Seite:Die Gartenlaube (1860) 672.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

gering, die Gastfreundschaft im Hause desto größer. Der Fremde erscheint wie ein naher Verwandter, der das Haus besucht. Die Gemeinde – das Volk – betrachtet man als immer größere Familienkreise; der Kaiser wird als ein oberstes Familienhaupt angesehen. Wenn dem Kroaten nach seiner Ansicht in der Gemeinde oder bei Gericht Unrecht geschieht, geht er gleich selber zum Banus nach Agram, oder nach Wien zum Kaiser. In letzter Zeit ist das allerdings etwas anders geworden.

Ich möchte noch das Verhalten der Kroaten im Jahre 1848 berühren. Damals hatten die Ungarn seit mehr als zwanzig Jahren schonungslos die slavische Sprache unterdrückt, trotz allen Familienrechtes das ungarische Erbrecht und Grundtbeilungen eingeführt, und die slavische Nation in allen Punkten auf das Tiefste verletzt. Die Erbitterung der letzteren gegen die Ungarn drohte schon 1845 auszubrechen; im Jahre 1848 bedurfte es nur eines Befehls der Regierung, daß der letzte Mann gegen die Ungarn zu Felde zog. Von Ungarn aus wurden die Kroaten gegen Wien geführt. Daß der durch Entbehrungen aller Art demoralisirte undisciplinirte Landsturm in Wien so arg wüthete, mögen die verantworten, welche ihm die Plünderung Wiens zusagten und erlaubten.




„So sprach ein Fürst“. (Stuttgart, 1860.) Unter diesem eigenthümlichen Titel ist jüngst „von dem Neffen und Erben des Dr. F.“ nach dessen eigenem Wunsche ein Buch, Memoiren eines Fürsten, veröffentlicht worden, welches vielen Lesern als eine Dichtung erscheinen dürfte, obschon die Herausgeber alles Ernstes im Vorwort versichern, daß die Aufzeichnungen echt sind und weder Indiscretion noch Täuschung obwalte. Wir wollen daher unsere gelinden Zweifel unterdrücken, wenn wir auch nicht verhehlen können, daß unser Suchen und Forschen, welcher von allen Fürsten dieser edel und groß denkende Mann sein könne, nur auf zwei Namen haften blieb, die eine entfernte Möglichkeit für die Authentität der Memoiren bieten. Das Werk selbst ist geistvoll geschrieben und verräth in jeder Zeile, daß sein Verfasser sich in den Kreisen der feinsten Bildung bewegt hat; es behandelt die socialen und politischen Fragen der Jetztzeit mit Geist und Geschmack, während uns der würdigste Geist staatsbürgerlicher Freiheit aus jeder Seite entgegen weht. Wenige Stellen aus den ersten Abschnitten mögen genügen, dies zu bestätigen und auf das Werk selbst aufmerksam zu machen.

„Was thut Ihr für das Volk?“ so fragt der Fürst, „Ihr haltet es fleißig zur Schule an, damit es Euch nicht beunruhigt und den Katechismus der Unterthänigkeit wohl auswendig lernt; Ihr sorgt für seinen Hunger, und das ist löblich, doch für Eure Pferde thut Ihr dasselbe; – Ihr dressirt es zu Soldaten, die Polizei nöthigenfalls kräftig zu unterstützen – andere Heldenthaten haben sie seit mehr als einem Menschenalter nicht begangen – schließt nun einmal Euren Erziehungscursus, entlaßt das Volk aus der Schule, gebt ihm die Toga, öffnet ihm das Forum, als freier Mann betrete es die Arena der höchsten Kräfte.“ –

„Ein einzelner deutscher Staat kann nur etwas sein, wenn das ganze Deutschland etwas ist. Die Erfahrung lehrt, daß das ganze Deutschland in der Reihe der Staaten wenig oder nichts ist; es ist gemißachtet und gemißbraucht. Machen wir es also zu etwas! Da wir aber nicht auf das Ganze unmittelbar wirken können, so laßt uns in unserem Theile ausführen, was das Ganze zur Größe leiten muß. Dies kann nun nicht das System kleinlicher Bewachung und Beschränkung sein, das wir bisher verfolgt, denn dies hat uns zur Schande, zur Unbedeutsamkeit geführt. Ein neuer Geist muß den erschlafften Gliedern eingeflößt werden, der Geist der Einheit und Freiheit, jener Geist, der die ersten Völker des Welttheils zum Wettkampf auf der großen Arena der Weltgeschichte beseelt, welchem wir müßig, staunend, klügelnd und unbeachtet zugesehen – jener Geist, der noch immer die Nationen zu Macht und Größe geführt hat. – Die Einheit können wir kleiner Theil nicht machen, aber wir können den Sinn der Menschen dafür erziehen. Die Freiheit aber können wir geben. – Und wenn Euch Diplomaten und Politiker denn einmal das Gelüsten festhält, nur unter einer Maske zu spielen, so gebrauchet nun Eure Künste zu einem edlen Zweck, spielt unter der Maske der Unterdrückung die Rolle der Freiheit, statt daß Ihr sonst nur zu oft unter der Maske der Freiheit dieser die tödtlichsten Wunden versetzt habt.“

„Wir sind seit dem Frieden souverain; keine Macht der Erde bestimmt uns; die Throne von Rußland, Frankreich und England sind uns nur ebenbürtig; aber sieh, eine Macht ist über uns, eine unausweichliche, allbezwingende, niederdrückende und verzehrende Macht: das Kleine. Ihr können selbst Götter nicht widerstehen. Unser Gesichtskreis ist ein gar enger, die Verhältnisse, in denen wir leben, sind klein, und die Menschen, mit denen wir zu thun haben, sind durch diese Verhältnisse klein geworden. Ja, betrachte nur die Menschen, die unsere Höfe belagern, sind sie nicht gründlich verächtlich? Es sind Lakaien, nichts weiter, die sich mit nachgeäfften Formen und klingenden Namen zu Theatergrößen aufblähen. Kaum gelingt es ihnen noch, den simpeln Bürger und Bauer zu blenden. Hinter den Coulissen, wenn sie nicht auswendig gelernte Phrasen herzusagen und einstudirte Bücklinge anzubringen haben, hinter den Coulissen erscheint ihre ganze Leerheit. und ihr Flitterstaat bedeckt zu oft nackte und hungrige Armuth. Ich habe sie studirt. Diese Menschen haben keinen Gott, kein Vaterland, kein Gewissen, keine Idee, als uns – um unsere Mienen, unsere Worte, unser Wohlgefallen drehen sich die Kreise ihres flachen Lebens – mit der kleinlichsten Eifersucht schnappen sie nach kleinlichen Auszeichnungen, mit der hungrigsten Gier reißen sie sich um die Brocken von ein paar Thalern Gehaltszulage. Dabei dünken sie sich bevorzugte Wesen, brüsten sich mit ihrem Adel zum Hohn unserer Sprache, die mit dem Werte „Adel“ Würde und Unabhängigkeit bezeichnet, und sehen mit Verachtung auf die Bestrebungen der edlen Männer herab, die unter wenig ermuthigenden Umständen ihr Volk auf eine ehrenvollere Stufe unter den Nationen zu heben bemüht sind, welche unsere Ohnmacht mit Hohn oder Mitleid betrachten.“

„Der Begriff „Deutscher“ ist so unbestimmt, daß ich ihn nicht besser definiren kann, als einen Menschen, der im eigenen Lande ein Ausländer ist.“

Der Leser wird mit uns fragen, wer der Fürst sein mag, der also gesprochen? Vielleicht, daß die Zukunft das Dunkel erhellt, wie die Vorrede des Buches wenigstens andeutet. Das Buch muß nothwendig auf authentischen Mittheilungen oder Manuscripten fußen, und wenn einzelne Andeutungen und Thatsächlichkeiten uns nicht ganz täuschen, so kennen wir den geistreichen Fürsten, dessen Ideen und Aussprüche darin wiedergegeben sind. Glücklich konnte sich der Fürst in seiner Stellung mit diesen Anschauungen unmöglich fühlen!




Die Muttermilch durch Kuhmilch zu ersetzen bleibt immer mißlich und wird häufig eine Quelle schwerer Krankheiten der Säuglinge. Denn die Kuhmilch enthält viel zu viel Käsestoff (3 Mal mehr als die menschliche), und wenn man dies durch Verdünnung der Milch verbessern will, so fehlt es alsdann an den zur Kindesnahrung nicht minder wichtigen Zucker- und Fett-Bestandtheilen der Milch. – Offenbar eignet sich daher der Milchrahm (die Sahne, der Schmetten), weil er fettreicher und käseärmer ist, weit besser dazu, unter gehöriger Verdünnung als Ersatz der Muttermilch für menschliche Säuglinge zu dienen. Man muß ihm dann nur noch ein wenig Zucker hinzusetzen. Ein amerikanischer Arzt, Dr. Cumming, hat ausgerechnet, wie viel für jede Altersstufe der Kinder von Wasser- und Zuckerzusätzen auf je 1000 Theile guten Milchrahm erforderlich sind. Wir glauben manchen unserer Leser und Leserinnen durch Mittheilung von Cumming’s Tabelle einen Gefallen zu erweisen.

Bei einem Alter
des Kindes
sind erforderlich auf
Zusatz von Wasser
1000 Th. Rahm
von Zucker
von 3–10 Tagen 2643 243
10–30 2500 225
1–2 Monaten 2250 204
2–3 1850 172
3–4 1500 144
4–5 1250 124
5–6 1000 104
6–7 875 94
7–9 750 84
9–11 675 78
11–14 625 73
14–18 550 67
über 18 500 63




Aus dem Familienleben der Störche. In einem Dorfe, dessen mit Stroh gedeckte Gebäude mit vielen Storchnestern besetzt waren, bemerkten die Bewohner des einen Hofes, daß oft, wenn der Storch des auf ihrem Hause nistenden Paares sich entfernt hatte, die Störchin von dem Storche eines anderen im Dorfe befindlichen Nestes besucht ward, aber dann auch jedesmal, nachdem der gegenseitigen Zärtlichkeit ein volles Genüge geschehen war, nach dem in dem angrenzenden Garten befindlichen, mit Wasser angefüllten Flachsrötteloche flog und sich eifrig abbadete. Während nun einstens wieder der fremde Storch sich bei der Störchin, um des eigenen Gatten Stelle zu vertreten, befand, bedeckten die Bewohner des Hofes – um zu sehen, was die Störchin dann wohl beginnen werde - das Flachsrötteloch so dicht mit Baumzweigen, daß die gewohnte Abwaschung nicht stattfinden konnte. Als nun darauf, nachdem der fremde Buhle sich entfernt hatte, die Störchin sich zu baden beeilte, aber die Unmöglichkeit, zum Wasser zu gelangen, einsah, ließ sie traurige klagende Laute hören, und begab sich unter bemerkbaren Zeichen von Unruhe wieder auf ihr Nest. Kaum dort angekommen, stellte sich auch der eigene Gatte ein, flog aber nach kurzem Verweilen mit heftigem Geklapper in die Höhe, machte förmlich bei sämmtlichen auf den andern Dächern des Dorfes hausenden Störchen die Runde und kehrte, von diesen sämmtlich begleitet, zu seinem ungetreuen Weibe zurück. Sämmtliche Störche, theils auf dem Dache neben dem Neste stehend, theils dieses umkreisend, gaben durch ihr unabgesetztes Klappern der Vermuthung Raum, daß eine ernste Berathung stattfinde. – Und so war es denn auch! – denn plötzlich stürzten sie sich alle auf die Ehebrecherin und vollstreckten mittelst ihrer langen spitzen Schnäbel das berathene und ausgesprochene Todesurtheil, worauf sie den Leichnam aus dem Neste und von dem Dache herabstürzten.

Die Störche flogen jeder wieder nach seinem Neste, auf welchem nun aber auch jeder, den Hals abwechselnd hoch aufrichtend und auf den Rücken biegend, ein lange anhaltendes Geklapper begann, welches wahrscheinlich für ihre Familien eine Geschichtserzählung des erlebten Drama’s enthielt. – Allen denen, die diese Erzählung für Erfindung halten sollten, diene zur Nachricht, daß dieses Ereigniß vor ohngefähr vierzig Jahren auf dem Ackerhofe von Jürgen Schaper in dem Dorfe Weddendorf, Kreis Gardelegen, Regierungsbezirk Magdeburg, stattfand und Zeugen noch vorhanden sind.




Berichtigung. In dem Artikel „Schloß Stolpen und die Gräfin von Cosel“ in Nr. 40 muß es heißen „Anna Constantia von Brockdorff“, anstatt Burgsdorff.




Für „Vater Arndt“

gingen bei Unterzeichnetem wieder ein: 12 Thlr. Ertrag einer von der Gesellschaft „Thalia“ in Ronneburg veranstalteten Abendunterhaltung – 4 Thlr. 6 Ngr. aus einer Gesellschaft in Egeln (durch B. Michelmann).

Ernst Keil.

Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 672. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_672.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)