben wäre. „Hat der Herzog das in der That gesagt?“

„Zweifeln Sie an unseren Worten?“

„Er sichert mir die Gnade des Königs zu, auch wenn ich Ihnen blos den Beweis führe, daß ich frei und ungehindert davon gehen kann, ohne, wie der Herr Platzmajor glaubt, die Hülfe des Teufels in Anspruch zu nehmen?“

„Ja!“

„Nun wohl, meine Herren,“ rief jetzt Trenck laut aus – „so geben Sie Acht!“

Damit begann er den rechten Fuß aus seiner Fessel zu lösen, dann die Kette, die an seinem Halsringe hing, dem Commandanten trotzig vor die Füße zu werfen und die Handschellen mit der Stange dazwischen ebenfalls; darauf schleuderte er das Halseisen dem Uebrigen nach, und dann trat er stolz und aufgerichtet ein paar Schritte vor, daß die Officiere bestürzt zurückwichen. Er wandte sich nun der Ecke zwischen seinem Lager und der Wand zu, hob hier etwas vom Boden auf und zog einen mit Gold gefüllten Beutel, ein Pistol, ein Paar Schlüssel, Pulver und Blei und mehrere Feilen hervor, die er auf seinen Tisch legte; dann nahm er die zwischen seinen Handschellen befindliche Stange vom Boden auf, löste sie von den Fesseln los und schritt nun auf die andere Seite der Zelle, wo er vorsichtig ein großes Stück des Bodens aus den geschickt mit Brodkrumen zugestrichenen Fugen hob. Dann hob er ein zweites darunter liegendes und endlich ein drittes auf. Aus der Tiefe darunter zog er zwei kleine Sandsäcke hervor und sagte nun, die Arme wie ein Triumphator über der breiten und kräftigen Brust verschlingend:

„Sie sehen, meine Herren Officiers, daß ich die Wahrheit gesagt. Meine Ketten habe ich den Herren vor die Füße geworfen; dort liegt eine Waffe, um mich auf der Flucht vor dem Wiedereinfangen zu schützen, und Geld, um mir weiter zu helfen; hier ist der Eingang zu dem Wege, der mich aus meinem Kerker führt. Ueberzeugen Sie sich selbst. Untersuchen Sie den Gang; Sie werden finden, daß er sieben und dreißig Schuh lang ist. Er mündet in der Casematte drüben. Die österreichischen Gefangenen, welche dort eingesperrt sind, werden meine Flucht nicht hindern; das Thor der Casematte wird es auch nicht, denn dort liegen die Schlüssel, welche es von innen öffnen. Höchstens würde die ganze dort eingesperrte Mannschaft mich als Escorte begleiten. Die Leute haben mir schon jetzt ihren guten Willen gezeigt, denn sie haben das Ende meines Ganges in ihrer Casematte entdeckt und mich dennoch nicht verrathen. Und was, wenn ich einmal draußen bin, meine weitere Flucht angeht, so ist dafür gesorgt. Der Ort, wo ein vertrauter sicherer Mann mit zwei gesattelten Pferden auf mich wartet, ist mir genau bekannt. Bin ich aber einmal im Sattel, ein zuverlässiges Pistol in der Faust, – dann fangt Ihr Herren mit allen Euern Deserteur-Cordonlinien den Trenck nicht wieder ein, weit eher den Teufel mit einer Leimruthe auf flachem Felde.“

Die Officiere sahen sich allerdings, ganz wie der Gefangene es erwartet hatte, mit stummer Verwunderung an. Die ganze


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verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 337. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_337.jpg&oldid=- (Version vom 14.5.2017)